KAPITEL ELF ㅡ birthright

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Die Scheibe beschlug unter seinem regelmäßigen Atem und aus halb geöffneten Augen beobachtete er den trüben Schleier auf der nachtschwarzen Dunkelheit hinter dem Autofenster, in die sich die spärliche, milchige Straßenbeleuchtung mischte

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Die Scheibe beschlug unter seinem regelmäßigen Atem und aus halb geöffneten Augen beobachtete er den trüben Schleier auf der nachtschwarzen Dunkelheit hinter dem Autofenster, in die sich die spärliche, milchige Straßenbeleuchtung mischte. Sein Kopf schlug bei jeder Bodenwelle gegen die ledergepolsterte Quersäule, aber er war noch zu tief in seiner eigenen schlaftrunkenen Apathie gefangen, als dass er sich darum kümmerte.

Aus dem Radio drang ganz leise ein Lied, das ihm nicht bekannt vorkam; aber Areums honigweiches Summen legte sich über die Töne und ummantelte sie so, dass er fast glaubte, sie zu kennen. Eine eigenwillige Mischung aus Gitarren- oder Harfenklängen und den penetranten Tönen einer E-Gitarre mischten sich unter das kummervolle Lamento des Sängers, der offensichtlich die Liebe seines Lebens besang und wie sehr sie ihn verletzt hatte.

Auch, wenn es ihm üblicherweise nicht schwerfiel, die Geräuschkulisse seiner Umgebung vollkommen auszublenden, perseverierten ihn die Töne des beinahe bis in den Anschlag heruntergedrehten Liedes so sehr, dass er schließlich die Augen öffnete und seinen Kopf von der Scheibe löste.

Areum, die ihr Auto über die Lagunenstraße jagte, nahm ihren Blick einen Sekundenbruchteil von der scheinwerferbeschienenen Straße und schenkte ihm den Ansatz eines sanftmütigen Lächelns.

„Wach?", fragte sie liebevoll. „Gerade rechtzeitig, wir sind schon halb in Oyster Bay."

„Ich konnte nicht schlafen", seufzte Jeongguk und zog seine Jacke enger um sich, während er den Kragen aufstellte und sich tiefer in dessen Wärme verzog. „Meine Gedanken sind so..."

„...eingenommen?", soufflierte sie ihm, während ihre Finger sich um den Lautstärkeregler des Radios legten, sodass die Stimme des Sängers nun mit größerer Penetranz aus den Lautsprechern drang.

„Ja." Er blickte aus dem Fenster; hinter dem in der Dunkelheit die wogenden Wellen des Meeres verlaufen mussten – unter dem wolkenverhangenen Himmel, der nicht einmal dem Mond Gelegenheit ließ, seinen Schimmer über der Kulisse zu verteilen. Sie hatten sich der längsten Nacht noch nicht ganz angenähert; aber die Sonne war bereits vor zwei Stunden untergegangen, und das, obwohl die Uhr auf dem Armaturenbrett nicht einmal halb acht anzeigte.

„Wer ist das?", fragte Jeongguk schließlich und machte eine halbherzige Handbewegung in Richtung des Radios. Areum lächelte, als habe sie nur darauf gewartet, dass er diese Frage stellte.

„Was du hörst, Jeongguk, sind die unsterblichen Klänge einer noch viel unsterblicheren Seele." Sie nahm eine Hand vom Lenkrad, um die Lautstärke noch ein wenig zu erhöhen. „Freddie Mercury mit seiner Band Queen. Love of my life."

„Liebe seines Lebens?", fragte er nachdenklich, nachdem er den Worten einige Sekunden lang wortlos zugehört hatte. „Obwohl sie ihn so verletzt hat?"

Der Seitenblick, den sie ihm zuwarf, war nicht einmal mehr subtil. „Es ist einfach die Liebe seines Lebens", sagte sie vorsichtig. „Was soll er dagegen machen? Ganz gleich, was sie ihm antut, er wird sie immer lieben. Das wird nun einmal durch das Wörtchen ‚Leben' sehr deutlich gemacht."

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