2. Jin

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Ich schaute auf mein Handy. Kurz vor Halb. Gleich müsste sie da sein. 

Aber was mache ich, wenn sie da ist? Ich kann ihr doch nicht einfach die Wahrheit sagen. Zwei Wochen? Das kauft sie mir nicht ab. Das weiß ich jetzt schon. 

Und ich weiß auch selber, dass es ziemlich seltsam ist. Aber was kann ich denn dafür? Seine Gefühle kann man nicht immer steuern. 

Trotzdem kann ich ihr nicht die Wahrheit sagen. Nach dem morgigen Tag sehen wir uns wahrscheinlich nie wieder. Das kann ich ihr nicht antun. Also mir nicht. Denn sie wird wohl kaum Gefühle haben. Und wenn, dann sind sie freundschaftlich. Ich würde aber wohl zu Bruch gehen, wenn ich weiter mit ihr Kontakt hätte, es aber bei Freundschaft bleiben würde. 

Also sollte ich es ihr doch sagen. Aber was lohnt es sich denn? Einen Tag zusammen. Also nur mit dem Wissen, dass ich sie doch mehr mag als andere. Wer hat denn gesagt, dass sie mich auch so mag?

Vielleicht tut sie immer nur so. Vielleicht tut sie nur so, als wären meine Witze lustig. Vielleicht tut sie nur so, als hätte sie Spaß in meiner Nähe. Vielleicht tut sie auch nur so, als würde sie rot werden, bei meinen Komplimenten.

Was bringt das alles denn noch?

Solange ich noch kann, sollte ich gehen. Noch kann ich fliehen und muss ihr nichts von meinen Gefühlen sagen. Ja, ich sollte gehen. Denn wenn ich mich auch nur verspreche, habe ich ein Problem.

Also drehte ich mich um. Auch wenn ich sie damit nun versetze, musste das einfach sein. Ich sehe sie sowieso nicht wieder. Da braucht sie auch jetzt nichts von meinen Gefühlen für sie wissen. 

"Hey, Jin!", rief eine mir vertraute Stimme. Eine engelsgleiche Stimme. Eine, die meinen Untergang bedeuten könnte. Malorys Stimme.

Ich blieb stehen und drehte mich um. Sie lächelte mich an. Also hatte sie nicht bemerkt, dass ich mich aus dem Staub machen wollte. Gut, und doch schlecht. Was soll ich jetzt als Ausrede benutzen? Immerhin habe ich mich auf den Weg nach Hause gemacht.

"Na Malory, du bist ja doch da", begrüßte ich sie und tat so, als hätte ich lange auf sie gewartet, aber die Hoffnung bereits aufgegeben, dass sie überhaupt noch kommt. Sie schaute mich mit einem unheimlich süßen Lächeln an, welches mein verliebtes Ich in mir sofort erwiderte. Wie gerne würde ich sie für immer bei mir haben wollen.

"Du wolltest doch mit mir sprechen. Was gibt es denn zu besprechen?" Sie klang so unschuldig, als sie das fragte. Wenn ich ihr jetzt einfach sage, dass ich mich eventuell nach zwei Wochen in sie verknallt habe, dann wird sie mich bestimmt für einen Spinner halten. Und das will ich nicht. Wenn dann soll sie mich im Guten in Erinnerung behalten. 

Ich wusste nicht, was ich nun sagen sollte. Allein ihr Anblick brachte mich um den Verstand. Ihre wunderschönen Augen zogen mich in einen Bann. So gern ich aus Angst auch weggerannt wäre; ich konnte nicht. Am liebsten würde ich für immer hier stehen bleiben und sie für immer einfach ansehen. 

Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich Malory eigentlich angeschaut habe, aber es war wohl zu lange. Denn sie winkte vorsichtig mit ihrer einen Hand vor meinem Gesicht. Sofort ging ich einen Schritt zurück und entschuldigte mich. 

"Ach, schon gut, Jin", meinte sie und lächelte noch einmal kurz. Jetzt musste ich echt aufpassen, ihr nicht noch einmal zu verfallen. Deswegen fing ich an zu reden. Auch wenn ich wusste, dass das mein Untergang werden könnte.

"Also", begann ich und kam schon da nicht weiter. Ja, das ist doch toll.

Es blieb dann wirklich für einige Augenblicke still zwischen uns. Doch dann holte Malory ihr Handy raus, schaute kurz drauf und steckte er wieder weg. Ab diesem Moment war mir klar, dass ich es ihr nicht erzählen sollte. Denn sie schien noch irgendwohin zu wollen oder will ihre Zeit nicht mit mir verschwenden.

Ich seufzte. "Malory, ich glaube, wir sollten zurück zu unseren Gastfamilien gehen. Wir können das auch ein anderes Mal besprechen." Zu meiner Verwunderung schüttelte sie den Kopf. "Jin, dir ist bewusst, dass wir übermorgen schon wieder alle bei uns zuhause sind? Du kannst doch jetzt mit mir reden. Ich muss nur in einer Dreiviertelstunde wieder bei meiner Gastfamilie sein. Länger darf ich nicht draußen bleiben."

Sie wollte also bei mir bleiben? Also nur hier mit mir im Park, aber sie wollte bei mir bleiben! 

Aber das hieß auch, dass ich nun doch mit ihr reden muss. Vielleicht könnte ich es ihr einfach sagen und dann wegrennen. Nein, sie sollte mich doch im Guten und nicht Verrückten in Erinnerung behalten.

Deswegen fragte ich sie, ob wir nicht gemeinsam durch den Park gehen wollen. Und sie stimmte sogar zu. Mein Herz schlug schneller und ein glückliches Lächeln konnte ich nicht verbergen. 

Wenn ich jetzt noch ihre Hand nehmen könnte, wäre das hier ein Traum. 

Nur einmal durfte ich kurz ihre Hand berühren. Wir waren vor fünf Tagen in den Bergen wandern. Malory war auf einen Stein geklettert und hat von dort aus fotografiert. Und ich habe ihr eine Hand hingehalten, um ihr danach von dem Stein runter zu helfen. Am liebsten hätte ich ihre Hand nie mehr losgelassen.

Aber was wäre, wenn ich jetzt wirklich ihre Hand nehme und sie das in Ordnung findet, vielleicht sogar gut und angenehm? Könnte ich ihr dann nicht doch erzählen, was ich für sie fühle? 

Ich sah zu ihr, um zu gucken, wo genau ihre Hände sind. Und zu meinem Pech hatte sie die in ihrer Jackentasche. Soll ich nun etwa ihre Hände einfach aus ihrer Jackentasche nehmen? Das kommt doch seltsam.

Ich überlegte fieberhaft, ob ich in irgendeinem Film, den ich mal geguckt habe, irgendwas gesehen habe, was mir weiterhelfen könnte. Malory würde es bestimmt auch toll finden, wenn ich ihr bei Regen meinen Regenschirm anbiete und wir gemeinsam den Regen beobachten würden. Also nur wenn sie mich mag. Sie muss das ja nicht toll finden.

Das Einzige, was mir jetzt noch einfällt, ist dass ich sie fragen könnte, ob ihr kalt sei. Und wenn ja, dann könnte ich ihr doch meine Jacke geben. Oder?

Ich blieb stehen und sie mit mir. "Sag mal, ist dir eigentlich kalt?" Malory sah mich etwas überrascht an, aber dann nickte sie. "Aber nur an den Händen. Ich hatte nicht erwartet, dass es so kalt heute Abend sein würde."

Sie holte ihr Hände aus den Jackentaschen und rieb sie kurz aneinander, damit sie ein bisschen wärmer werden. Ich zögerte, weil das meine Chance war, ihre Hände zu nehmen. Und falls sie fragt, werde ich einfach behaupten, dass ich nur ihre Hände wärmen wollte. Sonst nichts.

Ich nahm ihre Hände vorsichtig in meine. Sie schien nichts dagegen zu haben, obwohl ihr Blick doch etwas überfordert aussah. Doch nach einem kurzen Moment lächelte sie schüchtern und... wurde rot?

Ihre Augen war nun allein auf unsere Hände fokussiert. Meine hingehen auf ihr. Hauptsächlich auf ihren Lippen. Denn sich hatte nicht aufgehört zu lächeln. 

Aus diesem Grund, lächelte auch ich weiterhin und genoss die Stille zwischen uns. Nur Malory und ich. Beim fast vollendeten Sonnenuntergang, irgendwie händchenhaltend im Park in einem fremden Land. 

Auf einmal sah das Mädchen meines Herzens wieder hoch. Zu mir, in meine Augen. Aber nur für wenige Augenblicke. Denn schon kurz darauf sah sie doch tatsächlich auf meine Lippen. 

In meinem Körper spielte alles verrückt. Atmung war unregelmäßig, mein Herz schlug zu schnell, meine Stimme versagte. Das Einzige, was funktionierte, war die Bewegung, die fehlte, um unsere Lippen miteinander zu verbinden.

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1258 Wörter

Diesen One Shot habe ich am ersten Tag in England angefangen und fast drei Wochen später fertig geschrieben und wieder drei Wochen später hochgeladen. Aber besser spät als nie.

Da ich in letzter Zeit endlich wieder einen Schreibfluss habe, habe ich schon einige neue Kapitel vorgeschrieben. Und das bedeutet, dass nun häufiger etwas kommt. Auch wenn ich zwischendrin an meinem Großprojekt arbeite. Nach einigen Monaten bin ich immer noch nicht mit dem Storyboard fertig. Und richtig aufschreiben muss ich die Geschichte auch noch. Oh, das wird toll...

~🌹LY🌹~

BTS One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt