3.Kapitel

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Ding Dong, schallte der Gong unserer Haustür am Donnerstagnachmittag durchs Haus. Ich lag gerade auf dem Bett und machte Mathehausaufgaben, eines der schlimmsten Fächer, wie ich fand, sodass ich über die kurze Ablenkung nur froh war. Bis mir aufging, dass das nur der neue Klavierlehrer sein konnte. Im Laufe der Woche hatte ich ihn fast vergessen, mit Schule und meiner nervigen besten Freundin Milena hatte ich schon genug um die Ohren und war nun gar nicht darauf vorbereitet einem neuen, womöglich noch schlimmeren Lehrer als Herrn Sauer gegenüberzutreten. Von unten hörte ich, wie meine Mutter ihm die Tür öffnete und ihn dann freundlich begrüßte. Er erwiderte irgendetwas, woraufhin Mama lachen musste. Das war schon mal ein schlechtes Zeichen, bei Herrn Sauer hatte Mama auch immer lautstark über jeden dämlichen Witz gelacht, der eigentlich überhaupt nicht lustig war. Bitte, betete ich in Gedanken, bitte lass ihn nicht so ein Arschloch wie Herr Sauer sein!

>>Kira, kommst du?<<, rief Mama hoch und ich erhob mich seufzend aus meinem gemütlichen Bett. Ich strich meine zerzausten Haare glatt, atmete tief durch und schlurfte dann langsam die Treppe runter.

Und dort stand er: Mein neuer Klavierlehrer.

Überrascht blieb ich stehen, blinzelte paar Mal und vergewisserte mich, dass ich mir das nicht nur einbildete. Nein, ich bildete es mir nicht ein – und darüber war ich verdammt froh.

Er war nämlich kein alter, ekelhafter, unfreundlicher und total strenger Mann, so wie Herr Sauer es gewesen war. Im Gegenteil. Er war jung, hübsch, gepflegt und hatte eine so freundliche und lebendige Ausstrahlung, dass man nicht anders konnte, als sein charmantes Lächeln zu erwidern (auch wenn mein Lächeln bestimmt nicht mal halb so charmant wie seins wirkte).

>>Hi, du musst Kira sein.<<, begrüßte mein neuer Klavierlehrer mich und riss mich so aus meiner Schockstarre. >>Mein Name ist Nils Körner, du kannst mich aber ruhig einfach nur Nils nennen.<<

>>Hallo Herr Kör... äh Nils!<< Ich reichte ihm höflich meine Hand, mein Herz machte einen kleinen Sprung, als er sie behutsam nahm und schüttelte.

>>Kira, zeig Nils doch erst einmal, wo überhaupt unser Klavier steht. Das Bad kannst du ihm dann auch gleich mal zeigen.<<, forderte Mama mich auf und machte eine einladende Handbewegung ins Wohnzimmer.

>>Äh... ja... das Klavier steht dort im Wohnzimmer... komm mal mit.<<

>>Soll ich meine Schuhe ausziehen?<<, fragte Nils und bückte sich, um die Schleifen seiner Turnschuhe zu öffnen. >>Nicht dass ich noch den Teppich verschmutze oder...<<

>>Ach was, die kannst du ruhig anbehalten.<<

Er zuckte mit den Schultern und folgte mir in unser kleines, aber gemütliches Wohnzimmer. Man konnte kaum noch ein Stückchen von der bunten Tapete erkennen, überall hingen Bilder von mir als Baby oder Mama, Papa und mir im Urlaub. Unser altes, schwarzes Klavier mit dem quietschenden Pedal stand links zwischen dem Sofa und einem großen weißen Schrank, der zwar uralt war, von dem sich meine Eltern aber keinesfalls trennen wollten. Ich hatte mich in unserem vollgestellten, altmodisch eingerichteten Wohnzimmer zwar immer pudelwohl gefühlt, fragte mich jetzt jedoch, wie es wohl auf Nils wirkte. Was hielt er bloß von den Babyfotos an den Wänden, die mich teilweise sogar nackt am Strand oder im Garten zeigten? Und was dachte er über die selbstgezeichneten Bilder im Flur, die so manchen Nachmittag in Anspruch genommen hatten? Und vor allem: Wie fand er mich? Seine neue Schülerin?

Ich verdrängte die Fragen mit einem energischen Kopfschütteln aus meinem Kopf. Was war nur mit mir los? Normalerweise machte ich mir nicht so viele Gedanken darüber, was ein fremder Mann wohl von mir hielt.

Der KlavierlehrerDonde viven las historias. Descúbrelo ahora