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Da war es also. Wir hatten Mitte Mai, 12°C und ich stand vor dem Haus meiner Kindheit. Eine keiner Bauernhof mit einem kleinen Haupthaus und zwei größeren Ställen. Alles eingezäunt und große Wiesen die dazu gehörten.
"Wohnt da noch jemand?"_Brian skeptisch.
"Opa Fred. Er war auf Daddy's Beerdigung auch da gewesen"_ ich.
Brian nickte und fuhr unseren VW Bus weiter auf den alten Hof hin. Er kam zum stehen und zögernd stieg ich aus. Die Haustür war offen, also war Opa draußen. Ein Hund bellte laut.
"Opa?"_rief ich über den Hof. Plötzlich wurde ein Tor geöffnet und ein Hund kam auf mich zu gelaufen.
"Nitcha?"_ich ungläubig.
"Fay?"_eine alte bekannte Stimme. Ich sah zu der Pforte die zum Garten führte.
"Opa!"_rief ich glücklich und lief auf ihn zu. Ich schloss ihn in die Arme und er erwiderte die Umarmung. Vor Freude lief beiderseits ein paar Tränen.
"Ich habe nie daran geglaubt dich wieder zu sehen, nachdem ihr gegangen seid"_Opa.
"Ich auch nicht"_ich.
"Und wer ist der junge Mann?"_Opa zu Brian.
"Das ist kompliziert Opa"_ich.
"Erzähl schon Fay"_er lächelnd.
"Brian ist eigentlich mein Stiefbruder, doch momentan ist er mein fester Freund"_ich.
"Was sagt deine Mutter dazu?"_Opa.
"Sie weiß davon noch nichts. Wir sind seit September letzten Jahres auf Reise um den Globus"_ich.
"Wenn sie dagegen ist, sag ihr ich habe es erlaubt. Ihr passt so perfekt zusammen"_er lachend.
Ich umarmte Opa glücklich.
"Du Opa, ist Nitcha die einzige die geblieben ist?"_ich. Er nickte.
"Ja Fay, Nitcha ist die einzige die noch lebt, von dem Schlittengespann vor 12 Jahren."_er.
"Wie alt ist sie?"_ich und streichelte den Husky.
"14 stolze Jahre"_er.
"Was für Tiere hast du noch?"_ich.
"Zwei weitere junge Huskys, einige Gänse, ein paar Schweine und ein Pony"_er.
"Echt? Wieso ein Pony?"_ich.
"Ein Nachbar starb und ich erbte es. Inka heißt es und ist echt ein gutes Zugpferd"_ er.
"Zeigst du es uns?"_ich lachend. Er nickte und ging vor. Ich verschränkte meine Finger mit Brian's Fingern und wir folgten Opa. Nitcha humpelte vor uns her. An dem einen Stall war eine Tür, diese war offen, sodass die Tiere jederzeit rein und raus konnten. Ich betrat den Stall und erblickte eine Haflingerstute. Ich schätze sie auf junge 12 Jahre.
"Die ist noch sehr jung und sieht echt gesund aus"_ich beeindruckt.
"Ein wunderbares Tier"_Opa. Die Stute hörte Opa und ging auf ihn zu. Sie begrüßte ihn freudig und er streichelte über ihre Schulter.
"Ganz du einmal vor gehen nach draußen, vielleicht folgt sie dir ja"_ich.
"Ja klar"_Opa und ging aus der Tür auf die Wiese. Die Stute folgte vorsichtig. Als Opa draußen war und sie wieder streichelte, begann sie an dem Gras zu schnuppern und zu fressen. Ich sah mir die Augen der Stute an.
"Opa? Hattest du nicht damals noch das junge Pferd Tito?"_ich.
"Ja, der im gleichen Jahr wie du geboren ist?"_er.
"Ja genau"_ich.
"Siehst du da hinten den Stall mit dem kleinem Paddock?"_Opa.
"Ja"_ich und sah an das Ende der riesigen Wiese.
"Da steht er. Er ist unerträglich geworden. Einmal die Woche bringe ich ihm Futter. Seitdem deine Mutter ihre Stute damals verkaufte"_er.
"Opa? Es gibt hier ein kleines Problem"_ich.
"Und das ist?"_er und streichelte Nitcha.
"Inka ist blind. Sie hat bei deinem Nachbar scheinbar nur im Stall gelebt und kaum Tageslicht gehabt. Da erblinden Pferde von selbst und Tito ist also seit 12 Jahren unerträglich, nur weil er alleine ist. Vielleicht können wir die beiden zusammen führen und Tito ist glücklich und Inka kann sich an Tito orientieren"_ich.
"Ich fasse Tito in diesem Zustand nicht an"_Opa.
"Du bist früher Turniere mit ihm geritten"_ich empört.
"Aber ich weder dieses Tief anfassen, noch werde ich mich raufsetzen in diesem Zustand wie es ist."_Opa.
"Dann werde ich es halt tun"_ich.
"Was?!"_Opa überrascht.
"Glauben Sie mir, Fay weiß was sie tut. Sie ist in einer Fabrikhalle im zweiten Stock mit einem Pferd geritten"_Brian amüsiert zu Opa. Ich musste bei dem Gedanken lachen.
"Na gut"_Opa nachgebend. Ich lächelte ihn glücklich an und machte mich auf den Weg zu Tito. Brian sollte bei meinem Opa bleiben, damit ich in Ruhe mir den Wallach angucken konnte.

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Vorsichtig sah ich über den Zaun des Paddocks. Kein Pferd zu sehen.
"Tito?"_ich. Ein Pferd kam aus dem Stall und sah mich an. Der Fuchs hatte verklebtes Fell und sah schrecklich aus. Traurig, niedergeschlagen, Lebenslust nicht vorhanden. Ich ging in den Paddock und komischer Weise duldete mich das Pferd. Es war keines Wegs aggressiv oder abwendend. Es genoss meine Anwesenheit. Ich konnte es ohne Probleme striegeln und Satteln. Was meinte Opa mit diesem schrecklichen Zustand? Tito war einfach nur ein älteres ruhiges Pferd. Ich konnte alles mit ihm machen. Wahrscheinlich war er bis vor kurzem wild, in der Hoffnung gehört zu werden, doch hatte jetzt aufgegeben. Das Sattelzeug von ihm war verstaubt. Als ich die Trense anlegte war da ein kleines Blitzen in seinen Augen. Bitte lass es Lebensfreude sein. Da er jetzt nervöser wurde redete ich ruhig auf ihn ein.
"Tito gleich bekommst du eine Freundin"_ich. Trotzdem der Wallach nervös war, stieg ich auf ihn und er wollte los rennen. Ich merkte das er keinen schlimmen Hintergedanken hatte und ließ ihn laufen. Geschickt lenkte ich ihn, sodass er große Kreise auf der Wiese lief. Als ich spürte das er seine aufgestaute Energie rausgelassen hatte, parierte ich ihn durch. Ich klopfte den verschwitzen Hals und ritt im Schritt mit ihm in Richtung Opa und Brian. Als ich auf Tito ankam, sah mich Opa mit großen Augen an.
"Wie hast du das geschafft?"_er erstaunt.
"Ach Opi, nachdem ich von hier weggegangen bin, hatte ich mit so einigen Problempferden zu kämpfen, zuletzt mit meinem jetzigen Pferd Bacardi. Aber Tito hat sich überhaupt nicht gewehrt."_ich.
"Echt?"_Opa skeptisch. Ich stieg von Tito, nahm seine Zügel in die linke Hand und winkte mit der rechten Opa zu mir.
"Komm her"_ich.
Er stellte sich neben mich und ich nahm seine Hand. Vorsichtig strich ich mit seiner über Tito's Hals.
"Siehst du, er bringt dich nicht um"_ich. Er nickte zögernd. Als nächstes musste ich Tito und Inka zusammen führen. Das erwies sich als äußert einfach. Inka war blind und konnte ihren gegenüber nur riechen. Tito war lange Zeit alleine und war froh einen Artgenossen bei sich zu haben. Schon nach kurzer Zeit konnte ich Tito umher führen und Inka folgte ihm.
"Rauf mit dir"_ich zu Opa.
"Ach Kindchen. Du bringst mich noch zum Springen"_er lachend und stellte einen Fuß in den Steigbügel. Um ehrlich zu sein, hatte er erkannt, worauf ich hinaus wollte. Mein Ziel war es, Opa nach seinem Unfall zu zeigen, das ein Pferd einem alles brechen kann, außer das Herz. Opa ritt im Schritt umher und Inka folgte Tito nah an seiner Flanke.
"Opa versuch mal zu Traben"_rief ich ihm zu. Tatsächlich gehorchte er und trabte mit seinem Pferd an. Doch das beste war, Inka trabte mit. Sie konnte dank Tito traben und sich frei bewegen. Das schenkte ihr ein großes Stück Lebensqualität. Nach einer knappen Stunde stieg Opa glücklich ab.
"Dein Opa hat es echt drauf"_Brian zu mir. Ich lehnte mich gegen ihn und nickte stolz. Wir sahen zu wie er beide Pferde versorgte. In ihm war die Liebe zu Tito nicht gestorben und andersrum auch nicht.

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Am Abend saßen wir zusammen draußen auf der Veranda, eingekuschelt in dicke Wolldecken und sahen stumm auf die Wiesen.
"Hier hast du also sechs Jahre gewohnt?"_Brian.
"Ja, und es hat sich in der ganzen Zeit nichts geändert, außer halt, dass das große Hundegespann nicht mehr ist"_ich. Brian legte einen Arm um mich und zog mich zu sich ran. Auf der Weide standen Tito und Inka dicht beieinander. Tito galoppierte plötzlich an und Inka lief mit. Sie hielt das Tempo mit. Obwohl sie blind war. Sie vertraute Tito.
"Ein echtes Traumpaar"_Brian.
"Das süßeste was ich ja gesehen hab"_ ich und sah zu den Pferden.
"Also ich finde euch süßer, mit eurer verbotenen Liebe"_Opa plötzlich hinter uns. Wir drehten uns zu ihm um. Er lächelte uns müde an.
"Ich geh schlafen"_er.
"Gute Nacht Opi"_ich und lächelte. Er ging wieder ins Haus und schloss die Tür. Brian drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn und ich lächelte in mich hinein. Gab es etwas schöneres als mit deiner Zukunft, bei deiner Vergangenheit zu sitzen und glücklich zu sein?

my new brotherWhere stories live. Discover now