Der Klavierlehrer

2.Kapitel

Als ich am nächsten Tag aus der Schule kam, wurde ich von meiner Mutter sofort fröhlich begrüßt. Kaum hatte ich unseren Flur mit den vielen Kunstwerken betreten, kam sie aus der Küche und stellte sich mir in den Weg. Ich musste an unser Gespräch heute Morgen beim Frühstück denken, als sie mir wieder all die netten Seiten von Herrn Sauer aufgezählt und versucht hatte, mich mit allen möglichen Argumenten dazu zu überreden, weiterhin Klavier zu spielen. Allerdings ohne Erfolg.

>>Ich habe eine gute und eine gute Nachricht für dich. Welche möchtest du zuerst hören?<<, fragte Mama und strahlte mich zufrieden an.

>>Hmm, die gute.<<, antwortete ich nach einigem gespielten Überlegen, >>Oder nee, doch nicht, lieber die... gute.<<

>>Ich habe den Klavierunterricht bei Herrn Sauer gekündigt.<<, verkündete meine Mutter, nahm mir die Jacke ab und hängte sie an den Haken.

>>Ich dachte, das fändest du schlecht?<< Auch wenn die Tatsache, dass ich Herrn Sauer möglicherweise endlich los war, mir wirklich zusagte, konnte ich nicht glauben dass Mama deswegen so fröhlich war. >>Was ist die andere gute Nachricht?<<

>>Ich habe einen neuen Klavierlehrer für dich besorgt.<<

>>Nein!<< Ich stöhnte auf. >>Aber...<<

>>Schau ihn dir doch erstmal an.<<, sagte Mama beruhigend, >>Er ist bestimmt richtig nett.<<

>>Die Sache ist die, dass wir beide unter nett etwas völlig anderes verstehen. Streng, pingelig und ständig sauer sind eigentlich keine Eigenschaften, die ich besonders nett finde.<<

>>Kira, was spricht denn dagegen, ihn einfach mal kennen zu lernen? Eine Probestunde bei ihm zu nehmen? Glaub mir, später wirst du noch froh über den Klavierunterricht sein, zum Beispiel wenn du deinen ganzen Enkeln zu Heiligabend etwas Schönes vorspielen kannst.<<

>>Mama! Ich möchte nicht mehr Klavier spielen! Ist das so schwer zu verstehen?<<

>>Ich habe ihn für nächsten Donnerstag herbestellt.<<, sagte Mama, ohne auf meine Frage einzugehen.

>>Herbestellt? Zum Kaffeetrinken oder was?<<

>>Er arbeitet nicht in einer Musikschule, sondern gibt nur Privatunterricht. Er kommt nächste Woche zu uns nach Hause und gibt dir dann an unserem Klavier Unterricht.<<

>>Aber ich...<<

>>Ich bin mir sicher, er ist nicht ganz so streng wie Herr Sauer.<<

>>Und wenn er nur halb so streng wie Herr Sauer ist, ist das immer noch viel zu streng!<<

>>Wir werden sehen, ja?<< Meine Mutter bückte sich und nahm unsere Katze Nala – ja, ich weiß, wie Nala aus König der Löwen – auf den Arm, die soeben die Treppe heruntergesprungen war.

>>Ja, das werden wir wohl.<< Ich verdrehte genervt die Augen. >>Aber ich verspreche dir, wenn er streng, ekelhaft oder sonst was sein sollte, dann schmeiße ich ihn persönlich aus dem Haus – und unser Klavier hinterher!<<