Kapitel | 6

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"Hast du schon einmal davon geträumt auf einem Thron zu sitzen?", unterbrach Hvitserk plötzlich meine Gedanken.

"Was?" Er nickte zu Lagerthas Thron hinüber, der verlassen und unbewacht auf dem Podest stand. Ivar beugte sich zu uns. "Also ich träume ständig davon Bruder." Hvitserk warf ihm einen genervten Blick zu.

"Wenn sie uns erwischen, tun wir so, als ob wir betrunken sind.", sagte er zu mir.
"Du bist schon betrunken!", kicherte ich und ahnte langsam worauf er hinaus wollte.

"Quatsch! Also? Na komm!" Er nahm mich bei der Hand und führte mich zum Podest hinauf. Ich konnte Ivars stechenden Blick in meinem Rücken spüren, doch Hvitserk schien das nicht zu bemerken.
"Ich hab das schon oft gemacht, wenn Lagertha nicht da war."

Ich kam näher, da hob er mich hoch und ließ mich erst auf dem Thron wieder runter. Ich saß jetzt auf seinem Schoß, während er sich auf dem Thron fläzte. Seine eine Hand ruhte auf meiner Taille, die andere auf der Armlehne. Ich sah ihn von der Seite an. "Ich dachte, 'ich' soll auf dem Thron sitzen?"

Er zuckte nur mit den Schultern und deutete auf die Halle. "Ist das nicht eine tolle Aussicht?"
Doch lange blieben wir nicht unentdeckt, denn eine von Lagerthas Schildmaiden kam schnellen Schrittes auf uns zu.

"Was hat das zu bedeuten?" Ihr Stimme klang barsch und ich sah die Axt an ihrer Hüfte. Hvitserk kicherte und lallte: "Ich wollte ihr nur die gute Aussicht zeigen." Er legte eine Hand auf meine Schulter und ich gab mein bestes betrunken zu wirken. Die Schildmaid hob eine Augenbraue. "Königin Lagertha wird das nicht gutheißen."

"Sie is aba nich hier!" Hvitserk grinste sie an und lehnte sich zurück.
"Hvitserk! Was tust du da!?", Thorvi, die Frau von Björn kam auf uns zu. "Du weißt, dass das verboten ist!" Hvitserk lachte. "Ich wollte meiner Königin nur das geben, was sie verdient."

"Sie ist eine Sklavin!" Thorvi sah zwischen uns hin und her. Hvitserk wollte antworten, da unterbach ihn eine autoritäre Stimme.

"Wie oft muss ich dich noch ermahnen nicht auf meinem Thron zu sitzen, Hvitserk?" Schaudernd sah ich auf. Lagertha kam näher. Na toll!
"Lagertha!", rief er beinahe erfreut und die Leute, die dem Thron am dichtesten standen sahen verwundert zu uns hinauf.

"Ich muss dich bitten den Thron zu verlassen!", schnitt Lagerthas Stimme durch den Krach der Halle.
Hvitserk funkelte sie an. "Wieso hab ich nicht das Recht hier drauf zu sitzen? Ich bräuchte nur dich und Ubbe umzubringen, dann bin ich König von Kattegat!" Erschrocken sah ich ihn an. Meinte er das jetzt etwa ernst!? "Björn schert sich eh nicht um den Thron, also wer sollte mich aufhalten?" Er grinste leicht.

Lagertha machte ein Handzeichen und wir wurden von zwei Schildmaiden heruntergezogen. Wir hätten uns wehren können, waren jedoch nicht so dumm es zu versuchen. Als Hvitserk an Lagertha vorbeikam, packte sie ihn am Arm.
"Ich würde dir raten die Finger von einer Sklavin zu lassen.", raunte sie mahnend.

Hvitserk sah sie feindselig an. "Margrethe war auch eine Sklavin.", gab er zurück und riss sich von ihr los. Dann schoben uns die Schildmaiden zur Tür hinaus und wir liefen davon.
Nach ein paar Metern brach Hvitserk lachend zusammen. "Das war das Beste, was ich seit langem gemacht habe!"

Ich musste mich erst einmal von dem Schock erholen, doch dann brach auch ich in Lachen aus.

Da wir wohl nun Hausvervot in der großen Halle hatten, schlenderten wir durchs Dorf. Der Mond schien hell in die Gassen und die zusätzlichen Fackeln machten die unebenen Wege sichtbar.

Auf der Suche nach Ubbe und Margrethe wanderten wir durchs Dorf. An ihrem Haus angekommen, klopfte Hvitserk an Margrethes Tür. "Ubbe, bist du hier?" Es gab keine Antwort, doch wir hörten ein leises Stöhnen von drinnen. Mir schoss das Blut in den Kopf und Hvitserk biss sich auf die Unterlippe.

"Ähh... Wir sollten sie besser in Ruhe lassen."
Damit wendeten wir uns ab und folgten dem Weg. Es dauerte ein bisschen bis ich die peinliche Stille überwand, die zwischen uns entstanden war.

"Hast du das vorhin eigentlich ernst gemeint? Dass du nur Lagertha und Ubbe umbringen brauchst um König zu werden?" Hvitserk blieb stehen und sah mich ungläubig an. Das fahle Mondlicht schimmerte auf seiner Haut. "Nein, natürlich nicht. Ich könnte Ubbe niemals umbringen!" Er kickte einen Stein zur Seite und ging langsam weiter.

"Außerdem, ich wäre ein schlechter König." Er grinste mich an und ich lächelte zurück. Wir näherten uns den Docks. Das Mondlicht spiegelte sich glitzernd im Wasser. Immer wenn sich ein Schiff bewegte, knarrte es leise. Ich atmete den salzigen Geruch des Meeres ein. Ich hätte immer hier stehen und den Wellen zuschauen können.

"Wir stechen bald zur See.", brach Hvitserk nach einer Weile die Stille. Ich sah ihn an. "Was?"
Er drehte den Kopf zu mir, das trübe Licht warf Schatten auf seine Wangen. "Wir planen schon seit längerer Zeit eine Vikingfahrt nach England. Nach Northumbrien zu König Aelle, er hat Ragnar getötet."

Ich schwieg. Ubbe hatte mir vor einigen Tagen erzählt, wie Ragnar in England ums Leben gekommen war, und dass sie sich dafür rächen würden. Doch dass es so bald war, davon hatte er nichts gesagt. Ich schluckte, als mir bewusst wurde, dass ich bald ganz auf mich allein gestellt hier war.

"Niemand weiß davon, nur ein paar Leute sind eingeweiht. Floki zum Beispiel. Deshalb waren wir bei ihm. Aber Lagertha darf nichts davon erfahren, sie würde uns nur aufhalten."

Ich nickte und versuchte seine Worte zu verstehen. "Und wann geht's los?"
Hvitserk sah zum Hinmel hinauf und holte tief Luft. "Beim nächsten Vollmond."
In einem Monat also.

Between Two WorldsWhere stories live. Discover now