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Daniel wühlte in den Taschen des am Boden liegenden Terroristen und zog dann klimpernd einen Schlüsselbund hervor, den er uns triumphierend wie einen Schatz vor die Nase hielt.
Ein breites Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus und auch Lucas schien erleichtert, bis wir diesen kleinen Bund voll Hoffnung in Daniels Hand genauer musterten.
Na wunderbar.
An diesem Metallring hingen mindestens zehn verschieden Schlüssel.

„Das kann nicht wahr sein. Welcher ist der Richtige?" fragte ich seufzend.
„Müssen wir wohl ausprobieren."
Daniel griff sich den erste Schlüssel und drückte ihn gegen das Türschloss, doch er war viel zu klein.
Schon hatte er den nächsten in der Hand, welcher wiederum zu groß war.
Der Zweite war zu dick.
Der Dritte fast größer als das ganze Schloss.
Und so ging das Schlüssel für Schlüssel.
Keiner wollte passen, bis Lucas die Schnauze voll hatte.

„Trettet zur Seite. Wir haben für diese Kinderspielchen keine Zeit."
Er hob seine Waffe und zielte gegen die Tür.
Im nächsten Moment knallte ein lauter Schuss, der das Türschloss mit der Klinke herausspringen ließ und die Tür einen Spalt weit öffnete.
Daniel warf achselzuckend den Schlüsselbund zur Seite und trat gegen die Tür.
Jetzt war sie sperrangelweit offen.

Ein Raum, nicht besonders groß und mit kahlen Wänden, erstreckte sich vor uns.
Das einzige Licht, welches das Zimmer erstrahlte, kam von der Tür und blendete die blassen Gesichter vier Soldaten, die uns erschrocken anblickten.
Sie hatten unsere Uniformen an und lehnten alle gefesselt an der Wand.
Sofort wanderte mein Blick über jedes Gesicht, bis mein Blick an dem hängen blieb, das ich voller Sehnsucht gesucht hatte.
„Connor!" jauchzte ich vor Freude und sprang in den Raum zu dem mehr als erschöpften Soldaten, der mich fassungslos anstarrte.
Seine Stirn trug eine Wunde, aus der das Blut bis zu seinem Kinn hinuntergeflossen war.

„Adriana?" krächzte er heiser, wobei sich sein überraschter Gesichtsausdruck in pure Erleichterung verwandelte.
„Du bist es wirklich. Ich dachte ich hätte dich verloren. Verdammt, ich dachte sie hätten dich erwischt. Du bist doch meine einzige Familie und..."
„Shh. Ist ja gut. Hey, ich lebe noch." beruhigte ich ihn, während ich die Fesseln an seinen Händen löste.
„So schnell bekommen die uns nicht klein."
Lucas und Daniel kümmerten sich währenddessen um die anderen drei Soldaten, die ebenfalls ziemlich niedergeschmettert aussahen.
Doch auch bei ihnen konnte ich keine größeren Verletzungen feststellen.
Kaum hatte ich Connors Fesseln gelöst, schloss er mich in eine feste Umarmung, als wollte er mich nie wieder loslassen.
Dann nahm er mein Gesicht in seine kräftigen Hände und drückte seine Lippen auf die meinen.
Sehnsucht, Erleichterung, Freude und tausend andere Gefühle prasselten auf mich ein.
Es war, als würde unser Leben von diesem Kuss abhängen.

Als wir uns wieder lösten, erkannte ich einzelne Tränen, die aus seinen Augen wichen und sich mit dem Blut auf Connors Wange vermischten.
„Gott Adriana. Ich liebe dich."
„Ich liebe dich auch." flüsterte ich.
Er wollte mich erneut umarmen, doch ich umfasste seine eiskalten Hände und musterte besorgt die geröteten Stellen an seinen Handgelenken, die von den viel zu festen Fesseln stammten.
„Bist du sonst noch irgendwo verletzt?" fragte ich ihn, während ich mir die Wunde auf seiner Stirn genauer ansah.
Ich wischte ein paar blutverklebte Strähnen zur Seite.
Eine Platzwunde, die glücklicherweise nur noch wenig blutete.

Nun nahm Connor meine Hände und sah mich beruhigend an.
„Keine Sorge. Es war eine alte Wunde, die erneut aufgeplatzt ist, als die Terroristen uns die Waffen übergezogen hatten, um uns in diesen Raum zu schleppen."
„Seid ihr die Einzigen, die übrig geblieben sind?" kam die Frage von Lucas, der uns geschockt ansah.
Alle vier nickten.
„Der Colonel wurde in einen separaten Raum gesperrt. Und naja Jason eben, diese miese Schlange."
zischte einer der Soldaten, den ich nur flüchtig aus der Einheit kannte.
„Dieser Scheiß Mistkerl. Ich bringe ihn um. Er hat uns verraten. Er..."
„Wissen wir. Er hat uns selbst in eine äußerst dumme Lage gebracht." unterbrach ich Connors Verfluchungen an Jason.
„Was? Was hat er gemacht?" sofort ballten sich seine Fäuste und er wurde wütend.
„Das ist jetzt unwichtig. Wichtig ist, dass wir hier rauskommen und den Colonel am besten mitnehmen." warf Daniel ein, der bereits aus dem Raum ging.
„Schön und gut, aber wir wissen nicht, wo er ist." sagte ein andere Soldat.
„Ich weiß, wie wir das herausfinden." Connor sprang auf und drängte sich an den anderen vorbei aus dem Raum.

Er widmete sich einem der bewusstlosen Terroristen und hantierte an dessen Gürtel.
Was hatte er vor?
Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht zog Connor eine Karte hervor, die einer Schlüsselkarte ähnelte
Dann rannte er los.
„Connor warte!" schrie ich ihm nach, doch er war nicht zu halten.
Sofort verließen wir ebenfalls den Raum und sprinteten hinter Connor her.
Er rannte durch den langen Gang an den vielen Türen und der Treppe vorbei, bis er ganz hinten stehen blieb.
Nun standen wir alle vor dieser riesigen Tür, die mir vorher schon aufgefallen war.
Sie war sogar noch größer, wenn man direkt davor stand.
Mehrere Metallstäbe verankerten die beiden Doppeltüren miteinander und stellten sicher, dass niemand diese Tür mit bloßen Händen öffnen konnte.
An der Wand hing ein elektronisches Schloss mit Kartenschlitz und das kleine Lämpchen daran, leuchtete in einem grellen Rot.
Da war aber jemand paranoid.
Was war in diesem Raum? Atomwaffen? Ein Banksafe?

Connor hob die Karte und ließ sie durch den Kartenschlitz gleiten.
Das Licht des Lämpchens verwandelte sich von Rot in Grün und ein schrilles Piepen setzte die Metallstäbe an der Tür in Bewegung.
Mit einem Klicken sprang jeder einzelne von ihnen zurück und die Doppeltüre schob sich links und rechts in die Wand, sodass wir nun endlich in diesen Raum kamen.
Als ich den ersten Blick hinein warf, erkannte ich ihn sofort wieder.
Es war der Raum, indem sie mich gefesselt dem Colonel präsentierten.
Indem er mir jegliche Hoffnung auf Rettung genommen hatte und die Terroristen mich dann k.o. schlugen.
Ja, diesen Raum erkannte ich sehr gut wieder.
Die tausend Computer und der riesige Monitor, auf dem sie den Colonel kontaktiert hatten.
Und wie es aussah, stellte er den Überwachungsraum da, denn die vielen Computer zeigten unterschiedliche Bilder von Gängen, Räumen und Außenplätze.

„Da!" Daniel zeigte auf einen kleineren Monitor.
Er bildete einen Raum ab, der belebter war, als diese ganze Etage.
Mehrere Personen standen um einen Mann, der auf einem Stuhl gefesselt in der Mitte saß.
Man konnte nicht viel erkennen, doch ich wusste, dass dieser Mann der Colonel war.
Zwei Terroristen standen links und rechts neben ihm und einer, es musste der Anführer sein, schlug immer wieder auf den Colonel ein.
Neben dem Anführer stand noch ein Mann, der mit hängenden Schultern und einer AK das Szenario beobachtete und bei jedem Schlag zusammenzuckte.
Es war Jason.

Immer wieder drosch das Oberhaupt der Terroristen auf unseren Colonel ein.
Es sah so aus, als wäre er schon ohnmächtig. Doch das ständige Schütteln seines Kopfes zeigte, dass er die Schläge weiter einsteckte.
Wie ein wildes Tier rannte der Anführer durch den Raum und fuchtelte mit den Händen in der Luft herum.
Er schien vor Wut fast zu platzen.
Das war eindeutig ein Verhör.
Sicher wollte er die Auslieferung des Präsidenten, doch der Colonel schien sich weiterhin zu sträuben.
Ich will gar nicht wissen, wie lange sie ihn schon folterten.
Wir mussten ihn da raushole, bevor dem Schwein der Geduldsfaden riss und den Colonel zur Zielscheibe machte.

„Hauptgeschoss. Raum 307." las Connor die Position der Kamera vor, die in weißer Schrift über der Videoaufzeichnung stand.
„Holen wir den Colonel da raus und setzten diesem Wahnsinn endlich ein Ende."

SurviveWhere stories live. Discover now