Achselschnüffler

92 10 6
                                    

Ich musste wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein, denn als ich meine Augen das nächste Mal öffnete, kündigte die anbrechende Nacht sich schon durch einen dunkelorange gefärbten Himmel an. Auch die Grillen zirpten eifrig, eines meiner Lieblingsgeräusche vom Sommer. 

"Taehyungie?", flüsterte Jeonggukie neben mir. 

Er lag auf dem Bauch und hatte sich auf den Ellbogen abgestützt. Grashalme und ein paar zerrupfte Blümchen hatten sich in seinen Haaren verfangen. Ein zartes Gänseblümchen hatte er sich hinters Ohr gesteckt. 

"Ups, ich glaub, ich bin eingeschlafen"

"Haha ja", kicherte er. Das rötliche Licht der untergehenden Sonne wurde von seinen dichten Haaren reflektiert. Ließ ihn irgendwie wie einen Anime Boy aussehen. 

"Hättest mich ruhig aufwecken können. Du hast dich sicher gelangweilt derweil"

"Nein, nein, ich hab noch Musik gehört und so einen Kranz gemacht, schau"

Erst jetzt bemerkte ich den Blumenkranz auf meinem Kopf und nahm ihn vorsichtig in die Hände. Margeriten, Löwenzahn und Gänseblümchen hatte er zusammen geflochten, teilweise auch ein bisschen Gras. Ich musste aufpassen, dass sein Werk in meinen Händen nicht auseinander fiel. 

"Ur süß. Darf ich den behalten?", fragte ich froh und setzte mir den Kranz wieder auf. 

"Sicher! Freut mich, dass er dir gefällt", flötete er lächelnd mit seiner Simsstimme und schaute mich an, "Passt dir echt gut"

"Danke. Würde man gar nicht erwarten von einem Wiener, dass er so gut Kränze flechten kann", neckte ich ihn und verschränkte die Arme hinter meinem Kopf.

"Hab eben eine qualitativ hochwertige Mutter", begründete er schmunzeln. 

Ich stellte mir vor, wie Jeongguks Mutter ihm als kleiner Junge beigebracht hatte, wie man aus den kleinen Blümchen Kränze flocht. Er mit seinen unbeholfenen winzigen Kinderhänden und riesigen Babyaugen. Ein bisschen frustriert, weil er es nicht gleich hinbekommen hatte, aber dafür nachher umso stolzer. Cute. 

"Hattet ihr in Wien einen Garten?", fragte ich, während ich ein bisschen Gras ausriss als Beschäftigung.

"Nein, die Wohnung hatte nur einen kleinen Balkon, aber dadrauf hatten wir so viele Pflanzen, dass es fast schon als Dschungel hätte durchgehen können. Wie dein Zimmer haha"

"Ich hab genau 19 Pflanzen, das ist nicht so viel", verteidigte ich kichernd meine Lieblinge.

"Für ein neun Quadratmeter großes Zimmer könnte man es durchaus Überbevölkerung nennen"

"Haha, aber wir kommen gut miteinander aus, also passt das schon", lachte ich. 

"Du bist ja Bauer, ge?"

"Jep. Morgen geht's eh wieder aufs Feld"

"Ja? Was macht ihr da?", wollte er wissen und musterte mich mit neugierigen Augen. Ich wich dem Blick aus. 

"Kukuruz entfahnen", antwortete ich knapp.

"???"

Fragt mich nicht, wie er das aussprach.

"Ich erklär's dir, wenn wir nachher bei einem Kukuruzfeld vorbeikommen. Ist leichter"

"Okay. Wir könnten uns eh mal auf den Weg machen. Ist sicher schon nach neun, wenn's schon dunkel wird"

"Hast recht. Ist deine Mutter eh nicht sauer, wenn du so spät kommst?"

"Überhaupt nicht. In Wien bin ich viel später heimgekommen und war ihr auch recht"

Sandkastenfreunde || TaeGukWhere stories live. Discover now