Kapitel | 22

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"Mit diesem Opfer werden wir uns für unsere Niederlage in Wessex und der missglückten Rache an unserem Vater entschuldigen! Die Götter werden für uns bürgen!", schrie Ivar und seine Krieger aus Kattegat reckten johlend die Äxte in die Luft.

Der Schreck fuhr mir in die Glieder. Ein Opferfest? Ich sollte den Göttern geopfert werden!? Panisch starrte ich auf die Szene vor mir, Ivar auf seinen schiefen Krücken, der Jarl in seinem pelzigen Gewand. Das konnte nicht real sein! Wetten das war alles nur ein Traum und ich hatte mir die ganze Reise nur vorgestellt! Ich kniff die Augen zusammen und betete zum Himmel, es möge nicht real sein. Doch beim Klang von Ivars Lachen riss ich meine Augen wieder auf. Nein! So durfte es nicht enden! So wollte ich nicht sterben!

Entschlossen starrte ich ins Nichts. Ich würde abhauen, kämpfen wenn es sein musste. Irgendwas! Tränen schossen mir in die Augen. Bloß nicht weinen! Das würde ihm nur noch mehr gefallen! Ich biss mir auf die zitternde Lippe und ballte die Fäuste.
Plötzlich streifte etwas meine Schulter. Hvitserk, der ein paar Schritte auf Ivar zumachte und drohend die gefesselten Hände hob.

"Nein!", rief er und die Menge verstummte. Ivar drehte sich zu ihm um, und sah ihn an als hätte er einen Geist gesehen. "Was?", zischte er.
Hvitserk holte tief Luft. Der Mann, der ihn festgehalten hatte, kam zu ihm gestoplert und packte ihn an den Oberarmen. Doch Hvitserk riss sich ruckartig los.

"Das kannst du nicht machen! Das widerspricht jeglichen Tugenden! Wenn du unbedingt jemanden opfern willst dann nimm mich, aber lass sie in Frieden!"
Meine Augen weiteten sich."Hvitserk nicht!", schrie ich ihn an, aber er ignorierte mich. Der Jarl aus Hedeby sah verwirrt zwischen Ivar und Hvitserk hin und her, als wüsste er nicht ganz, ob das ein Scherz sein sollte.

Ivar hatte seine Fassung wiedergefunden und lachte nun. "Ich soll dich, meinen Bruder opfern?" Seine Stimme triefte vor Ironie.
"Na los", knurrte Hvitserk. "Mach schon."

Hinter mir hörte ich Ubbe murmeln. Ivar schmunzelte und wiegte den Kopf hin und her. "Ich hab ne bessere Idee. Ich schlage einen Zweikampf vor. Wenn du gewinnst Hvitserk, kommt sie frei. Wenn nicht..." er zuckte wie gleichgültig mit den Schultern. "Wenn ich gewinne, werdet ihr beide geopfert!", seine Augen funketeln wie bei einem Wahnsinnigen.

Und ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie er am Anfang so freundlich zu mir gewesen sein konnte. Es war als hätte Ivar zwei Gesichter. Ein Helles und ein Dunkles. Nur anscheinend nahm das Dunkle überhand.
"Ich habe schon oft gegen dich gewonnen!", spuckte Hvitserk aus. Ivar zuckte mit den Schultern. "Dann lass es uns noch einmal testen. Ein letztes Mal."

Ich konnte Hvitserk nur von hinten sehen, aber ich erkannte, dass er sich echt zusammenreißen musste, um nicht aus Ivar loszugehen. Er atmete schwer.
"Hvitserk nicht!", mahnte Ubbe. "Halt du dich da raus!", blaffte Ivar seinen älteren Bruder an. Dann wandte er sich zu Hvitserk. "Also, was ist?"
Ich schluckte, betete wieder zu allen Göttern die ich kannte. Odin, Thor, Frey, Freyja, Njörd, Tyr, Loki, Frigg, Skadi, Baldur und Hel. (Na ja gut, Hel jetzt vielleicht nicht.)

Ich betete, dass sie dass doch irgendwie anders klären konnten, ohne Blutvergießen. Und ich versucht Hvitserk telepatisch ein 'Nein' zu schicken, doch das schien wohl nicht zu funktionieren. All die Magie, die diese Welt umgab, und die mich hergeschickt hatte ließ mich jetzt im Stich, als Hvitserk sagte:
"Ich nehme an!"

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Ohje, meint ihr Hvitserk gewinnt und kann allen beweisen, dass Eivor keine Hexe ist?

Between Two WorldsWhere stories live. Discover now