21.Kapitel

595 20 1
                                    

Ich setzte mich auf eine Bank unter einem großen Apfelbaum, schloss die Augen und lauschte für einen Moment der Stille, die nach der lauten, beeindruckenden Orgelmusik richtig gut tat. Doch dann strömten all die anderen Gäste aus der Kirche heraus und unterbrachen mit ihren fröhlichen Gesprächen den friedlichen Moment.

>>Ah, hier bist du, Kira!<<, ertönte auf einmal Nils Stimme hinter mir, >>Ich habe dich schon überall gesucht.<<

Ich atmete tief durch und drehte mich um, in der Hoffnung, ihm würden meine verheulten Augen und das überhaupt nicht überzeugende Lächeln nicht auffallen.

Und wie es aussah, fiel es Nils tatsächlich nicht auf. Er strahlte mich so glücklich an, dass er wahrscheinlich gar nicht mehr wusste, was Trauer, Wut und Angst überhaupt waren.

>>Das hier ist Leo<< Nils deutete auf einen jungen Mann in seinem Alter, der neben ihm stand. Seine Haare waren dunkel und ein wenig länger als die von Nils, die Augen leuchteten in einem intensiven Blau und obwohl ihm sein teuer aussehender Anzug ein bisschen zu groß war, stand er ihm ausgezeichnet.

>>Hey, ich bin Kira.<< Ich hielt Leo meine Hand hin und er schüttelte sie lächelnd.

>>Hi Kira. Nils hat mir schon viel von dir erzählt.<<

>>Echt?<< Ich verfluchte mich selbst dafür, dass mein Herz ein weniger schneller zu schlagen begann und mein Gesicht leicht errötete. Er hatte gerade eine andere Frau geheiratet... und dennoch errötete ich bei der Vorstellung, dass er anderen Menschen von mir erzählte.

>>Echt<< Leo grinste mich so gut gelaunt an, dass ich trotz dem Schmerz, der immer noch tief in mir verborgen lungerte, einfach zurück grinsen musste.

>>Wir fahren gleich zu der Wiese, wo wir die Zelte und das Buffet aufgebaut haben. Leo wird dich mitnehmen, wenn das für dich in Ordnung ist.<<

Eigentlich wäre ich lieber mit Nils gefahren, doch ich wusste selbst, dass das nicht möglich war. Er fuhr mit seiner neuen Frau Mina und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr verging mir auch die Lust, die beiden bei der Fahrt zu stören. Es war nett von Nils, dass er mich zu seinem Freund Leo ins Auto setzte und nicht jemand anderes, wie zum Beispiel das alte, gesprächige Ehepaar, das in der Kirche neben mir gesessen hatte. Auf die beiden konnte ich gut verzichten!

>>Wann soll ich nachher eigentlich vorspielen?<<, fragte ich, während ich neben Leo und Nils zu den Parkplätzen ging.

>>Gleich zu Beginn des Essens wäre nicht schlecht.<< Nils fuhr sich durch seine hochgestylten Haare. >>Hast du die Noten dabei?<<

Ich nickte. >>Ja, vorsichtshalber, aber wahrscheinlich spiele ich eh auswendig...<<

>>Streber<< Lachend boxte Nils mir in die Seite.

Ich schluckte schwer und tat so, als hätte ich ebenso gute Laune wie er. >>Wenn du mich noch einmal boxt, dann komme ich mit dem Gartenschlauch und spritze dich nass!<< Mein Lachen kam mir hohl und freudlos vor und es erstarb urplötzlich, als ich Mina, die rothaarige Braut mit dem wunderschönen Kleid, aus der Kirche heraustreten sah.

>>Äh... Wir reden noch mal, wenn wir da sind, okay?<< Auch Nils hatte Mina entdeckt und konnte es offensichtlich kaum erwarten, uns loszuwerden und wieder zu ihr zu gelangen.

>>Okay<< Traurig schaute ich ihm nach, wie er zu seiner neuen Frau eilte und sie mit einem fröhlichen Kuss auf den Mund begrüßte. Alles in mir zog sich vor Anspannung zusammen und ich musste mich zusammenreißen, um keinen enttäuschten Laut von mir zu geben.

Der KlavierlehrerWhere stories live. Discover now