Kapitel | 20

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Als ich die Augen aufschlug befand ich mich (mal wieder) woanders. Über mir war eine dunkle Zeltdecke und ich lag auf irgendetwas. Als ich den Kopf hob, bewegte sich meine Unterlage und ich setzte mich ruckartig auf. Hvitserk schrak hoch.

"Was?" Ich wurde rot, als mir bewusst wurde, dass er meine Unterlage gewesen war.
Erst jetzt bemerkte ich Ubbe und die anderen. Harald schmunzelte uns vielsagend an.

"Kein Wort!", blaffte Hvitserk und stand auf. Sein Kopf stieß gegen die Decke. Das Zelt war echt klein, Ivar hatte wohl das engste gewählt das es gab. Frustriert setzte Hvitserk sich wieder hin. Dabei fiel mir auf, dass er Handfesseln aus Metall trug. Genauso wie alle anderen. Auch an meinen Händen klinperte Metall. "Was passiert jetzt?", fragte ich leise.

"Solltest du das nicht wissen? Schließlich können nur Hexen in die Zukunft sehen.", räumte Halfdan ein und ich glaubte mich verhört zu haben. "Was?", flüsterte ich entsetzt. Glaubte er Ivars Worten etwa?
"Er macht nur Scherze.", murmelte Harald. "Galgenhumor." Ehe ich etwas erwidern konnte, öffnete sich der Zelteingang und ein Mann mit Rauschebart steckte den Kopf hinein. "Raus da! Wir legen ab."

Mehrere Wachen nahmen uns in Empfang und führten uns zum Flussufer, wo die Drachenschiffe zum Aufbrauch bereitlagen. Ich sah mich um und erkannte, dass alle Zelte abgebaut waren. Bis auf unseres. Der Wikinger hinter mir stieß mir hart in den Rücken, damit ich schneller ging. Ich stolperte und wäre fast gefallen, wenn Hvitserk mich nicht rechtzeitig festhehalten hätte. Doch die Krieger rissen uns auseinander und schubsten uns weiter vorwärts.

Da riss sich Hvitserk ruckartig los und lief mit voller Wucht gegen den Mann, der mich führte. Dieser taumelte und fiel zu Boden. Ich wollte Hvitserk helfen und schubste einen der Männer. Na ja zumindest versuchte ich das. Der Kerl war wie ein Bär. Ich flog zur Seite und schlug hart auf den Boden auf. Meine Hüfte stieß gegen eine dicke Baumwurzel und ich fluchte auf. Da zog mich jemand am Kragen hoch.

"Eivor!", hörte ich Hvitserks Stimme, doch ein Schlag ins Gesicht lenkte mich ab. Schmerz explodierte auf meiner Wange und Sterne schoben sich in mein Sichtfeld. Ich keuchte auf und schmeckte Blut. Meine Lippe war aufgeplatzt. Der Mann stieß mich hart nach vorne, zurück zu den anderen. Ich schluckte den metallischen Geschnack hinunter und taumelte weiter.

Ich sah gerade noch Ubbes und Hvitserks besorgte Blicke, ehe auch sie weiter geschoben wurden.
Als wir näher zu den Schiffen kamen, sah ich Ivar auf der Reling des ersten Schiffes sitzen. Er sah unbeeindruckt auf uns hinunter. Ganzvso, als wäre er bereits König.

Die Männer führten uns direkt auf ihr zu, die Planke hoch. Ivars kalte Augen fanden meine und er funkelte mich hasserfüllt an. Der Schlag auf meiner Wange schmerzte immer noch und die Lippe fing an zu pochen.
"Ivar denk nach! Das ist keine Lösung!", rief Ubbe ihm zu und kämpfte gegen die Krieger an.
"Natürlich ist es das, Ubbe.

Es ist die einzige Lösung!", zischte sein Bruder und machte eine lässige Handbewegung. Der Krieger hinter mir stieß mir auf den Hibterkopf und ich beeilte mich weiterzugehen. Wir wurden nebeneinander im Kreis um den Mast gefesselt. Mit dem Rücken zum Stamm saßen wir da. Einige Minuten lang herrschte Hektik auf dem Schiff.

Ich lehnte den Kopf gegen den Mast. Erst da fielen mir die Blicke auf, die die Krieger mir zuwarfen. Sie waren hungrig und anzüglich. Ich war kein Mitglied des Volkes mehr. Also war ich in ihren Augen jetzt Freiwild.
"Wenn ihr ihr auch nur ein Haar krümmt!", knurrte Hvitserk.

Die Männer lachten grimmig und wandten sich mürrisch ab. Ich seufzte und wandte den Kopf zu Hvitserk. Er sah mich besorgt an und in meinem Blick spiegelte sich das gleiche Gefühl. Wo war ich hier bloß reingeraten?
Ich schloss die Augen.

Spürte die kühle Brise auf meiner aufgeplatzten Wange. Hvitserks warme Schulter drückte sich an meine und ich hörte Ubbe verärgert vor sich hin murmeln. Plötzlich lächelte ich. Ich war nicht alleine. Egal, was passierte, egal was Ivar oder Lagertha uns antun würde, ich hatte immer noch die beiden.

"Setzt die Segel!", schrie Ivar irgendwann und die dunklen Stoffbahnen wurden gen Himmel gezogen. Überall ertönten Rufe von den anderen Schiffen und ich sah plötzlich Floki über die Reling huschen.

Er war in den Schiff direkt neben uns und schien unversehrt zu sein. Helga saß zusammengesunken auf einer Holzkiste am Bug und starrte vor sich hin. Warum hatte Ivav sie nicht gefangen genommen? Vielleicht, weil Floki mit Lagertha befreundet war?

Ich wollte Hvitserk darauf aufmerksam machen, doch dieser sah gebannt zu Ivar herüber. In seinem Blick lag Wut, aber auch Schmerz. Es musste schrecklich sein, wenn sein eigener Bruder ihn so verriet. Ivar unterhielt sich mit einem Steuermann.

Er erklärte ihm, dass sie so schnell wie möglich von England weg mussten. Der Mann nickte. "Wo geht es hin?"
Ivar wandte den Blick zu mir und lächelte leicht. "Nach Hedeby."

Between Two WorldsWhere stories live. Discover now