KAPITEL FÜNFZEHN ㅡ the calm before the storm

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Neben Taehyung aufzuwachen, war eine sich wiederholende, stetige Erinnerung an seine Kindheit und Jugend – ein einziger Zusammenschnitt aus ersten, schlaftrunkenen Augenblicken, die er orientierungslos und atemlos in einer Schlafstarre gefangen ha...

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Neben Taehyung aufzuwachen, war eine sich wiederholende, stetige Erinnerung an seine Kindheit und Jugend – ein einziger Zusammenschnitt aus ersten, schlaftrunkenen Augenblicken, die er orientierungslos und atemlos in einer Schlafstarre gefangen halten wurde, ehe sein Blick auf das Gesicht seines Freundes neben ihm fiel und er sein Herzschlag sich jäh beruhigte.

Als sie acht und neun gewesen waren, ein Jahr, bevor seine Mutter gestorben war, hatte Hyun-sik ihm immer öfter erlaubt, bei Taehyung zu übernachten – und sie hatten die Zeit bis spät nach Mitternacht dafür genutzt, sich mit Taschenlampen und Laken eine Miniaturform von Slowtown zu bauen und darin, zusammengerollt und eng umschlungen, nebeneinander einzuschlafen. Es war in ebendiesem Raum gewesen; in Taehyungs Zimmer in Bayville – an der Stelle, wo nun sein Schreibtisch stand, hatte früher eine Verjüngung des Raumes existiert, in dem man das Fensterkreuz als Aufhängung für eine Decke nutzen konnte, die sich über ihre Köpfe gezogen hatte.

Jeongguk war zu der Zeit von schrecklichen Albträumen geplagt worden, aber eigenartigerweise hatte er nur Taehyungs Hand um seine gebraucht, sodass diese beinahe verblasst waren. Chaeyeon hatte Taehyung oftmals als Jeongguks Schutzengel bezeichnet; und er hatte lange gebraucht, um dieses falsche Bild loszuwerden. Denn Engel waren allzeit unbekümmert und erhaben, sie waren frei von Angst und schlechten Gefühlen und irgendwann, sie mussten um die zwölf und dreizehn gewesen sein, war Jeongguk bewusstgeworden, dass Taehyung alles war, nur nicht das. (Aber das ihn nicht davon abgehalten, ihn bedingungslos zu lieben.)

Später, viel später; zu der Zeit, als Taehyung aus dem Internat zurückgekommen war und sie beinahe jeden Tag miteinander verbrachten, war es mindestens einmal pro Woche vorgekommen, dass Jeongguk bei Taehyung übernachtet hatte, oder umgekehrt. Er hatte unzählige Stunden damit verbracht, im Morgengrauen dabei zuzusehen, wie das hereinbrechende Sonnenlicht die Farbe in das Gesicht seines schlafenden Freundes brachte.

Jeongguk hatte sich nie für diese Kunst erwärmen können, die Taehyung so liebte; wie auch, wenn alles, das er als schön und begehrenswert empfand, nur die Länge seiner Finger von ihm entfernt auf einem Kissen lag und im Schlaf die Augenbrauen zusammenzog.

Da war eine gesamte Paillette an Gefühlen in der Art gewesen, mit der Jeongguk Taehyung beobachtet hatte, während dieser neben ihm schlief – alles von Sehnsucht, über selbstlose Zuneigung, den Beschützerinstinkt eines besten Freundes hinweg, über Hilflosigkeit, bis hin zu einer allzeit ungreifbaren, dumpfen Angst vor ungreifbaren Mächten, die sie vielleicht auseinanderreißen konnten. Jeongguk hatte nur einen Bruchteil davon verstanden, aber jetzt, da er wieder einmal zusah, wie das erste Licht des Tages durch das Fenster auf Taehyungs Gesicht fiel, bemerkte er, dass er nichts spürte, als tiefste, beruhigendste Erleichterung.

Er konnte sich kaum daran erinnern, als sie aufgehört hatten, vor dem Kamin atemlos übereinander herzufallen. Wann immer einer für wenige Sekunden zu Vernunft gekommen war – Iseul war im Nebenraum und musste nur durch die Tür treten, um sie zu erwischen – war der andere schnell gewesen, die Distanz erneut zu überwinden und das bebende Crescendo ihrer verschütteten Gefühle wieder anzustimmen. Es war faszinierend, wie dumm, wie unvernünftig die Aussicht der Lippen des anderen auf seinen sie beide agieren ließ; Taehyungs Rationalität und Jeongguks Willenskraft, zwei eigentlich unerschütterliche Größen in ihrer Charakterbildung, zerfielen unter den Händen des anderen zu nichts als Vorbehalten.

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