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Mir war von Anfang an klar gewesen, dass der Tag, an welchem ich meinem Vater von dem kaputten Handy erzählte, kommen würde. Dass es allerdings nur achtundvierzig Stunden dauern würde, bis ich es ohne das Mobiltelefon nicht mehr aushielt, hatte ich ursprünglich nicht von mir erwartet.
Es war Mittwoch morgens, um genau zu sein der Beginn von Stray Kids Aufenthalt in Japan und obwohl ich weder bei ihnen war, noch zu ihrer Band gehörte, war ich unglaublich aufgeregt. Sie mussten in diesem Moment unfassbar glücklich sein und das war es, worum ich sie beneidete. Die Jungs würden die Stadt erkundigen, tanzen, singen und ihre Fans sehen können und ich hätte alles gegeben, wenn ich ihnen dabei Gesellschaft hätte leisten dürfen. Nicht bloß weil ich die Neun vermisste und am Liebsten ihre strahlenden Gesichter sehen würde, sonder ebenfalls aufgrund der Tatsache, dass ich noch nie das Land verlassen hatte.
Die gesamte Familie, bis auf meine Tante, lebte in Korea und selbst wenn ich gewollt hätte, wäre ein Urlaub oder ein Auslandsaufenthalt im Allgemeinen nie in Frage gekommen. Mit meinem Vater hatte man mich nicht sehen dürfen, die Tante in Amerika war die Schwester meiner Mutter und meine Mutter war schon vor langer Zeit verschwunden. Ehrlich gesagt, wäre ich aber eher ungern zu einem Familienmitglied gereist, welches ich das letzte Mal vor seiner Abreise gesehen hatte, die ganze zehn Jahre zurücklag. Ob ich in Zukunft verreisen würde, konnte ich ebenso nur in Frage stellen, zumal mein Vater immerzu am Arbeiten war und die Schule mir zwar Freizeit bot aber nicht genug Zeit, um das nachzuholen, was ich in meiner Kindheit durch mein Eltern verpasst hatte. Dass ich meine Großeltern besucht hatte, lag auch viel zu weit in der Vergangenheit. Seitdem meine Mutter sich davon gemacht hatte, hatte ich mich kein einziges Mal weiter als eine halbe Stunde Autofahrt von Seoul entfernt und das lediglich ein oder zwei Mal, obwohl ich überaus gerne mal gewusst hätte, wo die Jungs aufgewachsen waren.

Mittlerweile waren zwei Tage vergangen, seit ich mein Handy in der Badewanne versenkt hatte und trotzdem besaß ich bereits ein neues Exemplar. Meinem Vater weiterhin etwas vorzuspielen, von wegen ich hätte mein Handy Zuhause vergessen und so, war mir zu doof geworden und da der Mangel an Kommunikationsfähigkeiten mir zurzeit kein bisschen weiterhalf, hatte ich letztendlich doch den Mund geöffnet.
Weil mein Vater normalerweise Mittwochs am meisten beschäftigt war, hatte ich ihn direkt beim Frühstück darauf angesprochen. Wir er mir mitteilte, würde er mir so bald wie möglich ein anderes Gerät besorgen, bis dahin müsste ich jedoch sein Smartphone verwenden.
Eigentlich hatte ich kein großes Problem damit, sein Handy zu benutzen, zumal er neben seinem privaten Mobiltelefon noch ein Dienstexemplar besaß, doch erneut fühlte es sich so an, als würde ich ihm zu Last fallen...
Mit meiner alten SIM-Karte und einer meiner Handyhüllen, welche glücklicherweise auf das Ersatzgerät passte, kam das Smartphone mir jedenfalls schon vor wie mein Vorheriges. Ohne die Chat-Verläufe von vor ein paar Tagen noch wirkte es ein bisschen so, wie als ich Stray Kids noch nicht gekannt und mich noch niemand aus der Schule nur wegen öder Gerüchte angeschrieben hatte, aber bald waren alle kürzlich eingetroffenen Nachrichten wiederhergestellt und ein unangenehmes aber bekanntes Gefühl kehrte in meine Magengegend zurück.
Die meisten Leute an der High School, auf welche ich ging, die mich vorher aufgrund der Gerüchte um meine Bekanntschaft mit dem CEO angesprochen, blieben jetzt entweder still oder schleimten sich erst recht bei mir ein. Ich demgegenüber blieb meinem Einzelgänger-Image getreu, egal was für eine Arbeit mein Vater mit der Pressversammlung und der damit verbundenen Preisgebung meiner Identität geleistet hatte. Jeder wusste nun, dass ich JYPs Tochter war und deshalb wollten so einige Schüler in meine Nähe gelangen, aber das würde ich wahrscheinlich in zehn Jahren nicht zulassen.
Eine solche Freundschaft würde nämlich erstens nicht auf gegenseitiger Interesse, sonder auf dem Image basieren, welches eine Freundschaft mit mir nun erzeugen würde und zweitens reichte mir der derzeitige Umfang an Aufmerksamkeit vollkommen aus.
Hätte man ihnen doch von meiner Abneigung gegen Aufmerksamkeit und Aufdringlichkeit erzählt! Aber dann hätten sie vermutlich nur noch mehr auf mir herumgehackt.

Hidden Face [Stray Kids FF]Where stories live. Discover now