Kapitel | 10

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Wir fuhren den nächsten ganzen Tag über ohne Land zu sehen. Ich fragte mich die ganze Zeit, wie Ubbe und die anderen ohne Karten und GPS navigieren konnten. Bei Nachtvwar das ja vielleicht noch einfacher, wegen den Sternen. Aber Tagsüber? Und wenn keine Sonne schien?

Ivar war immer noch stocksauer und er ignorierte mich. Das konnte er ziemlich gut. Hvitserk und die anderen schienen mir verziehen zu haben. Hela erklärte mit etwas über unsere bevorstehende Aufgabe in Wessex, die laut ihr mindestens genauso wichtig war wie das Kämpfen.

Am Nachmittag gingen die Brüder, Floki, Harald und Halfdan noch einmal gründlich ihren Plan durch, von dem ich natürlich nichts wissen durfte. Floki klärte mich dann später darauf auf, dass das Navigieren mit Sonnenscheiben und anderen ähnlichen Gegenständen funktionierte.

Er gab mir einen hellen Stein, mit dem man bei bedecktem Wetter die Sonne finden konnte, wann man ihn gegen den Hinmel hielt. Ich staunte nicht schlecht. Es war ein Wunder, wie weit entwickelt die Wikinger damals schon waren. Und es war schade, dass so vieles aus ihrer Kultur verloren gegangen war.

Gegen Abend zog Wind auf und die Wellen wurden unruhig. Floki sah stirnrunzelnd zum Himmel hinauf. Dann sah er mich an und grinste. Sein dunkler Liedstrich, den er jeden Tag trug kräuselte sich. "Lasst uns zu den Göttern beten, dass wir heil ankommen.

Sosehr ich Thor liebe, einen Sturm können wir heute nicht gebrauchen." Ich wusste nicht was ich erwidern sollte und so folgte ich ihm zum Heck des Schiffes, wo sein Seesack lag. Floki fischte etwas heraus und ging zur Reling. Er hielt ein Stück Trockenfleisch in der Hand und zückte sein Messer.

Damit schnitt er sich in den Finger, sodass Blut tropfte. Er bot mir das Messer an und ich lehnte kopfschüttelnd ab. Floki drückte etwas vom Fleisch in die Hand. Er hob die Arme zum Himmel und sang etwas auf Altnordisch. Dann ließ etwas von seinem Blut ins Meer tropfen und war das Fleisch ins Meer. Schnell machte ich es ihm nach. Floki grinste über beide Ohren.

"Na, habt ihr die Götter besänftigt?", Helga kam zu uns und legte Floki die Arme um die Schultern. "Thor wird uns treu bleiben." Helga lächelte und wollte etwas sagen, da krachte ein Donnerschlag durch den Himmel. Ich zuckte zusammen, als kurz danach ein Blitz folgte. Flokis Gebet schien nicht funktioniert zu haben. Doch auf dessen Gesicht breitete sich ein Grinsen aus.

"Jaa!", kreischte dieser. "Thor hat uns erhört!" Für mich klang das eher wie ein wütendender Gott. Ich schwankte, als eine Windböe mich erfasste. Erst jetzt erkannte ich, dass wir mitten in einem Sturm steckten. Als eine Welle das Schiff zur Seite drückte, klammerte ich mich an der Reling fest. Ich betete zu allen Göttern; nordische, sowie alle anderen sie ich kannte. Der Wind wurde immer stärker und schon bald peitschte der Regen wir ein Monsun auf uns hinab. Ich konnte nichts meher sehen, das Wasser lief mir in die Augen und Haare klebten auf den Wangen.

Der Donner wurde immer lauter und vermischte sich bald mit einem Feuerwerk aus Blitzen. Ich schmeckte Salzwasser und spukte es aus. Mit aller Kraft hielt ich mich an dem Schiff fest. Hinter mir hörte ich johlende Rufe. Sie alle jubelten, sie hielten das Gewitter für eine gute Botschaft.

"Thooor!", brülle Harald und steckte seine Axt gen Himmel. Wir zur Bestätigung donnerte es. Ich sah mich um. Alle wirkten ausgelassen, gar nicht so, als ob das hier lebensgefährlich wäre. "Hei dir Odins Sohn!", rief Ubbe und lachte. Ivar grinste nur breit und Hvitserk tanzte mit Floki um die Wette.
Für mich war es nur ein einfaches Gewitter. Für sie war es so viel mehr.

Ein besonders lauter Donner ertönte und plötzlich wurde die Welt in weises Licht getaucht. Es roch nach Rauch und Elektrizität. Ein gewaltiger Knall ließ mich zusammenzucken. Der Mast war getroffen worden. Ich hörte Schreie, doch es waren keine Jubelrufe mehr. Der Boden unter mir schwankte und jemand packte mich fest an den Armen. Dann brach Kälte über mich hinein und ich bekam keine Luft mehr.

Between Two WorldsWhere stories live. Discover now