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Staubpartikel glänzten im Licht, das durch die halb geschlossenen Vorhänge viel, als ich vorsichtig die Augen öffnete. Meine Beine waren in der bauschigen Bettdecke verfangen und die Haare standen mir wirr vom Kopf. Ich strich sie mir mit müden Gliedern hinter die Ohren, während ich mich aufrichtete. Schlaftrunken betrachtete ich das platt gedrückte Kissen, um mich im nächsten Moment bereits nach meinem Digitalwecker umzuschauen. Erst riss ich aufgrund der Uhrzeit erschrocken die Augen auf und machte Anstalten aufzuspringen und aus dem Zimmer zu stürmen, bemerkte dann allerdings das mit rotem Edding umkreiste Kästchen auf meinem Kalender am anderen Ende des Raumes. Es hatten weder die Batterien des Weckers versagt, noch hatte ich den Alarm verschlafen. Heute war der Tag des Baumes  und das bedeutete: Schulfrei. Den Wecker musste aber mein Vater ausgestellt haben, da ich das gestern Abend trotz der fetten Markierung im Kalender vergessen hatte. Dafür war ich ihm mehr als dankbar, denn es ging nichts gegen einen freien Tag, an dem man mal nicht vom schrillen Piepsen des Weckers aus dem Schlaf gerissen wurde. Für einen kurzen Moment überlegte ich, mich einfach wieder in die weichen Kissen hineinfallen zu lassen, doch da stimmte mich mein Magen bereits um, indem er laut knurrte. Kein Wunder, dass ich Hunger hatte, wenn es fast Mittag war!
Nachdem ich meine Bettdecke und das Kissen aufgeschüttelt, die Vorhänge ganz aufgerissen und das große Fenster geöffnet hatte, begab ich mich auch schon in die Küche. Da es in der gesamten Wohnung totenstill war und auf der Küchentheke zwei in Klarsichtfolie eingespannte Schüsseln standen, nahm ich an, dass mein Vater bereits zur Arbeit gegangen war. Solange man bedachte, dass es Donnerstag war und somit mitten in der Woche und ebenso mitten am Tag, war das auch gar nicht ungewöhnlich. Dass er außer Haus war, konnte ich aber zunächst an dem beschriebenen Post-it erkennen, den er mir hinterlassen hatte. Neugierig riss ich das Ding vom Kühlschrank und hielt es mir vors Auge. 

Ich hoffe du hast gut und vor allem lange geschlafen. Frühstück steht neben dem Kühlschrank. Mach dir einen schönen Tag, ich versuche so früh wie möglich nach Hause zukommen. Appa. 

Ich schmunzelte. Es wäre nicht nötig gewesen, mir Essen zu hinterlassen, da ich eigentlich vorgehabt hatte, mir etwas einfaches wie Cornflakes zu machen. Ihm zur liebe, würde ich dann jedoch auf die einseitige Ernährung verzichten und zu mir nehmen, was er für mich gekocht hatte. Wie zu erwarten, bestand der Inhalt der einen Schüssel aus Gemüse. Die Suppe aus der Anderen wärmte ich schnell in der Mikrowelle auf und fand daraufhin vor dem Esstisch platz. Während ich also die heiße Brühe schlürfte und ab und zu einen Bissen vom Gemüse nahm, ließ ich meinen Gedanken freien lauf.
Zuerst rief ich mir noch einmal den gestrigen Tag ins Gedächtnis, da so vieles so schnell passiert war. Stray Kids waren bestimmt schon in Busan angekommen. Am liebsten wäre ich jetzt bei ihnen gewesen und hätte ihre strahlenden Gesichter gesehen. Vor allem Jeongins und darum beneidete ich unbewusst ihre Fans. Obwohl ich sie wirklich oft sah, bekamen ihre Fans sie viel öfter zu Gesicht. Wie es in Zukunft mit unserer Freundschaft aussehen würde, darüber war ich momentan noch nicht im Bilde, aber ich hoffte, dass sie es aushalten würde, wenn es hart auf hart kam. Da ich mich nach dem Treffen am Vortag endlich mal über ihre Tätigkeiten als Boygroup informiert hatte, wusste ich nun auch, wie groß ihre Fan-Base bereits war. Im Gegensatz zu den Menschen, die Stray Kids jeden Tag unterstützten und anfeuerten, war ich ein nichts und deswegen war ich umso dankbarer für unsere Bekanntschaft.
Langsam bewegten sich meine Gedanken in eine andere Richtung. Sie fanden zurück ins Hier und Jetzt und zu einem Wochentag, an dem ich normalerweise in der Schule sein musste. Die Schule. Ich fühlte mich nicht nur erlöst, weil mir der lange Stundenplan heute erspart blieb, sondern auch weil ich einer ganz bestimmten Person nicht begegnen musste. In den letzten Tagen hatte sich zwischen uns einiges Verändert. Ich versuchte nicht ihm mehr ihm aus dem Weg zu gehen und mich zu verstecken, da es schon zu spät dafür war und er versuchte nichts mehr, dass dem ähnelte, was an jenem Abend in der Gasse passiert war, aber das hatte ja nichts zu bedeuten. Man wusste nie wie sich die Dinge ergaben und Shiwon hatte gestern selbst gesagt, dass es bald weitergehen würde. 
Ich schüttelte mit gerunzelter Stirn den Kopf.
Nein! Jetzt, wo ich ihn schon nicht ertragen musste, sollte ich erst gar keinen Gedanken an ihn verschwenden. Egal wie viel mir in letzter Zeit wegen ihm durch den Kopf ging und wie sehr ich nach einer Lösung für alles suchte.
Vielleicht sollte ich heute mal einen Tag, wie jeder andere verbringen. Zum Beispiel einen Film schauen oder im Park ein paar Runden drehen...
Da ich ziemlich wenig Lust dazu hatte, mich zu bewegen, entschloss ich, mir einen Film anzuschauen. Eigentlich, aber das wollte ich mir nicht wirklich eingestehen, hatte ich mich nur für die entspanntere Variante entschieden, weil sie mich an den Filmabend bei den Jungs zurückerinnerte und ich meinen freien Tag am liebsten mit ihnen verbracht hätte. Bevor ich mir allerdings einen Film anschauen würde, musste ich erst einmal eine Dusche nehmen und meine strähnigen Haare waschen. Und eine Sache durfte ganz bestimmt nicht fehlen - Popcorn. Dann würde ich wohl doch noch das Haus verlassen, obwohl es nur eine einzige Packung Popcorn war, die ich benötigte. Tja, Pech gehabt. 
Schüsseln, Stäbchen, Löffel und die Tasse Tee auf beiden Händen balancierend, leif ich in die Küche und packte dort alles eilig in die Spülmaschine. Sollte ich mich nachher an einem Horrorfilm versuchen oder doch lieber wieder einen Actionfilm gucken? Okay, wahrscheinlich würde es bei einem Gruselfilm nicht zwei Minuten dauern, bis ich die Fernbedienung ergriff und den Fernseher vor Angst ausschaltete. Auf Albträume - ich war zwar kein Kind mehr, aber Albträume wegen Filmen traute ich mir durchaus zu - konnte ich alle Mal verzichten. Da waren mir Träume vom Karate kämpfenden Jackie Chan wirklich lieber.
Ich fing bei dem Gedanken an den Spaß, den die Jungs und ich im Verlauf des Filmabends gehabt hatten, an zu lächeln. Wenn sie nur wüssten, wie sehr sie mein Leben verändert hatten! Sie würden es vermutlich selbst kaum glauben können.
Schmunzelnd stieg ich unter die Dusche.

Hidden Face [Stray Kids FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt