Kapitel 7. Kriege hinterlassen Spuren

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"Behalten Sie den Rest", versichere ich der Kellnerin lächelnd, welche sich bedankt und mir noch einen schönen Tag wünscht. Meine leere Tasse schwebt ihr durch die schwere, stickige Luft hinterher.

Etwas müde durch die kleine Pause, in der ich Kaffee trinkend den Tagespropheten durchforstet habe, laufe ich zurück auf die gut gefüllten Straßen der Winkelgasse. Es sind Ferien, viele sind hier um einen kleinen Schaufensterbummel zu machen, sich mit Freunden zu treffen oder sogar tatsächlich jetzt schon Schulsachen einzukaufen, meist aber junge Schüler in Begleitung ihrer Eltern. Eine Leichtigkeit legt sich mir ums Herz, als ich ein kleines Mädchen, um die acht Jahre alt, auf eines der Schaufenster zulaufen und die Augen vor erstaunen weit aufreißen sehe.

"Mama mama, wann kann ich denn so einen Besen haben?", fragt diese mit großer kindlicher Begeisterung und dreht sich zu einer Frau mittleren Alters, welche sie mit einem traurigen Lächeln ansieht.

"Irgendwann villeicht."

Die nächsten Worte verwehen mit dem aufgefrischten Wind und einige Sekunden später verliere ich die beiden aus den Augen. Ich kann nur hoffen, Noahs Augen auch einmal so aufleuchten zu sehen, wenn er meine, unsere Welt kennen lernt. Was rede ich da, er wird noch perplexer sein als ich es mir erträumen kann und wird von einem Laden zum anderen stürmen um so viele Eindrücke so schnell wie möglich sammeln zu können.

Doch wer weiß, ob es je dazu kommen wird. Ich habe den Schmerz in dem Gesicht der Frau nur zu gut deuten können, er ist mir zu bekannt. Wer weiß, ob wir diesen Krieg überleben werden? Ob das je ein Ende nehmen wird, niemand kann uns das versichern. Wir müssen versuchen, das beste daraus zu machen, nach mehr zu streben und jeden Tag zu leben. Zu viele Menschen leiden schon. Es sollen nicht auch noch die Kinder mit bekommen.

Ohne es zu merken läuft eine zierliche Frau in mich hinein und lässt alle ihre Einkäufe fallen. Aus den Gedanken gerissen zucke ich erschrocken zusammen und sehe in die blauen Augen, welche in den letzten Jahren ihr Strahlen verloren haben.

"Ach du scheiße", fluche ich leise in meinen nicht vorhandenen Bart und mein Gegenüber bückt sich nach einigen Sekunden der totalen Starre eilig nach unten, um die Sachen aufzusammeln. Ich brauche noch einen Moment länger und zögere, als ich mich ebenfalls hin knie und Lola Burton beim aufsammeln helfe.

Sie hat sich drastisch verändert. Ihre Haut ist blass, die Haare kurz geschnitten und sie scheint nur noch aus Haut und Knochen zu bestehen, so dünn ist sie geworden. Das hat alles einen sehr traurigen Grund, wie ich vor einigen Monaten zufällig erfahren habe.

Caroline und Lucas waren mit Celine über das Wochenende zu Besuch gekommen und Abends, als die Kinder schon am schlafen waren, hat Caroline versehentlich gefragt, wie es Lola denn gehe. Auf mein Nachfragen haben sie mir die Geschichte erzählt. Lola hat sich während ihres sechsten Jahres in Hogwarts unsterblich in einen Jungen aus Ravenclaw verliebt und kam auch recht schnell mit ihm zusammen. Lucas erzählte, dass er es schaffte, aus ihr wieder die alte Lola zu machen und man habe gesehen, wie die beiden perfekt zueinander passten. Kurz nach dem siebten Jahr heirateten sie. Doch nach Hogwarts ging alles bergab. Sie begannen beide im Ministerium zu arbeiten, Lola bei ihrer Mutter in der Abteilung Missbrauch von Muggelartefakten und ihr Mann Scott Almond im Aurorenbüro. Nach einiger Zeit fanden sie heraus, dass Lola unfruchtbar ist, was sie sehr traf und nicht loslassen wollte, es lastete auf ihren Schultern als sei es ihre Schuld. Und dazu, im Winter, kurz vor Weihnachten, gab es scheinbar eine Todesser Sichtung und da kaum jemand vom Aurorenbüro geschickt werden konnte mussten die Auszubildenden, unter ihnen Scott, dort hin. Doch dieser musste sein Leben lassen und Lola war vollkommen am Ende. Sie wollte eine Zeitlang nichts essen und nichts trinken, war nur am weinen, hat sich in ihrem Zimmer verbarrikadiert und jedes Mal Panikattacken erlitten wenn jemand im entferntesten Scott erwähnte, sie wurde für einige Wochen ins Mungos eingeliefert. Ihr Zustand soll scheinbar wieder stabil sein, doch laut Lucas ist und wird sie nicht mehr dieselbe, die sie früher mal war.

Als ich die letzte Orange vom Boden auflese und ihr reiche schaut sie mir kurz in die Augen und verstaut diese ebenfalls in der großen Tüte. Unsere Zauberstäbe haben wir vollkommen vergessen.

"Hi", sage ich zögerlich und stelle mich kurz nach Lola auf die Beine. Ein unangenehmes Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus als sie meinem Blick ausweicht.

"Hey", erwidert sie nach einigen Sekunden und sieht mir kurz in die Augen. Ein unangenehmes Schweigen breitet sich zwischen uns aus und wir achten keineswegs auf die Menschen, die sich neben uns vorbei drängen.

"Es - ich hab das von Scott erfahren. Das tut mir leid."

Sie zuckt so heftig zusammen dass ich angst habe, die Tüte fällt ihr erneut aus den Armen. Es ist das einzige, dass mir durch den Kopf geschwirrt ist, und das war mir in dem Moment kurz bevor ich es ausgesprochen habe klüger vorgekommen als wie zur Salzsäure erstarrt da zu stehen. Jetzt bin ich mir da leider nicht mehr sicher. Sie nickt kurz und wischt sich mit einer Hand über ihre Wangen und die Nase.

"Ich muss", flüstert sie leise, doch bewegt sich keinen Centimeter. Ich rege ebenfalls keinen Muskel. "Es - es tut mir leid ... alles."

Mit kurzen Schritten drängt sie sich an mir vorbei und verschwindet so schnell in der Menge, dass ich nichts darauf erwidern kann. In meinem Kopf dreht sich alles. Es tut mir leid ... Perplex stehe ich mitten in einem Menschenstrom, die von meinem Schock nichts mitbekommen.

Nach einigen sekunden, die sich wie minuten anfühlen, bringe ich wieder bewegung in meinen Körper und setze meinen Weg fort. Man könnte als Außenstehender meinen, ich würde einen Tag wie jeden anderen erleben. Wie sehr man sich doch täuschen kann.

'From Lumos to Nox' (Harry Potter FF/Rumtreiberzeit) {Beendet}Where stories live. Discover now