12.Kapitel

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>>Kira?<<, fragte meine Mutter, als ich am Mittwochmittag zwei Wochen später aus der Schule zurück kam.

>>Ja?<< Ich stellte meinen Rucksack ab und setzte mich zu ihr in die Küche.

>>Morgennachmittag kommen Papas Freunde von der Arbeit zum Kaffeetrinken.<<

>>Ja und?<<

>>Sie essen im Wohnzimmer und wollen dabei nicht gestört werden...<<

>>Und was ist dann mit dem Klavierunterricht?<<, fiel mir ein. Letzte Woche hatten Nils und ich wieder Perfect zusammen gespielt, ich hatte so viel geübt, dass er beeindruckter denn je von mir gewesen war. Für Morgen hatte ich mir fest vorgenommen, ihm endlich alles zu gestehen. Die Zweifel, die ich am Anfang noch gehabt hatte, hatten sich quasi in Luft aufgelöst, als er mir das Liebeslied gegeben hatte. Obwohl ich sieben Jahre jünger, seine Schülerin und keinesfalls eine Schönheit war, empfand er mehr als nur Freundschaft für mich. Und Morgen würde ich endlich den entscheidenden Schritt wagen und ihm alles erzählen, so wie ich es die letzten Tage immer wieder mit Milena geprobt hatte.

>>Du kannst ihn doch auch einmal ausfallen lassen!<< Mama setzte sich zu mir. >>Selbst die Ferien ist er immer gekommen, eine Stunde kannst du doch auch mal verpassen.<<

>>Aber...<<

>>Was ist denn?<< Mama grinste mich an und ich spürte, wie ich errötete. >>Früher konntest du dich doch kaum halten vor Freude, wenn der Unterricht ausfiel, aber jetzt wo Nils dein Lehrer ist...<<

>>Mama!<< Entrüstet sah ich sie ihn und spürte, wie ich errötete. >>Was soll das denn jetzt heißen?<<

>>Ich war auch mal jung. Ich weiß, wie so etwas ist. Und er sieht wirklich nicht schlecht aus...<<

>>Mama!<< Verdammt! Jetzt grinste ich auch noch so einfältig! Reiß dich zusammen, Kira! Ich konnte es mir noch so oft sagen, das Grinsen und die Röte verschwanden nicht von meinem Gesicht.

>>Warum wirst du denn so rot?<<

Ich wich ihrem Blick aus. >>Wir haben heute übrigens die Mathearbeit zurückbekommen. Rate mal, was ich habe.<<

>>Kira, wir hatten gerade ein anderes Thema.<<

>>Ich habe eine Zwei. Na gut, eine Zwei Minus. Aber im Gegensatz zu meinen Noten von letztem Jahr ist das doch ein super Start ins neue Schuljahr, findest du nicht auch?<<

>>Ja, super!<< Mama erhob sich vom Stuhl und stellte sich wieder an den Herd. >>Aber wir hatten gerade ein anderes Thema. Wie alt ist Nils noch mal?<<

>>Einundzwanzig<<, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. >>Und ich muss jetzt schnell noch... äh... Hausaufgaben machen... Ich geh dann mal...<< Ruckartig stand ich auf und verließ die Küche.

>>Äh, Kira?<<

Ich drehte mich noch einmal zu Mama um. >>Ja?<<

>>Das Essen ist fast fertig, Hausaufgaben kannst du auch noch danach machen. Und während des Essens können wir uns noch ein wenig unterhalten, nicht wahr?<<

Ich stöhnte auf. >>Nichts lieber als das!<<, murmelte ich und setzte mich wieder an den Tisch.

>>So, wegen Morgen...<< Mama drehte sich zu mir um. >>Schreibst du Nils dann noch mal, dass das leider ausfallen muss?<<

>>Hmm...<< Enttäuscht wich ich ihrem Blick aus.

>>Du siehst ihn doch nächste Woche wieder.<<

Ich zuckte mit den Schultern und holte mein Handy aus meiner Hosentasche. >>Ich schreibe ihm mal...<<

Morgen habe ich leider keine Zeit, dann wird das wohl nichts mit dem Unterricht..., schrieb ich und hielt die Luft an, als ich die Nachricht abschickte.

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht, als mein Handy anzeigte, dass Nils online war. Als das online sich dann auch noch in ein schreibt verwandelte, begann mein Herz schneller zu klopfen und ich konnte den Blick nicht mehr vom Bildschirm abwenden.

Warum nicht? :(, schrieb er und ich erklärte ihm schnell die Lage.

Auf welche Schule gehst du noch mal?, fragte er, nachdem ich die Nachricht mit der Erklärung abgeschickt hatte.

KGS, wieso?

Habt ihr dort ein Klavier im Musikraum?

Ja klar

Sonst gebe ich dir dort morgen Unterricht. Dann stören wir auch nicht deinen Vater ;)

Ist dir das nicht zu viel Aufwand?

Quatsch, das geht schon.

Danke, echt nett von dir!

Kein Problem :) Also dann morgen bei dir in der Schule?

Ja :)

Ich lächelte. Nein, lächeln war untertrieben. Ich strahlte das Handy an, als wäre es Nils höchstpersönlich. Jetzt kam er sogar extra noch zu mir in die Schule, um mir Unterricht zu geben. Ich konnte ihn endlich Milena vorstellen, ihm meine Schule zeigen... und außerdem gab es viele ungestörte Ecken in der Schule. Perfekt für unseren ersten richtigen Kuss. Ich stellte mir vor, wie wir nach dem Unterricht durch die leeren Gänge der Schule gingen, an all den Klassen- und Vorratsräumen vorbei, wie er mich in die dunkle Nische neben dem Mädchenklo zog, wo ich mich früher immer versteckt hatte, wenn ich mich mit Milena gestritten hatte. Wie er mein Gesicht packte, seine Lippen auf meine legte, seinen durchtrainierten Körper an meinen presste...

>>Warum grinst du denn so?<<, riss Mama mich aus meinen Gedanken. >>Hat Nils etwa geschrieben?<<

>>Er kommt morgen Nachmittag zu mir in die Schule und gibt mir da Unterricht.<<, sagte ich knapp, während ich immer noch mit einem verliebten Lächeln auf den Chatverlauf starrte.

>>Bei dir in der Schule? Darf er das überhaupt?<<

>>Der Flügel im Musikraum darf nach dem Unterricht von allen Schülern frei genutzt werden. Warum sollte er mir also keinen Unterricht darauf geben dürfen?<<

Mama antwortete nicht, sie schaute mich nur mit diesem wissenden Lächeln an und rührte währenddessen weiter in dem Topf auf dem Herd herum. >>Na dann... Viel Spaß Morgen!<<, wünschte sie mir und stellte das fertige Mittagessen vor mir ab.

>>Danke. Werden wir bestimmt haben.<<, sagte ich lächelnd und voller Vorfreude auf den morgigen Tag.

Der KlavierlehrerWhere stories live. Discover now