Kapitel | 2

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Ich träumte von Nebel. Von Eis und Feuer. Und von Wolken. Sie verdichteten sich zu Gestalten. Ich erkannte drei Frauen, ihre Münder waren zu einem Schrei verzerrt, doch ich hörte keinen Laut. Ich sah bunte Farben die an mir vorbei zogen, wie ein Regenbogen.

Dann hörte ich gemurmelte Worte einer fremden Sprache. Das Gesicht eines Mannes schälte sich aus der Dunkelheit. Ich hörte das Krächzen von Raben und dann wachte ich auf.

Als ich die Augen öffnete sah ich zuerst nichts. Ich blinzelte und erkannte, eine graue Wand vor mir. Sie war mit hellen Schlieren verzogen. Stirnrunzelnd bewegte ich den Kopf und die Wand verwandlete sich in Gras.

Ich lag auf dem Boden! Erschrocken richtete ich mich auf und ein plötzliches Stechen bretete sich in meinem Kopf aus. Ich fasste mir an die Stirn.

Meine Umgebung sah trostlos aus. Überall wucherte hohes Gras und ein paar Bäume standen am Rand der Wiese, auf der ich war. Weiter entfernt am Horizont konnt man Berge erkennen. Ganz langsam stand ich auf. Das Hämmern in meinem Kopf wurde langsam schwächer.
Ich befand mich auf einer Art Anhöhung, wie ich feststellte.

Der kalte Wind zerrte an meinen Haaren und fuhr durch meine Kleidung. Wo war ich? Ich war doch gerade noch im Museum gewesen...

Ich sah auf meine Füße hinab. Sie steckten immer noch in Sneakers und zerdrückten das Gras unter ihnen.
Ich drehte mich im Kreis und blieb erstaunt stehen. Unter mir breitete sich das Meer aus, das sich bis an den Horizont erstreckte.

Ich schien in einer Art Bucht gelandet zu sein, denn auf halber Strecke durchzog das Festland die Berge und bildete eine Küstenlinie. Und dort am Ufer breitete sich eine Stadt aus. Sie reichte bis ans Wasser heran und ein Fluss schlängelte sich mitten hindurch.

Die Stadt wirkte aber nicht so wie die meisten Städte, die ich kannte: Die Häuser bestanden großteils nur aus Holz und ich sah auch keine Autos oder Straßen. Nur Feldwege schienen dorthin zu führen.

Am Meer gab es einen provisorischen Hafen und ich erkannte Schiffe. Erstaunt blinzelte ich, als ich erkannte, dass das alles Langboote waren. Wikingerschiffe!

Mir wurde schwindelig und mein Magen drehte sich. Irgendetwas stimmte hier nicht! Die Stadt und alles drum herum sah nicht so aus, wie ich es gewohnt war. Eher, als ob...

Ich wagte es nicht, den Gedanken zuende zu führen. Schauderned sah ich mich noch einmal um. Ich seufzte und setzte ich mich in Bewegung. Da ich sonst nichts als diese Stadt sah, konnte ich nur dort Antworten finden. Doch insgeheim hatte ich Angst davor zu erfahren, was mit mir passiert war.

Je näher ich der Stadt kam, desto lauter wurde es. Kindergeschrei und Tiergeräusche durchzogen das Rauschen des Windes. Einzelne Rufe drangen an mein Ohr und ich brauchte eine Weile, bis ich erkannte, dass es nicht Deutsch war. Vorsichtig stolperte ich weiter und schlang meine Arme um mich. Der Wind war echt eisig kalt!

Vor mir erhob sich eine Mauer aus Holzstämmen aus dem Boden. Obendrauf gab es eine Art Wehrgang mit vereinzelten Wachtürmen. Ein breites Tor unterbach sie und zwei Männer standen in dem Eingang. Sie trugen Speere und lederne Kleidung. Was in alles in der Welt?

Ich starrte sie an. Sie waren die ersten Menschen, die ich hier traf. Konnte ich sie einfach so danach fragen, wo ich war? Oder kam das komisch rüber? Ich sah mir die Männer genauer an. Sie hatten beide langes Haar und einen Vollbart.

Auf ihrem Kopf thronte ein Helm mit Augenschutz. Irgendwoher kamen mir diese Helme bekannt vor. Ich hielt direkt vor den Männern an und sie versperrten mir den Weg. Der Rechte sagte etwas. Komischerweise verstand ich ihn, auch wenn er einen Dialekt zu haben schien. Doch es war kein Deutsch. Es war Isländisch!

Die Erkenntnis traf mich mit voller Wucht: Die Kleidung, die Helme, die ganzen Häuser aus Holz. Die Schiffe am Hafen! Ich war bei den Wikingern. Ich war durch die Zeit gereist!

Mir wurde schummerig vor den Augen und ich drohte ohnmächtig zu werden. Einer der beiden Männer packte mich am Arm. Er sagte etwas und ich versuchte zu antworten, bekam jedoch kein Wort heraus. Der Mann zog mich mit und schob mich in die Arme einer alten Frau.

Er brüllte ihr etwas zu und sie keifte zurück. Dann wandte sie sich zu mir. "Geht es Ihnen gut?", sie hatte den selben Dialekt wie der Wachmann und ich konnte sie nur schwer verstehen. Vielleicht nuschelte sie aber auch. Ich nickte und richtete mich auf. "Es geht schon danke."

Die Frau lächelte. "Was tragen sie nur für komische Kleider, Liebes?" Ich sah sie verwirrt an und blickte an mir herunter. Ich trug immer noch Jeans und meinen Kapuzenpulli. Ich musste hier auffallen, wie ein bunter Hund!
Und tatsächlich warfen mir die Leute, die an uns vorbeikamen misstrauische Blicke zu.

"Ich ähh..." Ich schluckte. "Welches Jahr haben wir?", brach es aus mir heraus. Die Frau sah mich verdutzt an. "Wie bitte?"
Ich schluckte. Was sollte das hier?
"Schon gut.", stotterte ich. Vielleicht gab es damals noch keine Kalender und Jahreszahlen. Ich musste mich wirklich zusammen reißen. Wer wusste am ehesten, wie ich hierher gekommen war? Oder welches Jahr wir hatten?

"Wo sind wir?", wollte ich wissen. Die Frau strich mit den Händen über ihre Schürze. "In Kattegat. Aber wieso-"
"Wo finde ich den Bürgermeister?", unterbach ich sie ungeduldig. "Wen?"
Ich verfluchte mich innerlich. "Die Autoritätsperson. Den Herrscher dieser Stadt!"

Die Alte lächelte. "Ach so. Sie meinen die Königin, sagen Sie das doch gleich!" Sie deutete die Straße hinab. "Dort entlang geht es zum Marktplatz mit dem Opferschrein. Die rechte Straße führt zum Haus von Königin Lagertha." Sie lächelte gütig und ich dankte ihr. Dann stolperte ich eilig davon. Königin!

Ich glaubte mich verhört zu haben. Wo war ich hier bloß gelandet? Ich wusste noch nicht einmal, wo dieses Kattegat lag!

Während ich so durch die Straßen ging, kam es mir immer unwirklicher vor, dass ich in die Wikingerzeit gereist sein sollte. Ich war doch eben noch in Deutschland gewesen!

Ich stapfte in eine Pfütze und fluchte. Eine Ziege meckerte mich vom Straßenrand aus an. Ich merkte die vielen Blicke, die auf mir lagen und senkte den Kopf.

Ich kannte mich mit Wikingern aus. Ich würde hier schon zurecht kommen. Hoffte ich zumindest...
Es roch salzig, nach Fisch und nassem Tier. Irgendwo bellte ein Hund. Ich ging immer weiter, ignorierte das Starren der fremden Leute.

Plötzlich stieß ich gegen etwas und fiel hin. Ich landete unsanft auf meinen vier Buchstaben und der Matsch von der Straße verteilte sich auf meiner Kleidung. Erschrocken stellte ich fest, dass ich gerade gegen jemanden gelaufen war. Ich hob den Kopf und wollte zu einer Entschuldigung ansetzten, da steckte jemand die Hand nach mir aus. Ich wurde am Arm gepackt und mit Leichtigkeit hochgezogen. "Alles in Ordnung?"

Ich blinzelte gegen die Sonne und stand einem jungen Mann gegenüber. Er war ungefähr einen halben Kopf größer als ich und schien in meinem Alter zu sein. Sein langes braunes Haar war in unzähligen Zöpfen zurückgeflochten. Er trug ähnliche Lederkleidung wie die Wachmänner am Eingang der Stadt. Ich schluckte. "Verzeihung. Ich hab nicht auf den Weg geachtet."

Er lächelte und sah an mir hinab. Mir brach der Schweiß aus, als ich mich dran erinnerte, dass ich immer noch moderne Kleidung trug. Der Junge grinste etwas als sein Blick meine verschmutze Jeans streifte. Er schien sich irgendwie gar nicht über meine Klamotten zu wundern.

"Ist schon gut. Mir sollte es Leid tun." Er sah mich nachdenklich an. "Ich hab dich hier noch nie gesehen."
Mir wurde warm. Ich brauchte schnell eine Ausrede. "Oh ähm. Ich bin neu hier." Was ja auch stimmte.
"Dann Willkommen in Kattegat! Ich bin Hvitserk.", er lächelte mich an. "Eivor", antwortete ich unsicher.

"Ich denke, du brauchst neue Kleider.", sagte Hvitserk und deutete auf meine Schuhe. Mit einer Hand auf der Schulter führte er mich die Straße entlang. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Was passierte jetzt? Wollte er mich entführen oder schlimmeres?

"Wohin gehen wir?", fragte ich und versuchte, die Unsicherheit aus meiner Stimme zu ignorieren.
Hvitserk lächelte leicht. "Oh, zu Lagertha. Sie wird dir Arbeit und neue Kleider geben." Ich sah ihn fragend an und er schien zu verstehen. "Königin Lagertha."

Ah ja. Da wollte ich ja auch eigentlich hin, oder? Ich musste ihm wohl oder übel vertrauen...

Between Two WorldsWhere stories live. Discover now