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Mit vollen Einkaufstaschen betrat ich die Wohnung und entledigte mich eilig meiner Schuhe und dem langen Mantel. Setzte anschließend meinen Weg durch den langen Flur zum Arbeitszimmer meines Vaters fort. Ich klopfte zweimal an die geschlossene Tür und trat dann in das Zimmer. Am Ende des großen Raumes stand ein Schreibtisch. Mein Vater saß mit gesenktem Kopf hinter ihm, das Polster seines schwarzen Schreibtischstuhls im Rücken. Er schloss gerade eine Akte, als ich in das Büro kam und sah daraufhin zum Eingang. "Ah! Annyeong, kleine Schnecke. Ich habe mich schon gewundert, wo du bleibst.", grinste er. Ich stellte den Einkauf auf der noch freien Arbeitsfläche des Tisches ab, nachdem ich zu ihm aufgeschlossen hatte.
"Tut mir leid, dass ich so spät bin. Ich war nach der Schule, und bevor du mich angefunkt hast, noch in einem Café.", erklärte ich. Er erhob sich und warf einen prüfenden Blick in beide Tüten. Während er die Einkaufstaschen bei den Henkeln fasste, um sie vom Tisch zu nehmen, wandte er sich mir wieder zu: "Achso. Jetzt verstehe ich auch, weshalb du bei meiner Ankunft nicht hier warst. Ich habe mich gefragt, was du wohl außer Haus so lange treibst. Hast du im Café jemanden getroffen?"
Lauschend folgte ich ihm Richtung Küche, wo er mir dann die Frage stellte und zugleich eine neugierige Miene aufsetzte. Wahrheitsgemäß nickte ich, da ich ihm nichts zu verschweigen hatte. "Ja, ich war mit Chan von Stray Kids dort.", teilte ich ihm mit.
Gemeinsam betraten wir die Küche und machten uns zusammen daran, die Lebensmittel auszupacken.
Er blickte dabei immer wieder mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zu mir herüber.
"Hast du denn im Moment überhaupt Hunger? Ihr habt in dem Café doch bestimmt etwas gegessen. Wenn du deshalb keine Lust hast jetzt etwas zu kochen, können wir das auch auf morgen verschieben.", meldete er sich wieder zu Wort. Grinsend lehnte ich mich vor, während mein Vater eine Antwort abwartete. "Nein, nein. Ist in Ordnung, so wie wir es vereinbart haben. Es wird schon noch etwas in meinen Magen reinpassen. Außerdem ist es schon etwas her, dass ich gegessen habe. Vorhin, als du mir eine Nachricht geschickt hast, haben Chan und ich nur geredet." Die Lebensmittel, die wir nicht für das Abendessen benötigten, waren entweder im Kühlfach oder Küchenschrank verstaut und der Rest lag auf der Arbeitsfläche verteilt. Wie immer machte sich das Kitzeln in meinen Fingerspitzen bemerkbar, bei dem ich am liebsten sofort begonnen hätte, das Gemüse zu schneiden und in die Pfanne zu werfen, aber leider musste es vorher noch gewaschen werden.
"Übrigens! Chan hat echt das Potenzial eines Nachhilfelehrers. Er hat mir ohne Probleme bei den Hausaufgaben geholfen.", betonte ich. Lachend warf mir mein Vater erst eine gelbe und dann eine rote Paprika zu. "Na, dann lohnt es sich ja wirklich, dass ich meine Meinung, was eure Freundschaft betrifft, geändert habe." Er fing grinsend an die Möhren zu schälen, während ich das mir zugeworfene Gemüse schnaubend in der Spüle versenkte. Du hättest mich eh nicht davon abhalten können, mich mit ihnen zu treffen! Dafür sind sie viel zu gute Freunde, entgegnte ich in Gedanken, beließ es in Realität aber bei einem kurzen Seitenblick und einem Schmunzeln. Richtig! Er hatte es damals nicht geschafft und würde es auch in Zukunft nicht schaffen, egal auf welche unvergleichbare Weise ich seine Worte wertzuschätzen pflegte.
Ich wusste das zwei Wochen eine sehr kurze Zeit waren, - nicht einmal einen ganzen Monat war es her, dass ich die Jungs kennengelernt hatte - aber diese Zeitspanne hatte sich viel länger angefühlt, es war viel mehr passiert als sonst. Nachdem ich mich Jahre lang nach etwas gesehnt hatte, dass ich nicht hatte haben können, hatte mein Alltag endlich einen neuen, fröhlicheren Farbton angenommen. Obwohl ich mit der Veränderung ein großes Risiko eingegangen war und das alles nicht ohne folgende Auseinandersetzungen funktioniert hatte, bereute ich es doch überhaupt nicht. Ich wusste, dass mein Leben nicht perfekt war - das würde es wohl nie ganz werden - und wie auch vor dem Beginn unserer Freundschaft stellten sich einem einfachen Durchlauf Hindernisse in den Weg, aber zumindest hatte ich sie. Stray Kids waren nach meinem Vater das Einzige, das ich brauchte, um glücklich zu sein.

"Geschaft!", ich reckte mich gähnend in meinem Schreibtischstuhl und ließ mich einmal im Kreis herumdrehen. Wieder vor dem Papierbogen angelangt, schloss ich den Füller und schaltete darauf die Schreibtischlampe aus. Erschöpft erhob ich mich, nachdem die Packung Erdbeermilch, die ich mir als Motiavation aus dem Kühlschrank mitgenommen hatte, entleert und im Mülleimer unter dem Tisch gelandet war. Mein Weg führte direkt zum Bett mit dem über die Jahre angesammelten Berg an Kissen. Ich ließ mich stöhnend hineinplumpsen.
Wenn ich mich nicht täuschte, musste hinter den größeren Exemplaren noch irgendwo ein kleines beiges Kissen mit Teddybär-Motiv versteckt sein, das mir einst meine Mutter geschenkt hatte. Da ich es nach der Trennung meiner Eltern und dem Verschwinden meiner Mutter hatte wegwerfen wollen, das aber wegen all der schönen Erinnerung nicht übers Herz gebracht hatte, lag es immer noch dort - an einem Ort, an dem ich es nicht mehr zu Gesicht zu bekommen brauchte. Und Obwohl es auch vom Aussehen her, überhaupt nicht mehr zur Einrichtung meines Zimmers passte, freute ich mich wie immer über den weichen Aufprall, der mich dort erwartete.
Ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus, während meine Augen langsam zufielen.
Wie schade, dass man vor dem ins Bett gehen die Zähne putzen musste! Ansonsten wäre ich wahrscheinlich auf der Stelle eingeschlafen, ungeachtet der Tatsache, dass ich noch in meiner normalen Kleidung steckte. Ich raffte mich auf, um meiner letzten Pflicht für diesen Tag nachzukommen. Als ich das Schlafzimmer verließ, war es stockdunkel. Mein Blick fuhr zum Büro meines Vaters. Kein Wunder, dass ich so müde war! Sogar mein Vater lag schon in seinem Bett. Von dem gewohnten, unter dem Türspalt herscheinenden Licht, war keine Spur. Wenigsten hatte ich das Gedicht für den Unterricht vollendet und konnte somit gleich ohne Sorgen unter die kuschelige Bettdecke schlüpfen.
Leise öffnete ich die Badezimmertür. Tapste auf Zehenspitzen hinein und griff im Dunkeln nach dem Lichtschalter. Beim Blick zum Waschbecken, vibrierte es dann in meiner hinteren Hosentasche. Bevor ich das Handy allerdings hervorholte, schnappte ich mir noch Zahnpasta und -bürste und steckte mir die mit Minzpaste beschmierte Zahnbürste in den Mund.
22:41 Uhr, bedeutete mir die Anzeige auf dem Sperrbildschirm des Smartphones, was bewies, dass die Stille in unserer Wohnung nicht log.
Nach dem Abendessen, welches ziemlich gut und gesprächig verlaufen war, hatte ich lediglich die Hausaufgaben beendet. Und obwohl der Tag so vollgestopft gewesen war und alles bis jetzt gedauert hatte, - das Abendessen hatte von Beidem, dem Lernen und Essen, am meisten Zeit eingenommen - war ich zufrieden mit dem heutigen Tag.
Ich tippte schrubbend auf KakaoTalk, da ich anscheinend eine Nachricht bekommen hatte. Chan hatte mir vor einer Minute geschrieben: Bist du noch wach?
Für einen Moment ließ ich von der Zahnbürste ab und schrieb ihm eine Antwort: Ye. Warum?
Ein paar Sekunden später, meldete er sich wieder: Kannst du gerade telefonieren?
Mir wurde wieder bewusst, weshalb ich mich im Bad befand, sodass ich sofort zurückschrieb: Aniyo. Ich putze meine Zähne. Ist denn etwas passiert?
Er verneinte.
Schnell spuckte ich die Paste ins Waschbecken und spülte den Mund mit etwas Wasser aus. Warum schrieb er mir dann? Und warum schlief er noch nicht? Er, als ein Idol, hatte das doch nötig!
Ich vergaß - er hatte genau wie mein Vater bestimmt einen Grund dafür, so lange aufzubleiben.
Nachdem ich noch mein Gesicht gewaschen und abgedrocknet hatte und mich zurück in mein Schlafzimmer begeben wollte, nahm ich mein Handy wieder zur Hand. Zwei neue Nachrichten, aber er war längst nicht mehr online.
Ich laß sie mir während des Gehens leise durch:
Versprich mir eine Sache.
Dass du dich bei mir meldest, wenn du Hilfe brauchst oder reden willst.
Beinahe wäre ich aufgrund der Nachricht gegen den Türrahmen gelaufen, doch im letzten Moment hatte ich von dem Gerät aufgeschaut. Die nächste Minuten, in denen ich mich umzog und meinen Platz im Bett fand, wurde mir einiges klar - einen Freund wie ihn, verdiente ich nicht. Ich wusste nicht, wie ich ihm seine Fürsorge jemals zurückzahlen konnte, auch wenn ich es so gerne wollte. Zum einen, war es nicht möglich, weil er nicht in einer Situation wie der meinen steckte und zum anderen, weil ich zurzeit nicht einmal mit meinen eigenen Problemen zurecht kam.
Er wollte ein Verpsrechen, welches besagte, dass er mir helfen würde, sobald ich Hilfe brauchte. Opferte er so nicht seine Freizeit auf? Durch ein an mich gerichtetes Versprechen? Aber er wollte es und was konnte ich ihm sonst geben, außer meiner Zustimmung?
Meine Finger fuhren über den Bildschirm und nach einem kurzen Zöger, verschickte ich endlich meine Antwort: Okay.
Für einige Sekunden konnte ich nicht anders, als dieses Wort noch einmal zu überdenken, legte mein Handy dann aber schnell beiseite.
Morgen ist Schule, du solltest langsam mal schlafen!, hatte mich meine innere Stimme zurechtgewiesen. Ein langes Gähnen entwich mir, woraufhin ich weiter unter die Decke rutschte. Es war viel zu schön, jetzt seine Augen zu schließen und sich in die Matratze hineinsinken lassen zu können.
Ich war schon fast eingeschlafen, da summte mein Handy plötzlich. Erschrocken zuckte ich zusammen, griff jedoch im nächsten Moment danach. Noch eine Nachricht...
Zuerst dachte ich, dass es Chan war, der vielleicht noch irgendetwas hinzuzufügen hatte, doch es schien nicht wie erwartet. Dieses Mal war es Jisung. Er schrieb: Schläfst du schon?
Ich verzog das Gesicht zu einem traurigen Lächeln und dachte: Nein, das hätte ich aber fast. Antworten tat ich trotz meiner Enttäuschung darüber, geweckt worden zu sein, bevor ich überhaupt eingeschlafen war, mit einem einfachen Was gibt's?.
Keine fünf Sekunden vergingen, da sendete er die nächste Nachricht, für deren Verfassung ich selbst wahrscheinlich drainmal so lange gebraucht hätte.
Changbin, Felix und ich wollten fragen, ob du Lust und Zeit hättest, morgen vielleicht zu unserem Training zu kommen und ein bisschen mitzumachen. Das wäre die letzte Gelegenheit sich vor dem Auftritt in Busan nochmal zu treffen. Am Freitag und Samstag haben wir nämlich auch einen vollen Terminplan.
Ich schmunzelte. Da ich demgegenüber ziemlich müde und nicht mehr wirklich fähig dazu war, eine lange Antwort zuschreiben, kam ich direkt auf den Punkt:
Klar, habe ich Lust. Ich komme nach der Schule zum JYP-Gebäude, aber schickt jemanden nach unten, der mich mit reinnimmt. Ich habe keine Erlaubnis mehr mich dort aufzuhalten, weil meine Zeit als Solotänzerin ja vorbei ist. Ich benachrichtige euch, wenn ich vor der Tür stehe. Gute Nacht!
Mein Handy landete auf dem Nachttisch, wenn auch nicht ganz lautlos. Das war mir allerdings egal. Nun würde ich erst einmal schlafen. Was morgen passierte, würde morgen passieren und hatte also noch zu warten, bis ich meinen Schlaf gefunden hatte. Mit einem Lächeln auf den Lippen rollte ich zur Seite. Mein Atem wurde regelmäßiger und die Glieder schwer.

Mal ein etwas kürzeres Kapitel. Hoffe es hat euch trotzdem gefallen. Wir lesen uns^^!



Hidden Face [Stray Kids FF]Onde histórias criam vida. Descubra agora