|1| - Der sechste Juli 2004

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2004, Palles PoV:


Es war der sechste Juli 2004. Und ich hatte keine Lust. Keine Lust auf irgendwas. Noch nicht einmal auf's Zocken oder auf's Pokémon schauen. Und darauf hatte ich sonst immer Lust. Am liebsten würde ich mich einfach in mein Bett werfen und schlafen. Meine Augen schließen und in eine Traumwelt hinabtauchen, die mich erheitern würde. Denn gerade war ich vermutlich alles, aber bestimmt nicht glücklich. Dabei wollte ich doch nur glücklich sein... War dies zu viel verlangt? Ich könnte mit Freddie gerade in seinem Zimmer sitzen, das gerade neu erschienene Game X2 zocken und dabei Energy-Drinks und Chips in mich hereinstopfen. So sah zumindest mein Plan für glückliche Sommerferien aus. Jedoch war vor kurzem Freddies Großmutter verstorben und er hatte unsere gemeinsamen Sommerferien abgesagt. Das tat mir zwar Leid, doch ein bisschen enttäuscht war ich schon. Wie sollten denn sonst meine Ferien aussehen? Ich wollte schließlich nicht mit meinen streitenden Eltern nach Dänemark zu Mamas alter Schulfreundin fahren. Sie war nämlich sehr streng, hatte zwei ekelhafte kleine Biester von Hunden und zwei Töchter. Und diese Beiden waren echt anstrengend. Die jüngere von ihnen, Sophie, welche gerade ihren zwölften Geburtstag gefeiert hatte, war zwar ganz süß und echt nett, dafür aber extrem schüchtern, redete nicht viel und war furchtbar in mich verknallt. Und auf einen zweiten Sommer mit diesen verträumten Blicken eines blonden Mädchens konnte ich gut verzichten- Mal abgesehen davon, dass Anna, ihre ältere Schwester, welche nur ein oder zwei Jahre älter als ich war, eine extreme Besserwisserin war. Egal was man sagte, sie hatte immer etwas zu meckern, um einen auf die falschen Inhalte des Erzählten, komische Aussprache von dänischen Wörtern oder die Nutzung des falschen Falles hinzuweisen.

Ja, lange Rede, kurzer Sinn. Jetzt saß ich allein auf einem Platz in einem großen Reisebus. Meine Mum war zwar ziemlich genervt gewesen, dass ich nicht mit nach Dänemark wollte, aber sie hatte mir letztendlich doch diese Jugendreise in ein Ferienlager in Südspanien besorgt. Meine Hoffnungen, die Ferien vielleicht alleine zuhause zu verbringen und jeden Tag Pizza zu bestellen und mich keinen Zentimeter von der Couch zu bewegen, waren nun auch zunichte. Klar, diese Jugendreise ins Ferienlager waren nicht die beste Option, da es dort weder einen Fernseher noch eine Videokonsole geben würde, aber die gab es bei der Familie in Dänemark auch nicht und hier hatte ich dafür keine nervigen Mädchen. Dafür gab es aber viel Geschrei und Getrampel im Bus, es stank nach Schweiß und Leberwurstbrot, sodass ich mit einem langen Seufzer meine Beine anzog und aus dem Fenster sah. Wie viele Stunden wir schon unterwegs waren, wusste ich nicht, aber es waren mindestens fünf. Ganz schön viel. Obwohl das noch nicht mal die Hälfte unserer Reise war, wie ich mit einem Kloß in meinem trockenen Hals feststellte.

"Hallo, darf ich mich hinsetzen?", hörte ich eine freundliche Stimme vom Gang und wand den Kopf, um einen blonden Jungen meines Alters zu sehen, welcher mit einer blauen Tüte am Gang stand und mich angrinste, als wäre ich der Weihnachtsmann höchstpersönlich.

"Meinetwegen.", antwortete ich und schaute zu, wie er sich auf den Sitz neben mir hievte und mich weiterhin anlächelte, so glücklich, dass seine Mundwinkel schon fast bis zu seinen Ohren reichten. "Ich bin Maurice!", schmunzelte er fröhlich und kramte in der blauen Tüte auf seinem Schoß, aus der eine riesige Laugenbrezel hervorzog und sie mir entgegenstreckte. "Du siehst hungrig aus, willst du ein Stück?"

Vollkommen perplex schaute ich den Blondie an, welcher kichernd die Augen zukniff und wieder öffnete. "Ähh... Nein, danke.", murmelte ich und mein Gehirn ratterte. Was war mit diesem Jungen falsch? Wir kannten uns noch gar nicht und er bot mir so etwas Wertvolles wie Essen an, wollte er mich vergiften?

"Dann eben nicht.", lachte der fremde Junge und riss sich ein großes Stück des braunen Teiges ab, um es sich genießerisch in den Mund zu stecken und zu kauen. "Warum fährst du eigentlich allein in ein spanisches Ferienlager für Jugendliche als mit deinen Eltern weg? Du hast ja noch nicht mal Freunde mitgenommen! Allein könnte es ziemlich langweilig dort werden."

"Ich komm schon klar.", murmelte ich, erkannte aber, dass Maurice Recht hatte. Wenn man sich im Bus umschaute, sah man nur Kinder und Jugendliche, die zu zweit oder sogar in Gruppen bis zu zehn Leuten zusammen saßen und sich angeregt unterhielten. Die Laune im Bus war allgemein sehr positiv und bis auf mir und einem kleinen Mädchen in der letzten Reihe, war niemand alleine.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte ich zurück zu Maurice, welcher gerade dabei war, noch ein Stück seiner Brezel abzureißen und mich dabei triumphierend angrinste.

"Mit wem bist du hier?", fragte ich und mein neuer Kumpel zeigte mit einem Finger auf eine kleine Gruppe von Jugendlichen in unserer Nähe. Soweit ich es sehen konnte, waren zwei Jungs und zwei Mädchen auch noch da. "Mit den Idioten da.", lachte Maurice und betrachtete die Gruppe liebevoll. "Wenn du möchtest,  kannst du mit zu uns kommen, dann bist du nicht mehr so alleine hier vorne."

"G-gerne.", murmelte ich, erstaunt über dieses liebe Angebot und schaute wieder zur Gruppe. Allesamt wirkten alle doch recht freundlich und humorvoll auf mich. Und wenn ich mich mit ihnen anfreundete, wäre ich nicht so alleine hier und es würde auch im Ferienlager nicht ganz so langweilig werden. Ich sah wieder hoch in Maurices blitzende blaue Augen und er hielt mir lächelnd seine Brezel erneut hin. "Jetzt vielleicht ein Stück?"

"Danke!", lachte ich diesmal und nam mir etwas, fühlte mich irgendwie gerade gut. Zumindest besser als erwartet.

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Habe eine neue ff, diese hier und ich kann euch versprechen, dass bei dieser die Kapitel regelmäßig kommen, da sie schon komplett vorgeschrieben ist. Jeden Montag und Freitag hört sich gut an, nicht? Das könnte euch vielleicht einen so schrecklichen Tag wie den Montag etwas erleuchten. :D

Hab euch lieb. <3

~Zucchini


-DAMALS.- | #kürbistumor #glpalleWhere stories live. Discover now