Kapitel 42

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Kälte.

Das war alles, was ich neben dem Schmerz noch spürte.

Ich fuhr sofort ins Krankenhaus. Vielleicht war alles nur ein Missverständnis? Vielleicht hatte sie übertrieben? Vielleicht lag er im Koma?
Meine Hoffnung war vergeblich.
Geschockt starrte ich in die kalten Augen meines Bruders. Er war tot. Seine Haut war weiß, seine Augen blickten ins Leere und sein Puls war schon längst nicht mehr da. Todesursache war die grässliche Wunde, die an seinem Kopf prankte. Doch die Schuld trug ich. Hätte er mich nicht zur Schule gefahren, wäre das nie passierte. Er wäre nicht tot. TOT. Wie konnte ein kleines Wort so viel beinhalten.

Der Wind, der an meinen Klamotten zerrte und durch meine Haare fuhr. Kalt.

Seine Haut war kalt.

Die Winterluft. So kalt.

"HYUNG! HYUNG!" Sie nahmen ihn mir weg! Noch nicht! Es war so wenig Zeit. Ich brauchte ihn! Ich musste mich verabschieden! Ich wollte bei ihm bleiben! Doch ich wurde festgehalten. Und mein Hyung wurde abtransportiert. Er war für immer fort. Er war tot. Dabei war er mein Sonnenstrahl am Horizont gewesen. Er wollte für immer bei mir bleiben. Nun war da nur noch finstere Schwärze. Ewige Nacht ohne Sterne. Er war der einzige, der mir noch Hoffnung geschenkt hatte. Der einzige. Nach Hoseok. Doch der hasste mich. Hoseok... Mein Herz. Früher hast du es schneller schlagen lassen. Hast mich lächeln lassen. Die wohlige Wärme in mir, als du mich noch liebtest.

Mein Herz. Nun Schmerzend. Kalt.

Wie seines.

So wie es auch bald mein Körper sein wird. Kalt.

Wie seiner.

Ausdruckslos ließ ich meinen Blick über die leuchtende Stadt vor mir wandern. So kalt.

Ich hatte genug gewartet. Genug getrauert. Genug gelitten. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Wie konnte ich jetzt noch... Ein Leben ohne Hyung. Nein. Ich konnte nicht mehr. Ich konnte wirklich nicht mehr. Allein die Vorstellung...
Es war schon Abend. Wie automatisch führten meine Schritte mich durch die Stadt. Ich zitterte. Immer wieder wählte ich die Nummer der einzigen Person, die es beenden konnte. Die mich in den Arm nehmen konnte und alles wieder gut werden lassen konnte. Doch er nahm nicht ab. Nach dem zwölften Mal stoppte ich. Ich hatte mein Ziel erreicht. Die Brücke über dem Fluss. Und so kletterte ich über die Brüstung.

Langsam wandte ich meinen Blick nach unten. In den tiefen Abgrund, der sich vor mir auftat. Es war hoch. So hoch. Alles sah so klein aus von hier oben aus.

Das dunkle Wasser unter mir hätte angsteinflößend wirken sollen, doch nun sah es so einladend aus. Wie eine dunkle, samtige Decke, die alles beenden sollte.

Die Straße hinter mir war fast leer. Ungewöhnlich.

Aber gut für das, was ich vorhatte.

Mit zitternden Fingern holte ich mein Handy raus und tippte die letzten Worte ein an die Person, die mich noch hier gehalten hatte.

Jimin:
Ich würde dich jetzt liebend gerne anrufen. Du bist der einzige, der mich noch aufhalten könnte.

Aber du würdest wieder nicht abnehmen.

Jimin:
Aber du musst dir keine Sorgen machen... Ich lass dich jetzt in Ruhe.

Für immer.

Jimin:
Lebe wohl.

Ich sah in den Abgrund.

Trat einen Schritt vor.

Und fiel.

Ein letzter Atemzug.

Dann schlug ich auf der Wasseroberfläche auf.

LAST | JihopeOnde histórias criam vida. Descubra agora