5. Tae

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"Wie, du hast sie verloren?!" Das konnte nicht sein Ernst sein! Ich bring ihn um, wenn er nicht gleich sagt, dass das ein Scherz war. Er konnte sowieso froh sein, dass ich es nicht schon früher getan habe.

Da Taehyung seinen Kopf senkte, um mir nicht länger in die Augen sehen zu müssen, und nicht begann zu lachen, wusste ich, dass er nicht log. In mir waren viele Gefühle. Sehr sehr viele. Wut, Angst, Panik, Mordlust, Fassungslosigkeit, Besorgnis und eine Menge Schuldgefühle. 

Wieso habe ich ihm vorhin auch gesagt, er solle aufhören, mich zu nerven und mit dem Kind einfach verstecken oder so spielen, damit ich beide nicht mehr sehen muss? Ich hatte eigentlich ja nicht einmal etwas gegen Taehyung. Obwohl wir uns auf den falschen Fuß erwischt hatten. Aber man merkte daran auch, dass die Mutter so erschöpft war, wenn sie aus Versehen gleich zwei Babysitter einstellte. Doch zwei können schneller suchen als einer allein.

Ich stand von dem beigen Sofa auf. "Tae, ich..." Eine Entschuldigung wäre wohl angebracht. Aber so etwas fiel mir schwer. Insbesondere, weil ich noch im Hinterkopf hatte, dass wir die Kleine auch noch suchen mussten und uns dafür auch nicht mehr so viel Zeit blieb.

"Es tut mir leid", brachte ich schließlich heraus. Taehyung schaute langsam wieder zu mir hoch, sodass ich in seine eigentlich echt schönen braunen Augen sehen konnte. Ein sanftes Lächeln zierte seine Lippen. "Ist schon gut", er kaute für einen Moment auf seiner Unterlippe herum, "ich kann manchmal anstrengend sein. Damit kommt nicht jeder klar und ich müsste mich eher bei dir entschuldigen, weil ich es dir auch absichtlich oft nicht leicht gemacht habe." Die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme war eher neu für mich. 

Klar war Taehyung manchmal ziemlich anstrengend gewesen. Aber ohne ihn und seine seltsamen Ideen hätte ich diesen Job wohl niemals auch nur annähernd auf die Reihe bekommen. Im Vergleich zu ihm bin ich der schlechteste Babysitter, den die Welt jemals gesehen hat. 

"So anstrengend bist du gar nicht, Tae." Verwundert sah er mich an. Fast so als ob ich gelogen hätte und er eindeutig die Wahrheit kannte. Aber ich sagte auch die Wahrheit. Doch als er mich dann noch mit einer hochgezogenen Augenbraue fragend ansah, fügte ich noch hinzu: "Okay, vielleicht bist du es manchmal. Aber definitiv nicht immer." 

Taehyung lachte auf. "Also hat der Schock deine Persönlichkeit doch nicht verändert. Das ist gut so, denn ich mag dich so viel mehr als ich es jetzt schon tue." Wie bitte? "Denn so anstrengend bist du nämlich auch nicht." Er lächelte glücklich vor sich hin und ich hätte darauf wetten können, dass er mich vor Freude auch noch umarmen wollen würde.

Ich bedankte mich bei ihm. Wenn auch etwas verlegen. Wir kannten uns seit ein paar Stunden, hatten von Anfang an viele Streitigkeiten, aber nun waren wir an so einem komischen Punkt angekommen. Doch bevor ich noch denken konnte, dass Taehyung gar nicht mal so schlecht aussah, wechselte ich das Thema auf Zoe.

"Hast du die Kleine wirklich überall gesucht?", fragte ich, sogar etwas besorgt klingend, und begann die Suche im Wohnzimmer. Auch er fing an zu suchen. "Ja, natürlich habe ich das. Ich habe sogar ihren Namen gerufen, aber sie war nirgends." Und ich hatte mich vorhin unter meinen Kopfhörern gewundert, warum er die ganze Zeit durchs Haus schreit.

Als Taehyung fragte, wie lange wir noch Zeit hätten, wollte ich schon wieder ein patzige Antwort in Richtung "Hinter dir hängt ne Uhr, Dummkopf" geben, aber ich ließ es bleiben. Auch wenn es mir ein kleines bisschen schwer viel. "Die Uhr hinter dir sagt, dass wir noch eine knappe Dreiviertelstunde haben."

Seine Augen weiteten sich. "Was?" Ich wiederholte noch einmal ruhig die Antwort. Eigentlich war das eine kleine Provokation, um ihn noch etwas verrückter zu machen, aber da fiel mir wieder ein, dass ich nicht weniger Probleme kriege, wenn die Mutter von Zoe zurückkommt und wir ihr Kind verloren haben.

BTS One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt