Kapitel 10: Vergeben und Vergessen

999 86 6
                                    


"Hey." Michael hatte die Tür geöffnet und schaute lächelnd in die Richtung des Besuchs. Maurice stand hinter ihm.

"Hi." Gab Manu ebenfalls von sich. Er zog sich die Schuhe aus und trat in die Wohnung ein. Sie gingen in das Zimmer des Blondschopfes und ließen sich, wie immer eigentlich, auf sein Bett fallen. Eine Zeitlang sagte niemand etwas. Die Stille erfüllte den Raum, es war beinahe unangenehm.

"Sorry das ich euch heute früh so angefahren hab." Seufzte Manu dann doch irgendwann und drehte seinen Kopf so das er seine beiden Freunde sehen konnte.

"Uns auch. Wir haben uns auch blöd verhalten." Alle drei lächelten und nahmen sich dann noch in den Arm.

"Ich werde mich von Patrick fernhalten..... Okay?" Dem Brünetten viel es sichtlich schwer das auszusprechen und er fühlte sich bei den Worten unwohl. Da war so ein komisches Gefühl im Bauch. Er versuchte es erstmal zu ignorieren. Seine Kumpels grinsten fröhlich. Sie schienen nicht zu bemerken das die Sache ihrem Freund scheinbar näher ging als erwartet. Denn er fühlte sich gar nicht wohl, sich selbst zu sagen das er dem Älteren aus dem Weg gehen würde. Irgendwie, er wusste es nicht. Aber da schien ihn noch was zu bedrücken. Er wollte ihn doch gar nicht meiden, vielmehr wollte er ihn besser kennenlernen. Aber er hatte es Maurice und Michael ja so gesehen versprochen. Er müsse wohl versuchen sich daran zu halten. Auch wenn's schwer viel.

"Dann lasst uns endlich etwas machen!" Freudenstrahlend war der Blondschopf aufgesprungen und holte aus einer Kiste schon die drei Controller. Manu lächelte gezwungen und nahm ihn an. Auch Micha griff sich den einen sofort und startete schon eins der vielen spiele.

...

Gestern war er ja halbwegs um die Schule rumgekommen, heute würde das ganze nicht nochmal klappen. Er würde den Tag wohl oder übel durchstehen müssen. Das wurde schon. Müde schlug er die Bettdecke beiseite und trottete Richtung Badezimmer. Ohne weiter zu fackeln, stellte er sich unter die Dusche und ließ das Wasser laufen.

Durch das anfangs Kalte nass erschauderte er und eine Leichte Gänsehaut zierte seinen Körper. Seine Haare hingen ihm nass ins Gesicht. Das kühle Wasser was nach und nach wärmer wurde lief in strömen seinen Körper entlang nach unten und tropfte von seinen Harren einzeln nach unten. Er stand einfach da, den Kopf nach unten hängend und das Wasser genießend. Für unbestimmte Zeit verweilte er so, bevor er auf den Hahn schlug sodass das Wasser wieder stoppte.

"Was soll das alles nur?" Mit der Hand fuhr er sich so durch die Haare das sie ihm nicht mehr ihm Sichtfeld lagen. Er wusste nicht wohin mit seinen Gedanken. Es war verhext. Sonst hatte er doch auch so ein ruhiges, und nahezu uninteressantes Leben. Was also hat sich verändert, das er keine Ruhe mehr fand? Er hatte sich bis vor ein paar Tagen noch nie, wirklich noch nie, mit seinen Freunden gestritten. Er hatte davor nie mit "Fremden" sprich Patrick geredet. Was war das alles nur? Sein ganzen Leben da schien sich plötzlich irgendwas verändert zu haben. Nicht offensichtlich, von außen war vielleicht alles normal. Aber, aber von innen, er, seine Gefühle und Gedanken, da schien sich was zu wandeln. Er wollte doch nur das alles wieder normal wurde.

"Manu beeil dich mal! Ich muss auch noch in Bad!" Sebastian hämmerte ungeduldig an die Tür. Schnell zog der Junge sich die Klamotten welche er sich mitgenommen hatte über, putze seine Zähne und verließ mit einem Handtuch in der Hand das Badezimmer. Seine Haare waren immernoch leicht nass, bevor er los ging, da müsse er diese schon noch trocken bekommen.

"Bis Nachmittag." Er schlug die Tür hinter sich zu. Seine Haare hatte er letzten Endes zu einem Zopf zusammen gebunden. Er hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt und drückte diese näher an seinen Körper. Es war ziemlich kalt, und die nächsten Tage würde das nicht besser werden. Es ging immerhin auf Mitte Oktober zu. Da war es schon nicht mehr ganz so angenehm. Die Blätter wehten von den Bäumen im Wind herum und bildeten kleine Laubhaufen auf den Gehwegen und Straßen. Im ganzen sah es ja schon schön aus, wie die ganzen Bunten Ahorn Blätter durch die Gegend flogen und wie sich die Bäume leicht im Wind neigten.

"Soll ich dich wieder mitnehmen?" Er war schon ein paar Schritte gegangen, da bemerkte er Patrick welcher vor seinem Haus lungerte. Manu drehte seinen Kopf und starrte den großen nur ungläubig an.

"Tut mir leid.... Ich kann nicht." Murmelte er. Er ließ seinen Kopf sinken und ging so schnell wie es ihm möglich war weiter.

"Hey Patrick!" Er hörte noch wie sein Bruder aus der Tür trat und den verdutzten Patrick begrüßte. Dann waren die Motorgeräusche zu hören und zwei Motorräder sausten an Manu vorbei. Patrick hatte irgendwie verletzt gewirkt als Manu ihn abwies. Dieser Blick, als hätte er das nicht erwartet. Aber auch Manu fühlte plötzlich so eine Art Trauer oder Leere. Er wäre so gerne bei dem Älteren mitgefahren. Hätte wieder so dicht bei ihm gesessen und hätte wieder die Wärme des Braunäugigen spüren können. Wieder diese Glücksgefühle spüren können. Verdammt was war das nur? Er wollte nichts lieber als weinen. Irgendwie einfach diese Gefühle die er alle nicht verstand raus lassen. Wieder normal werden. Das alles einfach vergessen. Er wollte nicht mehr so niedergeschlagen sein und ständig über alles nachdenken.

Warum konnten seine Freunde nicht einfach sehen das es ihm nicht wirklich gut ging. Sie hatten gestern schon nicht bemerkt das ihn etwas bedrückte. Zwar könnte er einfach mit den beiden reden, aber er war nicht so ein Mensch. Er konnte nicht einfach über seine Gefühle und Gedanken sprechen als wären es nur geschriebene Worte in einem Buch. Und seine Freunde trugen doch irgendwo auch die Schuld an seinem Zustand. Sie wollten auf keinen Fall das Manu Kontakt zu Patrick hegte. Es war als müsse er sich entscheiden. Die beiden oder er. Es lag auf der Hand das er seine beiden langjährigen Freunde wählt. Sie standen ihm immer zur Seite. Die kann er doch nicht so leicht gehen lassen. Aber an der Neuen Bekanntschaft war auch was dran. Er mochte den älteren irgendwie. Er wollte nicht das es zu Ende war bevor es überhaupt angefangen hat. Er kannte ihn doch nicht einmal, und trotzdem hatte er so eine Art Sehnsucht.

"Warum?" Inzwischen bei der Schule angekommen ließ er sich drinnen gegen eine der Wände fallen und schloss kurz die Augen während sein Kopf gegen die Wand gelehnt war. Einige Schüler liefen an ihm vorbei. Einige schaute komisch, andere beachteten den Jungen nicht. Warum setzte ihm diese Situation nur so zu? Das ist doch nicht mehr normal.

"Hey Manu! Manu....?" Claus, sein Banknachbar, machte neben ihm halt. Erschrocken schreckte Manus Kopf nach oben und blickte in die besorgten Augen des Jungen ihm Gegenüber.

"Hey was ist?" Claus hatte eine Hand auf Manus Schulter gelegt und schaute ihn eindringlich und auffordernd in die Augen. Manu wich dem Blick aus und riss sich aus dem Griff. Er eilte zu seinem Klassenraum und ließ sich auf seinen Stuhl fallen.

Soeben hatte er beschlossen, das er das alles vergessen musste. Keiner sollte was von seinen Problemen mitbekommen. Er wollte das einfach alles aus seinem Kopf bekommen. Er sollte einfach versuchen zu sein wie immer. So tun als wäre nichts passiert. Die Gedanken und Gefühle einfach ganz weit in eine Schublade stopfen und sie gut verschließen. Es ginge niemanden etwas an was in ihm vorging. Nicht Maurice, nicht Michael, nicht seine Brüder und Claus schon gar nicht. Es war seine Sache. Er würde einfach so weitermachen wie immer.

Dann würde es schon keine Probleme geben. Dachte er zumindest. Oder besser gesagt, er versuchte es zu glauben. Doch er wusste nur zu gut wie das enden würde.

Zufallsglück // KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt