EPILOG ㅡ the existential importance of slowtown for kim taehyung

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in time, i will leave the city
for now, i will stay alive

Ihr einziger Gedanke war, dass Taehyung das alles gehasst hätte. Diese Realisation echote dumpf durch ihren Kopf und schaukelte sich zu einem ungläubigen Crescendo ihres Zorns auf, bis sie die Worte des Predigers nicht mehr hörte, der vorne auf der Anhöhe stand und seinen Sermon hielt.

Das Haus ihrer Kindheit ragte in seinem Rücken empor, riesig, gebieterisch und einschüchternd wie eh und je, doch Sora Kim wusste, dass Bayville Manor sich niemals wieder wie Zuhause anfühlen würde. Ganz gleich, in welche Richtung sich ihr Leben entwickeln sollte, sie würde nie mehr auf die Backsteinfassade des Baus blicken können, ohne Taehyungs Sarg davor auf der Empore zu sehen.

Tief schwarz und vollkommen unangetastet stand er dort hinter dem Prediger und Soras Augen blieben immer und immer wieder an dem Foto hängen, das davor auf einem Holzgestell stand. Sie konnte sich sogar daran erinnern, wann es aufgenommen war – es war an ihrem letzten Geburtstag gewesen, im Juni, als er ihr ein Diamantencollier geschenkt hatte, dass sie nun unter ihrem schwarzen Mantel um den Hals trug. Taehyung lachte aus vollstem Herzen; sein Grinsen etwas unstet, wie immer, wenn er betrunken war, aber sie entschied, dass es das schönste Bild war, das jemals von ihm aufgenommen worden war.

Auf dem Platz neben ihr, hatte ihre große Schwester sich ihre Hand vor den Mund gepresst und erstickte das Schluchzen, das in Stößen aus ihrer Kehle entkommen wollte. Sora weinte nicht.

Ihre Hand hatte Eunjins umschlungen, die mit ähnlich leeren Blick auf den Prediger blickte. Sie schien ihm zuzuhören, denn eine winzige, steile Stirnfalte war auf ihrem ewig sanftmütigen Gesicht zu erkennen.

Auf Areums anderer Seite saß Seokjin, blasser als sie ihn jemals gesehen hatte, seine Augen rot umrandet und seine Lippen in eisigen Januarluft beinahe blau. Sie sah, dass er vor Kälte zitterte und am liebsten hätte sie ihre freie Hand um seine geschlungen.

Sie waren durch den Mittelgang von dem Rest ihrer Familie getrennt; ihrer Mutter, die genauso wenig weinte, wie auf der Beerdigung ihres Vaters und Yoongi, der in schwarzer Trauerkleidung wirkte, als sei sie für ihn geschneidert worden.

Sie hatte immer noch einen Bruder, musste sie sich andauernd in Erinnerung rufen. Taehyung war tot, aber Yoongi war es nicht. Wieso schien das kein Trost zu sein?

An der Beerdigung ihres Vaters hatte eine ganze Menge Redner gegeben; Männer, die vorgegeben hatten, Hyun-sik ihr ganzes Leben lang zu kennen und von seinem Tod erschütterter zu sein, als der Anstand es gebührte.

Außer dem Prediger würde heute niemand reden. Allein die Tatsache, dass Taehyung hier beerdigt werden sollte, auf dem Grundstück neben seinem Vater und dem Rest ihrer Ahnen, die in Amerika gestorben waren, hatte Areum und Seokjin ihr gesamtes Arsenal an Flehen, Drohen und Beten abverlangt. Nur widerwillig hatten Hyun-soo und Jong-suk ihren Bitten schließlich nachgegeben, nicht zuletzt, weil Yoongi sich überraschend auf ihre Seite geschlagen hatte.

Alles im Clan hörte nun auf den neuen Anführer.

„Taehyung", sagte der Prediger in diesem Augenblick, als Sora ihm ihre Aufmerksamkeit gerade wieder zugewandt hatte, „war wie jeder von uns ein Sohn Gottes. Und es liegt in unserer Natur zu sündigen, die Hand gegen unsere Nächsten zu erheben und so über sie zu urteilen. Gott vergibt uns allen. So wird er auch Taehyung vergeben."

Sora unterdrückte ein Schnauben. So, wie sie ihren Bruder gekannt hatte, hätte er sich nicht weniger für die Meinung irgendeines Gottes interessieren können. Es missfiel ihr grundlegend, dass man ihm nun nach seinem Tod ein Regelwerk auferlegen wollte, an das er nicht einmal geglaubt hatte.

SLOWTOWNWhere stories live. Discover now