5. Namjoon

46 3 1
                                    

Ich wollte aufwachen. Aufwachen, aus diesem schrecklichen Alptraum. Dieser Alptraum, der niemals zu enden schien. Endlos. Wie die Dunkelheit.

Fühlt sich so das Nichts an? Leer? Einsam? Verlassen? Wenn ja, dann möchte ich sofort raus aus diesem Nichts. 

Der Herzinfarkt beim Schlafen. Der Handwerker in weiß, der mich beim Post holen mit einem Cuttermesser erstochen hat. Die Zombie-Apokalypse, bei der ich immer raus zu den Monstern musste, damit meine Familie und ich nicht verhungern. 

Diese Alpträume waren nicht real. Aber mein jetziges Leben war ein Alptraum. Ein echter.

Aus Kratzern wurden blutende Wunden. Das Salz in den Wunden hatte schlimme Auswirkungen. Mittlerweile sind nur noch Narben übrig. Und die Erinnerung. Die Erinnerung daran, was er mir angetan hat. 

Beste Freunde? Was ist das für eine Bezeichnung? Sie bringt doch gar nichts. Wenn Namjoon tatsächlich mein bester Freund wäre, würde er sich jetzt nicht mit anderen zum Chillen verabreden. Denn er weiß genau, dass ich genervt, verletzt bin. Sogar er ist genervt von mir.

Aber ich kann das alles nicht mehr. Ich möchte nicht. Wie konnten wir vor einem Dreivierteljahr noch die perfekten besten Freunde sein, und nun entwickelt sich in mir eine Abneigung gegen ihn? Das war doch nicht normal.

Liegt es an mir? Natürlich. Wenn es Probleme zwischen uns gab, war im Endeffekt immer ich Schuld. Vor einem Dreivierteljahr hätte ich Namjoon niemals so etwas zugetraut. 

War ihm die Freundschaft etwa egal?

Bin ich ihm egal?

"Ach, Elea", hörte ich Namjoon in einer Erinnerung sprechen, "mach doch jetzt nicht so ein Theater. Ich dachte, du seist reifer."

"Klar können wir reden, Elea. Diese Woche hab ich leider keine Zeit, aber geht auch nächste Woxhe?"

"Bist du dumm? warum antwortest du mir nicht?"

War alles nur Schein? Habe ich die ganze Zeit schon in einem Alptraum gelebt und es nur nicht gemerkt, weil ich glücklich in Namjoons Nähe war? Vielleicht zu glücklich. Bei Verliebten gibt es die rosarote Brille. Bei Freunden muss es etwas Ähnliches geben. Vielleicht die grünblaue Brille. Grün für Glück. Blau für Entspannung. 

Ich aber, habe keines von beiden. Warum auch? So wie Namjoon mich momentan behandelt, habe ich nicht Gutes oder Schönes verdient. 

Verdrängung, Sublimierung und Verschiebung. Ich verdränge den Schmerz, den diese Freundschaft mir breitet. Ich sublimiere meinen Wunsch auf Abstand zu ihm, indem ich alle meine Hausaufgaben mache. Und verschieben tue ich es auf andere Freunde. 

Aber Abwehrmechanismen kosten Energie. Energie, die ich nicht aufbringen kann. Kaum bin ich aus der Schule fühle ich mich leblos. Unmotiviert. Schwerfällig. Gebrochen.

Da könnte ich mir doch die Frage stellen, wozu ich morgens überhaupt noch aufstehe, oder?

Ich kenne die Antwort darauf: Ich hoffe einfach, dass alles irgendwie besser wird. Denn die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Der Ton meines Handys war noch an. Und was ich hörte, war Namjoons spezieller Klingelton. 

Bevor ich auf mein Handy sah, versuchte ich im Dunkeln meines Zimmers die Uhrzeit auf meinem Wecker zu lesen. Es schien 3 Uhr irgendwas zu sein. 

Aus unerfindlichen Gründen staute sich in mir eine gewisse Wut an. Wieso schrieb er mich nach über einer Woche gegen 3 Uhr nachts aus dem Nichts an. Ha, aus dem Nichts. Da komme ich her, nicht er. 

Langsam setzte ich mich auf, wobei irgendetwas in meinem Rücken knackte. Nicht nur meine Psyche geht zu Bruch, mein Körper tut es auch. Womit auch immer ich das verdient habe.

Ich gab die Zahlen 1209 in mein Handy als Passwort ein und öffnete Namjoons Nachricht. Drei Wörter. Drei Wörter und ein Fragezeichen. Das bisschen Text brachten das Fass fast zum Überlaufen. 

"Bock zu trffen?" Ich war sprachlos. Diese Worte waren dahingeklatscht. Plus Rechtschreibfehler. War das sein verdammter Ernst?!

Sprache ist etwas Gefährliches. Worten können sehr verletzen. Und auch die Art, wie Worte vermittelt werden. Und eine 08/15-Frage ist ein Niveau, welches ich Namjoon niemals zugetraut hätte. Aber was soll's. Auch alles andere hätte ich ihm niemals zugetraut. Wen kümmert's jetzt noch? Ihn nicht. Das hat er mir mit dieser Nachricht gezeigt.

"Willst du mich eigentlich verarschen?" - "Tagelang wechselst du kein Wort mit mir und jetzt sowas?!"

"Oh sorry, dann hakt nich"

"Weißt du was?! Du gehst mir richtig auf den Keks. Ich bin dir richtig egal geworden. Darauf habe ich keine Lust mehr. Du merkst ja nicht einmal mehr, dass es mir schlecht geht. Du bist nicht mehr mein bester Freund. Du bist ein Fremder!"

Die ersten Tränen fanden ihren Weg aus meinen glasigen Augen. Aber das war noch nichts, was zu dem Wasserfall kommen sollte, der nach Namjoons Antworte folgte:

"Okay"

_________

734 Wörter

🌹~LY~🌹

BTS One ShotsWhere stories live. Discover now