Kapitel 22: Panikattacke

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Ich sitze auf einem Stuhl in dem leicht beleuchteten Zimmer. „Wie gehts dir?" kommt es besorgt von Johnny. Ich antworte nicht. Mein Blick ist zu Boden gerichtet. „Deine Knie. Tut es weh?" kommt es von Deamon. Ich blicke leicht auf sie. Sie sind aufgeschürft und bluten. Jedoch spüre ich keinen Schmerz. Ich habe das Gefühl gar nichts mehr zu fühlen. „Wir müssen das behandeln. Komm zieh mal vorsichtig deine Hose aus." sagt er. Ich reagiere aber nicht. Ich hab keine Kraft dafür. „Dann machen wir das halt. Johnny hilfst du mir mal?" Er nickt und hebt mich leicht hoch. Er öffnet meinen Hosenbund und vorsichtig ziehen sie mir langsam die Hose runter. Er lässt mich sanft zurück auf den Stuhl gleiten. „Wo liegt denn das Verbandszeug?" fragt Deamon. „Ich weiß nicht." kommt es von Johnny. „Ich schau mal. Dann seh ich auch gleich nach den anderen." antwortet er. Er steht auf und verlässt den Raum. Johnny kommt zu mir und kniet sich hin. „Wie gehts dir? Du hast die ganze Fahrt über nichts gesagt." sagt er einfühlsam und streichelt über meinen Oberschenkel. Wie soll es mir schon gehen? Ich habe gerade meinen Bruder sterben sehen. Mir scheint als wenn alles andere gerade gleichgültig wäre. „Schatz ich weiß das dass hart ist. Ich, also wir wollten nicht das sowas passiert. Wer konnte schon damit rechnen das die Polizei aufkreuzt. Vorallem das dann Karl schießt." Den Rest von dem was er sagt bekomme ich nicht mehr mit. Es war also wirklich Karl. Er hat auf meinen Bruder geschossen. Auf den Jungen den er mit groß gezogen hat. Was er wohl meiner Mutter dazu gesagt hat? Wie konnte er nur sowas tun.
„Hei ich hab's gefunden. Das könnte jetzt etwas brennen." sagt Deamon und setzt sich vor mich. Er holt ein Desinfektionsmittel heraus und sprüht es auf meine Knie. Ein leichter Schmerz zieht durch die Wunde. Er zeigt mir das ich noch am Leben bin. Vorsichtig tupft er und Johnny mit einem Tuch über die Wunden. „Du solltest gleich mal duschen. Du bist noch voller Blut." sagt Johnny. Ja es stimmt. Dennoch weiß ich nicht ob ich das kann. Mein ganzer Körper ist so schwer. Außerdem ist das Blut ein Teil von ihm. Es ist das einzige das ich noch habe. „So wir machen dir die Verbände rum wenn du aus der Dusche kommst." sagt Deamon. Wieder reagiere ich nicht. „Wie geht es ihr?" höre ich Dimas Stimme. Er kommt in den Raum gestürmt. Seine Augen sind rot und seine Haare zerzaust. Langsam kommt er auf mich zu. „Sie redet nicht." kommt es von Johnny auf den Boden blickend. „Den Umständen entsprechend würde ich sagen." fügt Deamon hinzu. „Zozo es tut mir so leid." Er kommt zu mir und will mich umarmen, doch ich weise ihn ab. Ich will keine Umarmungen. Ich will nicht von ihm berührt werden. Von niemanden. Mein Körper streikt dagegen. Es fühlt sich falsch an. Er schaut mich leicht schockiert an, was sich aber schnell in Trauer ändert. „Zoe ich brauch dich." kommt es von ihm. Mein Blick ist starr zu Boden gerichtet. „Dima lass es. Sie brauch Ruhe und eine Dusche." spricht Deamon beruhigend auf ihn ein. „Was für Ruhe! Unser Bruder ist gerade gestorben!" schreit er. „Ich weiß, aber so hilfst du ihr nicht." antwortet er. „Ich brauch auch Hilfe. Wie soll ich damit umgehen. Meine Schwester ist wie weggetreten. Verstehst du nicht? Ich hab niemanden mehr!" schreit er unter Tränen. „Niemanden." bringt er wieder heraus. Ich balle meine Faust zusammen. Ich will hier raus. Die Luft scheint immer weniger zu werden. Es ist so verdammt stickig hier drin. Ich beginne schneller zu atmen und halte meine Hand an meinen Hals. Panik steigt in mir auf. Was passiert hier? Ich brauche Luft. Ich atme immer schneller, trotzten scheint immer weniger Luft meine Lungenflügel zu erreichen. „Scheiße Zoe. Was ist los?" kommt es aufgebracht von Johnny. „Bartek was sollen wir machen!" schreit er überfordert. „Scheiße man jetzt bewahrt doch mal alle die Ruhe!" brüllt dieser. „Johnny du beruhigst Dima und ich kümmere mich um Zoe." fügt er hinzu. „Aber-" Johnny will ihm gerade widersprechen, als er einen bösen Blick erntet. „Okay." stimmt er dann doch zu. Deamon kommt auf mich zu und trägt mich aus dem Raum. Draußen im dunklen Flur angekommen, lässt er mich vorsichtig auf den Boden sinken. „So und du hörst jetzt auf mich Okey?" sagt er beruhigend. Ich nicke und ringe immer noch um Atem. „Langsam ein und ausatmen. Alles ist gut. Ein und ausatmen." redet er auf mich ein. Ich versuche auf ihn zu hören und tue das was er sagt. Er greift nach meiner Hand und schaut mich innig an. „Gut so. Schön weiter machen. Am besten zählen wir deine Atemzüge. Eins, zwei, drei, vier." beginnt er langsam zu zählen. Es hilft mir. Nach einer Weile hat mein Körper sich tatsächlich wieder gefangen und mein Atem scheint seinen normalen Takt gefunden zu haben. Deamon atmet erleichtert auf. „Gut. Versuch schön ruhig zu bleiben. Ich bring dich jetzt ins Bad. Da gehst du dann duschen. Falls irgendwas ist schrei oder so. Ich bin direkt da." versichert er mir. Ich nicke leicht. Er reicht mir seine Hand um mir aufzuhelfen. Ich zögere kurz, ergreife sie dann aber. Er zieht mich sanft hinauf. Ich bin ihm gerade unfassbar dankbar dafür. Gemeinsam gehen wir zum Badezimmer, indem er mich dann alleine lässt. Es ist relativ simpel gehalten. Die einzige Lichtquelle ist eine kleine Lampe, die am Spiegel befestigt ist. Ich schreite langsam zu ihm. Meine blasse Haut ist befleckt mit Blut. Meine roten Augen geben einen guten Kontrast dazu ab. Meine Haare liegen Kreuz und Quer auf meinem Kopf. Ein Vogelnest wäre noch eine nette Beschreibung dafür. Ich seh schlimm aus. Das weiß ich. Ich atme tief durch und entledige mich dann langsam meiner Kleider. Ich schalte den Hahn an und sehe das Wasser aus der Duschlampe rieseln. Ich steige unter es und spüre es auf meiner Haut. Meine Knie brennen leicht. Meine Welt fällt auseinander. Ich fühle mich so alleine. Der Mensch dem ich am meisten vertraut habe ist weg. Er ist einfach weg und wird nie wieder kommen. Man hat ihn mir genommen, wie einem kleinen Kind sein geliebtes Kuscheltier, sobald es zu alt wird. Man wird es nie wieder sehen. Und nichts wird kommen um diese Lücke zu füllen. Nichts kann diese Lücke jemals füllen.

Märchen existieren nicht | Johnny Diggson FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt