Anas Zweites Gebot

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Sahra schlug die Augen auf. Ihre Wangen waren tränennass und die Decke war auf den Boden gefallen. An ihrer Tür klopfte es und die Stimme ihrer Mutter ertönte: „Sahra, hörst du? Es gibt Abendessen." Noch etwas schlaftrunken erwiderte sie mit erstickter Stimme: „Komme", und rappelte sich auf. Über ihren Laptop lief immer noch „Black Mirror".
Sie hatte einige Folgen verschlafen. Dann würde sie diese wohl erneut gucken müssen. Die Decke pflügte sie vom Boden auf und schmiss sie auf die Couch. Ihren Laptop klappte sie zu. Dann ging sie in die Küche. Ihre Mutter wartete bereits auf sie. „Hast du geschlafen?", kam die Frage.
Sich die Augen reibend antwortete Sahra mit einem einfachen „Ja".
„Oh, dann tut es mir leid, dass ich dich geweckt habe", entschuldigte sich ihre Mutter. „Alles gut", beschwichtigte Sahra sie.

Das Essen verlief ruhig. Sahra aß eine Scheibe Brot mit Butter, Salami und mit Käse überbacken. Und weil es schon spät war ging sie danach direkt ins Badezimmer um sich bettfertig zu machen.
Nachdem sie auf Toilette war zog sie ihre Kleidung aus und stellte sich auf die Waage. 53,8 kg. Sie erstarrte. Wie war das möglich? Wieso hatte sie so viel zugenommen?! Lag das etwa nur an dem Nutella Brötchen?
Aber dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie hatte ja gerade eben erst etwas gegessen und das lag jetzt alles natürlich schwer in ihrem Magen.
Also hatte sie wahrscheinlich gar nicht wirklich zugenommen. Zumindest hoffte sie das.
Nachdem sie Zähne geputzt und den Schlafanzug angezogen hatte ging sie zurück in ihr Zimmer und beschäftigte sich die restliche Zeit mit ihrem Handy bevor sie sich dazu entschloss schlafen zu gehen.

Wieder stehe ich in diesem weißen Raum. Wieder ist es schön warm. Wieder drehe ich mich um und wieder steht da Ana. Und wieder hat sie einen ernsten Gesichtsausdruck. „Du hast zugenommen", begrüßt sie mich. „Woher weißt du das?", frage ich. Sie seufzt. „Ich bin dein Unterbewusstsein, schon vergessen? Ich weiß alles, was du weißt und ich sehe alles, was du siehst."
Betreten schaue ich zu Boden. „Ja, ich habe zugenommen." Aber bevor Ana etwas sagen kann versuche ich es zu erklären: „Aber ich glaube, das liegt nur daran, weil ich mich direkt nach dem Abendessen gewogen habe, also ist alles, was ich gegessen und getrunken habe, auch auf der Waage zu sehen." Sie sieht mich forschend an.
„Ich möchte dir das zweite Ana Gebot sagen", sagt sie. Etwas verwirrt aber auch erfreut sage ich „Okay", und schaue sie erwartungsvoll an. Ana beginnt: „Das zweite Gebot passt gerade sehr gut zu der jetzigen Situation. Es ist dazu da, um zu zeigen, was positiv und was negativ ist. Also, zweites Ana Gebot lautet: „Gewichtsverlust ist gut, Zunahme ist schlecht"."
Betreten schaue ich auf den Boden. Ja, das passt wirklich sehr gut zu der momentanen Situation. „Wiederhole es!", werde ich aufgefordert. „Gewichtsverlust ist gut, Zunahme ist schlecht.", murmle ich zu meinen Füßen.
„Lauter! Und sieh mich dabei an."
Ich blicke auf und schaue Ana in die Augen. „Gewichtsverlust ist gut, Zunahme ist schlecht", sage ich laut und deutlich.
„Sehr gut", lächelt mir Ana zu, „Und daran musst du dich halten. Halte es dir immer vor Augen wenn du auf der Waage stehst. Denn es ist wichtig. Wenn du Gewicht verlierst wirst du dünner und das ist gut. Wenn du Gewicht zunimmst wirst du dicker und das ist schlecht. Logisch, nicht? Halte dich daran."
Mit diesen Worten lösen sich der Raum und Ana auf.

Einmal Ana, immer Ana.Donde viven las historias. Descúbrelo ahora