16.Kapitel

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Als Nils das nächste Mal zum Unterricht kam, hatte ich mir schon einen Plan zurecht gelegt.

1. Nils oft zufällig berühren

2. Witze machen und Nils zum Lachen bringen

3. Nils mit schönem Klavierspiel beeindrucken

4. Mir nichts wegen meiner Enttäuschung und der Hochzeit anmerken lassen!

Mit Milena hatte ich mir schon so viele Strategien überlegt, wie ich ihn die nächsten Wochen vor der Hochzeit um den Finger wickeln konnte, dass ich mich nun besser vorbereitet fühlte als vor einer Mathearbeit (und vor der bereitete ich mich meistens wirklich richtig gut vor, auch wenn das eigentlich gar nichts nützte).

Kaum klingelte es also am Donnerstagnachmittag, stürmte ich zur Tür und öffnete sie mit einem strahlenden Lächeln.

>>Na du!<<, lachte Nils, als ich ihm zur Begrüßung um den Hals fiel. >>Du hast heute aber gute Laune!<<

Wenn du wüsstest..., dachte ich, schluckte den Ärger herunter und strahlte ihn weiter an. >>Komm doch rein!<<

Wir gingen ins Wohnzimmer, setzten uns zusammen ans Klavier und ich holte meine Noten hervor, immer noch mit einem fröhlichen Lächeln auf dem Gesicht. Lass dir nichts anmerken, lass dir nichts anmerken, lass dir nichts anmerken... Immer wieder sagte ich es mir und konnte nur hoffen, dass Nils mir meine Verzweiflung wirklich nicht ansah.

>>Hast du Perfect weiter geübt? Und die anderen Stücke für Minas und meine Hochzeit?<<

Lass dir nichts anmerken... >>Äh, ja, natürlich!<< Mein Gestotter machte ich mit einem breitem Lächeln und einem fröhlichen Zwinkern wieder wett. >>Soll ich es dir vorspielen?<<

>>Gerne<< Nils rückte ein wenig zur Seite und ich begann mit dem Spielen. Wie immer, wenn Nils mir zuguckte, fiel mir das Spielen ganz leicht, meine Finger flogen über die Tasten und spielten mit so viel Gefühl, dass ich selbst schon Tränen in den Augen bekam. Dieses Mal waren es jedoch keine Freudetränen. Darling, you look perfect tonight..., dachte ich während des Refrains traurig. Diesen Satz würde Nils niemals zu mir sagen, niemals. Stattdessen würde er wahrscheinlich mit seiner blöden Mina barfuß durch die Nacht tanzen, ihre Lieblingslieder hören und ihr sagen, wie perfekt sie doch aussah. Aber niemals zu mir. Ich war schließlich nur die kleine, vierzehnjährige Kira, eine von seinen Schülerinnen und die Klavierspielerin auf seiner Hochzeit.

Ich unterdrückte die Tränen und den Wutschrei, die die Verzweiflung bei mir auszulösen drohten, und konzentrierte mich weiter auf die Noten und meine Finger. Lass dir nichts anmerken, lass dir einfach nichts anmerken... Das war schwieriger als gesagt, viel schwieriger. Es war so gut wie unmöglich, sich normal zu benehmen, während man für die Hochzeit seines Schwarmes und einer anderen Liebeslieder auf dem Klavier spielte.

>>Das war schön.<<, sagte Nils gerührt, als das letzte you look perfect tonight von Perfect verklang. >>Ich kann es kaum erwarten, bis du es endlich auf meiner Hochzeit spielst. Mina freut sich schon total darauf.<<

>>Auf mein Klavierspielen oder die Hochzeit?<<, fragte ich verbissen und wich seinem Blick aus. Lass dir nichts anmerken...

>>Auf beides<<, lächelte Nils und drückte mich für einen kurzen Moment an sich. >>Nochmal danke, dass du da kommen kannst!<<

>>Kein Problem<< Ich schloss die Augen, schmiegte mich an ihn und stellte mir vor, alles wäre anders. Dass es keine Mina und keine Hochzeit gäbe, nur Nils und mich und das Klavier.

Der KlavierlehrerWhere stories live. Discover now