18.Kapitel

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Einen Tag vor der Hochzeit gingen Milena und ich zusammen shoppen, unter dem Vorwand, mir ein Kleid für mein Konzert am morgigen Tag zu kaufen. Doch in Wirklichkeit wollte ich einfach nur von zuhause wegkommen und mich ablenken, denn ich hielt es nicht mehr aus, mich in meinem Zimmer zu verkriechen und verzweifelt und todunglücklich auf die Hochzeit zu warten.

Die Hochzeit, die trotz all meiner Versuche stattfinden würde. Ich hatte mit Milena so viele Pläne geschmiedet, um sie zu verhindern, hatte mir tausend Flirttipps aus dem Internet geholt und bei Nils angewandt – ohne Erfolg. Und nun würde er morgen heiraten!

>>Wie sehe ich aus?<<, riss Milena mich aus meinen Gedanken. Ich schaute auf und musste lachen, als ich sie ansah. Sie trug eine viel zu große Pudelmütze in einem furchtbaren Braunton, der ihr überhaupt nicht stand.

>>Wunderschön!<<, antwortete ich grinsend, doch mein Grinsen verschwand wieder von meinem Gesicht, als ich ihr von ganz alleine zuzwinkerte. Ich hatte es mir einfach so angewöhnt, früher hatte es mich immer an Nils erinnert, wenn ich sein süßes Zwinkern nachmachte. Und der Gedanke an Nils hatte mich früher immer glücklich gemacht. Nun konnte ich den Gedanken an Nils jedoch kaum noch ertragen, er erinnerte mich an die Hochzeit morgen und daran, dass er meine Gefühle für ihn niemals erwidern würde. Trotz all meiner Versuchungen und Hoffnungen.

>>Setz du die mal auf!<<, forderte Milena und reichte mir die Pudelmütze. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und ihre grünen Augen funkelten gut gelaunt, doch trotz ihrer guten Laune, wusste ich, dass sie sich insgeheim Sorgen um mich machte. Seit wir heute Mittag zusammen zum Shoppingcenter in der Stadt gefahren waren, hatte sie die ganze Zeit über versucht, mich von Nils und den pessimistischen Gedanken abzulenken, und auch wenn mich hin und wieder mal eine Sache an Nils erinnerte – wie zum Beispiel ein neckenden Zuzwinkern, ein lockiger, hellbrauner Haarschopf, beruhigende Klaviermusik aus den Lautsprechern, der Dönerladen gegenüber des Shoppingcenters... – gelang ihr das eigentlich ganz gut. Und dafür war ich ihr verdammt dankbar!

>>Und? Wie sehe ich aus?<<, fragte ich, sobald ich die Mütze aufgesetzt hatte. >>Schrecklich oder schrecklich?<<

>>Richtig schrecklich!<<

Lachend riss ich mir die Mütze wieder vom Kopf. >>Mann, das ist vielleicht heiß darunter!<<

>>Soll es doch auch sein, ich meine... der Winter naht!<<

>>Erstens ist es gerade mal Mitte Herbst und zweitens sind wir hier nicht bei Game of Thrones!<< Seit Milena zu ihrem Geburtstag die ersten paar Staffeln von Game of Thrones geschenkt bekommen hatte, redete sie nur noch davon, auch wenn sie eigentlich noch gar nicht alt genug für die Serie war.

>>Wir müssen uns doch schon mal rüsten, meinst du nicht? Weißt du eigentlich, wo die Hochzeit morgen stattfindet?<< Kurz nachdem sie dies gesagt hatte, guckte sie beschämt zu Boden. >>Tut mir leid, ich wollte dich nicht daran erinnern...<<

>>Schon okay<< Ich hängte die Pudelmütze dahin zurück, wo wir sie her hatten. >>Die... Hochzeit findet auf der Wiese in der Nähe vom großen Wald statt. Du weißt schon, da wo es so hügelig ist und von wo man über die gesamte Stadt blicken kann. Nach der Kirche fahren wir dahin und... feiern. Nils hat mir schon Bilder gezeigt, alles ist herbstlich geschmückt, die Tische stehen unter riesigen aufgebauten Zelten, die kleine Bühne mit dem Flügel ist angestrahlt... Er hat sich richtig Mühe gegeben, alles perfekt zu machen.<<

Milena nickte und drückte mich kurz an sich. >>Tut mir leid... Ich weiß nicht, ob ich es ausgehalte hätte, an der Hochzeit von meinem Schwarm Klavier vorzuspielen.<<

>>Können wir das Thema wechseln?<<, fragte ich und wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel.

>>Ja natürlich<< Milena packte meine Hand und zog mich durch den Laden zu dem Regal mit den Winterjacken. >>Welche davon ist so hässlich, dass ich dich damit zum Lachen bringe, wenn ich sie anziehe?<<

Grinsend deutete ich auf einen einfarbigen pinken Mantel. Ich wusste ganz genau, dass Milena Pink hasste und dass die Farbe ihr noch weniger stand. Mit gequältem Gesichtsausdruck zog Milena sich die Jacke über, zog den Reisverschluss zu und setzte die Kapuze auf. Wir mussten so laut loslachen, dass die ältere Dame, die neben uns stand, uns einen empörten Blick zuwarf.

>>Die Jugend von heute...<< Kopfschüttelnd stöberte sie weiter durch die Jacken.

>>Ich suche dir ein Outfit heraus und du musst es danach anziehen, okay?<< Milena zog schnell den pinken Mantel aus und hängte ihn wieder zurück. Als ich zustimmend nickte, eilte sie sofort mit einem gut gelaunten Lachen zum nächsten Ständer und begann mir irgendwelche furchtbar aussehende Kleidungsstücke herauszusuchen.

Kurz darauf hatte ich mich mit einer grellen, karierten Jacke, einer viel zu großen, kackbraunen Hose, einer Mütze in Form eines Schweinekopfes und hochhackigen, blütenweißen Schuhen in die Umkleide geschlossen. Allein schon die Klamotten einzeln und nicht angezogen zu sehen, war furchtbar, doch als ich sie anhatte... Grinsend schüttelte ich den Kopf, während ich mich von links nach rechts drehte und mich ausgiebig im Spiegel betrachtete.

>>Na, wie sehe ich aus?<<, fragte ich lachend, als ich aus der Umkleide gesprungen war. Ich war es jedoch nicht gewohnt, auf hochhackigen Schuhen zu stehen, und so wäre ich fast in den nächsten Kleidungsständer gefallen, hätten mich zwei starke Arme nicht aufgefangen.

>>Du siehst entzückend aus!<< Milena konnte sich kaum noch halten vor Lachen. Dann verschwand das Grinsen jedoch plötzlich aus ihrem Gesicht und ihr Lachen verstummte.

>>Ich hoffe mal, du hast nicht vor, morgen so zur Hochzeit zu erscheinen.<< Die Stimme gehörte Nils, wie ich entsetzt feststellen musste. Er hatte mich aufgefangen, als ich mit den Schuhen mit den viel zu hohen Absätzen gestürzt war und nun lag ich in diesem furchtbaren Outfit in seinen Armen.

>>Keine Sorge, das Outfit nehme ich auf keinen Fall. Aber im Gegensatz zu dem, was ich morgen anziehe, ist das hier noch harmlos!<<, scherzte ich und rappelte mich aus seinen Armen hoch. Lass dir nichts anmerken!, sagte ich mir wieder, so wie ich es mir die letzten Wochen immer wieder gesagt hatte. Lass dir nichts anmerken... lass dir nichts anmerken... lass dir einfach nichts anmerken! Wenigstens das gelang mir.

 >>Na ja, Hauptsache du spielst schön Klavier!<< Nils zwinkerte mir zu und mein Vorsatz Lass dir nichts anmerken! geriet ein wenig ins Wanken.

>>Genau!<<, stimmte ich ihm zu, >>Außerdem ist doch viel wichtiger, dass die Braut gut aussieht. Und ich bin ja nicht die Braut...<< Verbissen wandte ich mich von ihm ab. Lass dir nichts anmerken!

>>Na dann... ich muss jetzt auch wieder los. Bis morgen!<< Nils lächelte und umarmte mich zum Abschied, dann wandte er sich ab und ging zur Kasse. Mein Blick fiel auf das, was er in der Hand trug. Einen kleinen Strampelanzug. Nils legte ihn auf den Verkaufstresen, bezahlte und verließ den Laden, während ich ihn die ganze Zeit mit meinem entsetzten Blick verfolgte.

Ein Strampelanzug. Für Babys. Das konnte nur eines bedeuten.

>>Nein!<<, sagte ich mit schwacher Stimme. >>Bitte nicht!<<

Mitten im Laden brach ich in Tränen aus, Milena legte mitfühlend einen Arm um mich und schob mich zurück in die Kabine. An ihrer Schulter weinte ich mich aus und es war mir egal, wer das alles hörte. Mir war alles egal.

Mina war schwanger. Nils würde Vater werden. Und ich würde für immer nur seine Schülerin bleiben.

Der KlavierlehrerWhere stories live. Discover now