Familie uwu

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Auch heute hieß es wieder ab aufs Feld in der Früh, der Kukuruz verlangte im Juli immer nach besonders viel Aufmerksamkeit. Es störte mich nicht, nein, im Gegenteil, mir gefiel das Entfahnen der Pflanzen und ich hatte einen gewissen Rhythmus während der Ferien. 

Anders als gestern ging ich jedoch nach dem Mittagessen bei Omi und Opi nicht zum Spielplatz, sondern steuerte sogleich unser Haus an. Trotzdem konnte ich über den Bach auf das Spielgelände sehen und siehe da, Jeonggukie und Hanmi waren auch heute dort. Sie schienen, eine Art Kaugummiblasen-Wettbewerb zu machen. Ich beschleunigte meine Schritte. 

Versteht mich nicht falsch, es war nicht so, dass ich vor Jeonggukie weg lief. Ich wusste nur, dass ich mich jetzt nicht in seiner Gegenwart wohl fühlen würde. Kein normales Gespräch würden wir auf die Reihe kriegen, ja ich könnte ihm nicht mal eine Frage stellen, so unangenehm war mir allein der Gedanke daran. 

Hastig betrat ich das Haus und vergaß hinterher fast, die Tür wieder zu zusperren. Meine Eltern waren noch bei meinen Großeltern, nur mein Bruder sollte sich hier irgendwo herumtreiben. Kurz checkte ich die Räumlichkeiten nach ihm ab und fand ihn malend im Wohnzimmer. 

"Hi Baeki, was malst du da?", interessierte ich mich für sein Werk. 

"Einen Christbaum. Ich will, dass wieder Weihnachten ist!", quengelte er.

"Na das dauert noch ein bisschen. Ich bin dann mal oben puzzeln"

Baekyul nickte nur, den Blick noch immer konzentriert auf das Zeichenblatt gerichtet. Er hielt den Filzstift so fest, dass seine Knöcheln ganz weiß hervortraten. Ein leidenschaftlicher Künstler. 

Am Weg nach oben schnappte ich mir noch ein Eis ausm Kühlschrank, übte noch etwas Klavier und verzog mich dann auf den Dachboden, wo das besagte 18 000 Teile Puzzle lag. Eigentlich waren es ja vier Mal 4500 Teile, weil das Ganze in vier verschiedene Packungen geteilt war. Zum Glück, sonst wäre das wirklich eine Herausforderung gewesen. 

Bevor es ans Puzzle ging, stieg ich noch mit dem Fernseher am Dachboden in Youtube ein und spielte eine random Playlist von dem Jazzmusiker Chet Baker ab. Er war einer meiner Lieblingsmusiker, hörte ich zurzeit wirklich oft. 

Kurz musterte ich das Puzzle vor meinen Füßen. Fertig würde es fast zwei mal drei Meter groß sein. Viel fehlte mir nicht mehr. Ich kniete mich hin und machte mich an die Arbeit. 

Puzzeln hatte mir schon immer gefallen und in letztes Zeit hatte ich es wieder mehr für mich entdeckt. Ich genoss einfach den geregelten Ablauf, Teile suchen, probieren, weglegen oder nicht und so weiter. Es war ganz einfach und deshalb konnten meine Gedanken währenddessen auf Reisen gehen. Oft dachte ich mir kurze Geschichten aus oder konstruierte bestimmte Erinnerungen um, wie sie gelaufen wären, wenn ich sie steuern hätte können. Es war basically Tagträumen für mich, nur das ich gleichzeitig meine Hände beschäftigt halten konnte. 

Doch heute konnte ich meinen Kopf irgendwie nicht los kriegen. Dauernd musste ich daran denken, dass Jeonggukie nur ein paar Schritte entfernt am Spielplatz hockte und sich amüsierte über mein instabiles Lügenkonstrukt und mich. Klar wusste er, dass ich gestern am Nachmittag nicht mehr am Feld gewesen war. Sicher wusste er auch, dass ich ihm absichtlich aus dem Weg ging. Wahrscheinlich dachte er sogar, dass ich mich vor ihm versteckte wie ein Angsthase. Vielleicht hatte er mich mehr durchschaut als ich mich selbst. 

"Taehyungie!", hörte ich auf einmal die gedämpfte Stimme meines Bruder von draußen, ehe er durch die Tür hineinstürmte, "Das Bild ist fertig!"

Im Eiltempo trappelte er zu mir und hielt mir sein Werk unter die Nase. Ein prächtiger Christbaum aus Dreiecken mit kunterbunten Kugeln und Ketten aus Lebkuchenmännern. Sehr süß. 

"Schaut lieb aus", lobte ich ihn und lächelte warm. 

"Ja? Kannst du dem Christkind bitte sagen, es soll den Weihnachtsbaum dieses Jahr genau so schmücken? Weil letztes Jahr waren so wenig Süßigkeiten drauf..."

"Ich werd's ausrichten"

Bestärkend wuschelte ich Baeki durch die Haare, die sich fast noch mehr lockten als meine. Kurz nach seiner Geburt war er sogar blond gewesen. Stellt euch mal vor, das wäre er jetzt noch lmao. Ein halber Koreaner mit blonden Engelslocken. Göttlich haha. 

"Gehen wir heute noch am Spielplatz?", wollte mein Bruder wissen und setzte sich auf meine Oberschenkel. 

"Willst du denn?"

Bitte sag nein, bitte sag nein. 

"Nö, bin eh voll müde vom Malen"

Puh. 

"Gut, dann bleiben wir hier"

Baeki lächelte breit und drückte sich an meine Brust. So konnte ich zwar nicht puzzeln, aber egal, dann streichelte ich eben sein Köpfchen. Doch seine wirr abstehenden Haarsträhnen ließen sich einfach nicht glätten. Still lächelte ich vor mich hin und gab ihm ein Bussi auf den Scheitel, oder zumindest dort, wo ich ihn vermutete. Mein Bruder war halt niedlich. 

Und so saßen wir lange da auf dem riesigen Puzzle, Baekyul auf meiner Schoss und ich mit den Händen in seinen Locken. Seine kleinen Kinderhände verloren auf meinem breiten Rücken. Allmählich hörte mein Gehirn auf, im Millisekunden-Takt Gedanken auf mich los zu feuern, und entspannte sich mit dem kaum merkbaren Herzschlag meines Bruders. Nähe war schon ein wirksames Heilungsmittel. Vor allem die meiner Familie. 

T der Familienmensch

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T der Familienmensch

Sandkastenfreunde || TaeGukWhere stories live. Discover now