KAPITEL SIEBEN ㅡ the prodigal son

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Jeongguk hatte sich immer gefragt, ob er eines Tages für seine Sünden zur Rechenschaft gezogen werden würde

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Jeongguk hatte sich immer gefragt, ob er eines Tages für seine Sünden zur Rechenschaft gezogen werden würde. Zweifelsohne bliebe ihm der Eingang in den Himmel verwehrt, wenn er nach der Religion seiner Pflegefamilie ging – hatte er doch, seit er vierzehn war, gegen sämtliche Gebote verstoßen, die der allgütige, allmächtige Gott im Himmel seinen Gefolgsleuten aufoktroyierte.

Der Gedanke versöhnte ihn; dass nichts von dem, das er auf dieser Welt tat, verborgen bleiben würde – dass, ganz gleich, wie viel Geld und Macht man sich im Diesseits auflud, dort drüben, im Jenseits die Rechnung beglichen wurde. Das einzige, das ihm an dieser Interpretation einer welt- und zeitübergreifenden Gerechtigkeit, einer minutiösen Kalkulierung sämtlicher Sünden und Wohltaten beunruhigte, war die Tatsache, dass seine Mutter ohne Zweifel in den Himmel aufgestiegen war und mit bitterer Untröstlichkeit dabei zusah, wie sich dieser Pfad immer weiter und weiter vor ihm verschloss.

Natürlich hatte er geglaubt, dass er früher oder später für die Atrozitäten geradestehen müsste, die er im Namen des Kartells und seiner Loyalität zu Kim Taehyung begangen hatte. Aber niemals hätte er sich ausgemalt, dass diese Buße am Morgen des amerikanischen Unabhängigkeitstags seine Tür eintreten würde und mit einem „NYPD, Hände hoch!" die frühmorgendliche Stille zerrisse.

In seiner vollkommenen Verwirrung gelang Jeongguk nur ein einziger Blick auf das Display seiner Digitaluhr auf dem Nachttisch – 6:02 Uhr – bevor mehrere in dunkelblaue SWAT-Jacken gekleidete Polizisten bei seinem Bett waren und ihn an seinen Armen daraus hervorrissen.

Ihm blieb kaum Zeit, ein schlaftrunkenes, verwirrtes „Was?" zu äußern, da war einer der Polizisten vorgetreten und bekundete mit stählerner, durchdringender Stimme: „Jeongguk Jeon, Sie sind hiermit für Handel mit verbotenen Substanzen verhaftet. Sie haben das Recht zu schweigen, alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht–"

Jeongguk, der die Miranda-Rechte besser kannte, als er sich eingestehen wollte, sagte: „...gegen mich verwendet werden, ja, ja ich weiß. Außerdem bin ich unschuldig und Sie stehen in meiner Lasagneform."

Der Beamte, der die Rechte verlesen hatte, warf einen irritierten Blick nach unten und machte prompt einen Schritt zurück, als er bemerkte, dass sein schwerer Stiefel tatsächlich geradewegs in den Resten von Vales neuster Kreation versunken war – Tiramisù, nur hatte sie die italienische Eiercrème mit Bananenmark gestreckt. Es schmeckte beim besten Willen... eigenartig.

Jeongguk warf einen raschen Blick auf die Sofakissen zu Fuße seines Bettes, auf denen Junyan üblicherweise irgendwann einmal im Laufe ihrer durchzechten Nächte in komatösen Schlaf verfiel. Diesmal jedoch schien er es anscheinend noch nach Hause geschafft zu haben, denn die Kissen waren leer und seine PlayStation hatte sich in den Ruhemodus heruntergefahren.

Im nächsten Augenblick wurden ihm die Arme auf dem Rücken verdreht und er hörte das metallische Klicken der Handschellen durch den anderweitig stillen Raum klingen, ehe sich kühles Metall eng um seine Handgelenke schloss. Er dankte Gott dafür, dass er letzte Nacht (eher unfreiwillig) in seiner Kleidung eingeschlafen war, denn vor all seinen Nachbarn in Boxershorts abgeführt zu werden, klang nach einer Erfahrung, auf die er liebend gern verzichtet hätte.

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now