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Frische Luft strömte durch das Balkonfenster am anderen Ende des Raumes. Es roch nach Pfannekuchen. Sogar den beitzenden Geruch nach Fliesenreiniger verdrengte der süße Duft.
Ich drückte kräftig die fast leere Packung Sirup zusammen, um noch etwas von der klebrigen Flüssigkeit für mich zu gewinnen. Hungrig schloss ich die Sirupflasche und rollte das dünne Teigstück zusammen. Es dauerte keine Sekunde, da hatte ich schon hineingebissen.
Meinem Vater musste irgendetwas auf dem Herzen liegen, sonst hätte er keine Pfannekuchen gemacht. Er versuchte jedes Mal, wenn er dabei war mir etwas zu beichten, die Nachricht schon im Voraus mit der süßen Note der Pfannkuchen zu verbessern. Hatte es vielleicht etwas mit dem Tanzen zu tun? Damit, dass er mir für zwei Wochen den Tanzraum im JYP-Gebäude reserviert hatte? Oder mit etwas komplett anderem?
Ich legte meinen Pfannekuchen auf dem Teller ab und wandte mich meinem Vater zu. Nachdem er meinen Blick bemerkt hatte, hob er fragend die Brauen.
Neugierig fragte ich: " Warum hast du dieses Mal mein Lieblingsessen gekocht?" Sein Gesichtsausdruck bestätigte mir, dass ich ihn auf frischer Tat ertappt hatte. Dann brauchte ich nur noch eine glaubwürdige Antwort auf meine Frage. "Nun sag schon!", fügte ich ungeduldig hinzu. Er legte sein Besteck beiseite und hustete. "Ich wollte dir etwas mitteilen.", began er, woraufhin ich aufmerksam mit dem Kopf nickte. "Ich werde nächsten Montag nach Busan fahren und bis zum Wochenende dort bleiben. Bitte sei mir nicht böse. Du weißt, dass ein Job wie meiner das erfordert."
Ich schaute seufzend auf meinen Teller hinab. So lange wollte er wegfahren? Was sollte ich denn die ganze Zeit über alleine machen? Und warum hatte er überhaupt den Tanzraum im JYP-Gebäude für mich reserviert, wenn er selbst nicht anwesend sein würde?
Er seufzte ebenfalls und fuhr sich durchs Gesicht. Ich beschloss, meinen Gedanken auf den Grund zu gehen. "Appa, warum hast du dann den Tanzraum für zwei Wochen reserviert?", wollte ich wissen. Er schaute auf und antwortete mir mit einem Grinsen auf den Lippen. Dabei nahm er sich einen weiteren Pfannekuchen. "Na, damit du trainieren kannst.", meinte er. Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Ich habe, aber nichts wofür ich trainieren muss." Mein Vater grinste erneut, sodass ich mehr durcheinander kam. Da ich immer noch nicht verstanden hatte, was er meinte, schüttelte ich den Kopf. Er holte einen Zettel hinter seinem Rücken hervor. "Klar hast du etwas zum Trainieren. Du bist doch die Tänzerin die ihr Solo vorbereiten muss.", sagte er und hielt mir das Papier unter die Nase. Ich hielt es nicht mehr aus. Riss ihm umgehend das Blatt aus der Hand und laß was auf diesem geschrieben stand:

Liebe Park Kairi,
wir laden dich zu unserem Vortanzen am 1. April 2018 ein. Auch dieses Jahr, gibt es wieder freie Plätze in unsere Tanzschule, die errungen werden können. Jeder Tänzer, der sich für die Entscheidung qualifizieren will, ist verpflichtet ein Solo mit Lied seiner Wahl vorzutragen. Mit herzlichen Grüßen!
Dein Fit-Team

Sofort glitt mein Blick zum Absender des Briefs. 1 Million Studio stand dort geschrieben. Ich traute meinen Augen nicht und laß mir die Worte ein zweites Mal durch. Das konnte nicht wahr sein!
"Wie kann es sein, dass ich nochmal vortanzen darf? Beim letzten Versuch angenommen zu werden, hat es doch auch nicht geklappt.", rief ich aus und schaute fassungslos zu meinem Vater.
Er antwortete lächelnd: "Wer weiß? Vielleicht hat jemand ein gutes Wort für dich eingelegt."
Ich grinste wie am Spieß. 1 Million Studio war die Tanzschule. Jeder Jugendliche in Seoul, der etwas vom Tanzen verstand, wünschte sich seine Nachmittage dort verbringen zu können. Auch ich hatte schon immer davon geträumt dort zu Tanzen, meine Hoffnung jedoch verloren, nachdem ich beim Vortanzen versagt hatte. Zumindest war ich damals mit dreizehn Jahren nicht angenommen worden. Und jetzt durfte ich erneut vortanzen. Was ein Zufall, dass dieser Brief genau dann ankam, wenn ich einen neuen Platz zum Tanzen brauchte!
Glücklich rückte ich zu meinem Vater, um ihn zu umarmen. Er hatte wirklich ein Talent dafür, alles perfekt auf die Reihe zu kriegen
"Ist schon gut, Kairi. Ich muss gleich gehen. Darf ich schnell aufessen?", erkundigte sich mein Vater in der stürmischen Umarmung. Ich ließ widerwillig von ihm ab und ließ ihn essen.
Danach half ich ihm beim Abrräumen des Tisches. Das Besteck und die Teller waren schon in der Spühlmaschine verschwunden, als ich den Sirup in die Hand nahm. Zurück in der Küche, packte ich die leere Flasche in den Müll. Mein Vater wischte, währenddessen im Esszimmer den Tisch ab, da ich beim Frühstück mit dem Kleckern nicht gezögert hatte. Schon irgendwie witzig, dass er, als alleinerziehender Vater so gut zurechtkam. Obwohl er so selten für längere Zeit zu Hause war, wusste er wie man einen Haushalt schmiss.
Mit einen Lächeln auf den Lippen kam er in die Raum spaziert. Der klebrige Lappen, welchen er gerade noch in der Hand gehalten hatte, landete in der Spüle. Er schaute zur Uhr an der gegenüberliegenden Wand hinüber. "Es ist schon spät, ich muss los.", sagte er darauf. Ich nickte verständnisvoll und stellte eine letzte Frage: "Kommst du heute erst spät nach Hause oder kann ich für uns kochen?" Bei meinen Worten bildeten sich Grübchen in seinen Wangen. Er stützte die Hände in die Hüften und lachte. "Ja, du kannst für uns kochen. Ich komme heute vermutlich so um sieben. Das Meeting am Nachmittag dauert nicht so lange wie sonst. Aber vergiss nicht vorher einkaufen zu gehen, sonst stehst du heute Abend noch vorm Kühlschrank und es findet sich nichts brauchbares.", verkündete er und nahm mich kurz in den Arm. "Ich muss jetzt wirklich gehen, sonst bekommt der Chauffeur noch die Kriese.", drängte er. Ein kurzer Kuss auf den Scheitel musste dann wohl die Verabschiedung bleiben. Schmunzelnd sah ich ihm nach und machte mich schließlich selbst fertig.
Der heutige Nachmittag, würde  ein langer Nachmittag werden, wenn ich noch ein Solo vorbereiten musste. Den schon fertigen Tanz, konnte ich schlecht benutzen, da die Hälfte der Choreographie von meiner ehemaligen Tanzlehrerin stammte. Und die restlichen dreizehn Tage, welche mir noch bis zum Vortanzen blieben, wollte ich nicht mit dem stetigen Wiederholen der schon lange einstudierten Schritte verbringen.
Freudig schloss ich die Wohnungstür hinter mir.

Hidden Face [Stray Kids FF]Where stories live. Discover now