|15| - Eiskalte Haut

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Palles PoV, 2004:

"Manu?", wiederholte ich vorsichtig und tatsächlich hob der Junge seinen Kopf diesmal etwas mehr, um mich genauer anzusehen. "Patrick...", nuschelte er und klappte das Buch in seinen Händen zu, bevor er mir etwas Platz am Rand des Felsens machte.

"Was machst du hier oben?", Mein Atem raschelte leise in der milden Luft und ich setzte mich neben Manu auf die Kante, der einfach nur hinuter auf das schwarze Meer schaute und dabei nicht blinzete, was etwas gruselig war. Mein Blick glitt über sein blasses Gesicht und seine grünen Augen, die bei Nacht nicht mehr so hell herausstachen, sondern dunkel und geheimnissvoll wirkten. Wie ein schimmerndes Tor zu seiner Seele. Die vereinzelten Sterne, die am Nachthimmel zu sehen waren, spiegelten sich in der dunkelgrünen, verschwommenen Weite unter seinem Blick. Gerne hätte ich ihm gesagt, dass er wunderschön war. Das stimmte, sein symethrisches, zartes Gesicht mit diesen beeindruckenden Augen und den flauschigen, braunen Haaren, die einen perfekten Kontrast zu seiner hellen Haut bildeten und mit den schmalen, rosa Lippen sah einfach einzigartig aus. "Warum starrst du mich so an?", fragte Manu, die Stimme leise, als würde die leichte Brise, die hier oben wehte, die Töne davon über das glitzernde Meer tragen. Aber er schaute nicht zu mir. Seine Augen lagen noch immer auf dem Abgrund unter uns.

"Keine Ahnung.", gestand ich, "Was machst du eigentlich hier?" "Dasselbe könnte ich dich fragen.", antwortete Manu tonlos und diesmal sah er mich an, seine wunderschönen Augen zogen mich wieder in diesen Bann wie heute am Strand. Ich wusste, ich hatte den Dunkelhaarigen heute erst kennengelernt, dennoch kam es mir so vor, als würde ich ihn schon ewig kennen. Es war eine Art unterbewusste Verbundenheit zwischen uns, die ich nicht erklären konnte. Ich wusste nichts von ihm und doch hatte ich das Gefühl, ihm vertrauen zu können.

"Ich lese.", Manuel deutete auf das dicke, graue Buch in seinem Schoß. Neugierig hob ich meine Hände und legte sie auf den rauen Einband, um es mir anzusehen, doch mein Gegenüber legte sanft seine kalten Finger auf meine Hände und schob diese zurück zu mir. Es war wie elektrisierend. Manus Berührungen waren immer elektrisierend, was wahrscheinlich daran lag, dass seine Haut so gut wie immer eiskalt war.

Verwirrt schaute ich ihn an. "Darf ich es mir nicht ansehen?" Manu schüttelte den Kopf und lächelte traurig. "Das ist privat." Erst jetzt nahm er seine Finger von meinen Händen und es fühlte sich direkt an, als würde etwas fehlen.

Mein Blick hing noch immer an dem Buch. Mich interessierte es, was Manuel las. Wieso sollte es ihm peinlich sein, dass ich nachschaute, welche Geschichte er verfolgte. Auch ich las gerne. Zwar nicht oft, da ich lieber Videospiele spielte, aber es konnte auch mal ganz entspannend sein, in die Welt der Buchstaben zu versinken. "Ich lese auch gerne.", lächelte ich, "Was ist dein Lieblingsbuch?"

"Harry Potter.", antwortete Manuel und ließ die Beine baumeln. Meine Stirn kräuselte sich. Ich hatte Manuel eher als einen Jungen eingeschätzt, der geheimnisvolle Thriller oder Krimis las. Mit einem Fantasy-Buch hatte ich nicht gerechnet. "Ist das Harry Potter?", versuchte ich nochmal und griff hoffnungsvoll nach dem grauen Buch, diesmal erreichte ich es sogar. Aber Manu reagierte schnell und entriss es mir, bevor ich auch nur einen Blick darauf werfen konnte. Verärgert sah ich an und bemerkte, dass er grinste.

"Was gibt's da zu Grinsen?", blaffte ich, doch Manus Grinsen breitete sich nur aus, "Ich finde dich süß, wie du so stur bleibst." Sofort wurde mein Kopf heiß und ich spürte wie die Hitze weiter über meine Haut zog und mich zittern ließ. Alles gut... Es war nur ein Kompliment. Komplimente hatte ich schon häufiger bekommen, aber so hatte ich nie darauf reagiert... Warum gab Manu überhaupt einem Jungen ein Kompliment? War er vielleicht schwul? Okay... Moment.. Ich sollte aufhören, in Schubladen zu denken. Mädchen machten sich gegenseitig auch immer Komplimente, da war es ganz natürlich. Wieso sollten Jungen das nicht dürfen? Das sagte nichts über die Sexualität aus. Versteht mich nicht falsch, ich hatte nichts gegen Schwule, aber ich wollte einem nicht so dicht gegenüber sitzen. Manu grinste immer noch und baumelte mit den Beinen über dem Abgrund.

-DAMALS.- | #kürbistumor #glpalleWhere stories live. Discover now