Kapitel 16: Der Brief

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Dima war gestern noch eine lange Zeit bei mir. Wir haben uns eine Weile lang unterhalten. Es tat gut mit ihm zu reden. So muss es sich damals als Kind auch angefühlt haben, nur dass wir wahrscheinlich nicht so tiefgründige Gespräche gehabt haben werden. Nach einer Zeit ist er dann wieder gegangen, aber erst nachdem ich eingeschlafen war.
Den Brief meiner Mutter hab ich hingegen nicht einmal angerührt. Mir liegt das Ereignis und besonders der Traum einfach zu schwer im Margen. Dieser Briefumschlag wirkt einfach wie eine riesen Bedrohung auf mich. Ich verstreube so eine Angst davor ihn zu öffnen. Ich hab sogar kurz mit dem Gedanken gespielt ihn einfach wegzuschmeißen und so zutun, als wenn ich ihn nie bekommen hätte.
Dennoch könnte sie in Schwierigkeiten sein und meine Hilfe benötigen. Oder sie will sich wirklich einfach nur entschuldigen. Es wäre alles so einfach wenn ich nur wüsste was in diesem Brief stehen würde. Das ist doch zum verzweifeln. Ich stöhne leicht auf und der ganze Hörsaal schaut mich an. "Zoe wenn ihnen die Vorlesung zu langweilig ist können sie auch gehen." Spricht mich der Professor an. „Ehm nein Herr Professor. Ich meine, ehm Entschuldigung." Stotter ich. Er nimmt es nickend hin und fährt fort. Super. Noch peinlicher ging es dann auch wieder nicht. Dieser Brief macht echt alles schlimmer. Das hat doch alles keinen Sinn.
Ich rappel mich auf und krame leise in meiner Tasche rum. Nachdem ich das Gesuchte gefunden habe, lege ich ihn auf den Tisch. So du kleines fieses Ding. Ich werde mir jetzt eine Scheibe von Dima abschneiden und Stärke zeigen. Ich werde dich lesen und dann hoffentlich erleichtert sein.
Eine Weile schaute ich auf den Brief. Jedoch passierte nichts. Meine Hände bewegten sich einfach nicht.
Zoe. Es ist nur ein Brief. Wie schlimm kann es schon werden? Es ist nur ein Brief. Nur ein Brief. Ein Brief der alles ändern könnte.
Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Schweren Herzens öffne ich ihn langsam. Ich ziehe das Blattpapier aus ihm heraus und öffne vorsichtig meine Augen. Im Sekundentakt falte ich ihn auseinander. Du schaffst das.
Ich atme nocheinmal durch und beginne dann zu lesen.
Liebe Zoe,
Seitdem du und Liam gegangen seid ist gefühlt eine Ewigkeit vergangen. Ich wusste das es irgendwann passieren wird, jedoch nicht das es so geschieht. Ich vermisse euch beide. Mein Tag ist einfach nicht mehr selbe ohne euch. Ich weiß auch das ich euch die Sache mit Dima hätte früher sagen sollen. Doch ich konnte es nicht. Es hat mich alles aufeinmal eingeholt. Es war ein dunkles Kapitel in meinem Leben, bei dem ich einfach noch nicht bereit war drüber zu sprechen.
Ich hoffe du kannst das verstehen.
Ich würde mich freuen wenn wir einfach mal reden könnten. Nur wir zwei. Ich werde Freitag um 16 Uhr an unserem Stammcafe warten.
Deine Mutter."
Eine kleine Erleichterung weicht von meinem Herzen. Sie will sich versöhnen. Doch warum will sie das mit mir allein? Kann ich überhaupt zudem Gespräch gehen? Bis dorthin sind noch zwei Tage Zeit und Julien hat mich durchgehend im Blick. Mit mir hingehen wird er auch nicht. Es wäre für uns alle zu gefährlich. Jemand könnte uns sehen. Dennoch hab ich einfach das Gefühl sie sehen zu müssen. Ich muss wissen wie es ihr wirklich geht. Wie sie klar kommt. Vielleicht erzählt sie sogar etwas von Karl und seiner Arbeit. Wir haben keine Ahnung was die Polizei weiß. Wie nah sie an unserer Spur ist und ob sie überhaupt weiß, dass Liam und ich geheime Akten von ihnen haben. Schließlich hatten wir nie Zeit dazu den Schlüssel wieder an seinen rechtmäßigen Platz zu bringen. Ihn zu bekommen war schon schwer genug.
Dieses Gespräch könnte sovieles klären. Vielleicht würde meine Mutter uns sogar helfen. Schließlich ist Dima auch ihr Sohn. Obwohl sie etwas gegen die gesammte Drogenszene hat, kann sie doch nicht gegen ihren eigenen Sohn sein. Sie könnte versuchen die vergangene Zeit wieder gut zumachen und somit vertrauen zu ihm aufbauen. Wenn sie uns hilft, wäre das ein großer Vertrauensbeweis. Es könnte wenn alles durch ist, wieder so werden wie damals. Als wir noch eine Familie waren und zusammen glücklich waren. Als wir zusammen gewohnt hatten. Ich könnte das haben wonach ich mich immer gesehnt habe.
Jedoch kann das alles auch einfach nur ein Wunschdenken von mir sein. Vielleicht steht sie auch nicht hinter uns uns hetzt uns Karl auf. Vielleicht hat sie sich das alles auch nur ausgedacht. Vielleicht ist ihr die Bindung zu Dima egal, doch warum sollte es? Er ist ihr Sohn. Tun Eltern nicht bekanntlich alles für ihre Kinder? Zudem ist sie meine Mutter. Sie würde mir niemals in den Rücken fallen. Wenn man eine Person vertrauen kann, dann ist es seiner eigene Mutter.

Die Lesung ist vorbei und ich schleife mich mit meinem Büchern aus dem Saal. Draußen werde ich von dem Professor aufgehalten. „Zoe ist alles in Ordnung mit ihnen? In letzter Zeit wirken sie so abwesend. Und blass sind sie geworden." Ich nicke leicht. „Alles in Ordung." Er schaut mich fragend an. „Wenn sie irgendwelche Probleme haben, sollten sie diese schleunigst klären. Sie werden ihnen im Studium nicht von nützen sein." Sagt er. Wieder nicke ich. Danke für den Tipp. Da wäre ich ja nie drauf gekommen.
Ich trotte weiter den Gang entlang und verschwinde schlussendlich wie immer bei Julien im Auto. Warum kann das Leben denn nicht einmal einfach sein? Es würde so einiges erleichtern, wenn ich nur wüsste was ich tun sollte. Zu dem Treffen gehen oder nicht? Julien informieren oder nicht?

Was meint ihr, soll sie zu dem Treffen gehen oder nicht?

Märchen existieren nicht | Johnny Diggson FFWhere stories live. Discover now