Kapitel 4

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Man hörte das Gähnen von Eric, noch bevor er in der Küche auftauchte. Er war neben Cale das einzige männliche Wesen im Haus. Ich kannte ihn schon genau so lange wie alle anderen in diesem Haus. Als Kinder sind wir alle zusammen aufgewachsen und vor sieben Jahren bei dem Angriff auf das... unser zu Hause geflohen. Am Anfang hatten wir noch Hilfe von Lucinda, einer der obersten Hexen und Mitglied des Hexenrats der Königin, doch vor zwei Jahren kam sie bei einem Autounfall ums Leben. Wir vermissten sie, mehr als wir es uns eingestehen wollten, denn komplett auf eigenen Beinen zu stehen war nicht gerade einfach. Finanziell brauchten wir uns keine Sorgen machen. Auch wenn Lucinda nicht mehr da war, um uns persönlich zu helfen, hatte sie trotzdem alles dafür getan, dass wir klar kamen und versorgt waren. Und dafür war jeder einzelne von uns ihr dankbar. Mir war wahrscheinlich als einzige klar, dass die oberste Hexe trotzdem nie ganz fortgegangen war. Ich spürte ihren Geist, wann immer wir Hilfe brauchten, oder es einem von uns nicht gut ging. Und manchmal, wenn ich die Geister der Ahnen rief, schickte sie mir Botschaften oder Zeichen, dass egal wie schlimm es auch war, alles wieder in Ordnung kommen würde und ich vertrauen haben sollte. So merkwürdig es vielleicht auch klang, aber ihre Anwesenheit beruhigte einen. Ich vermisste Lucinda.

Als ich den Blick zur Tür richtete, sah ich Eric, wie er in dem Türbogen stehen blieb und sich erst einmal ausgiebig streckte. Er war so groß und breit gebaut, dass er fast den gesamten Türbogen ausfüllte. Hinter ihn nahm ich nur ganz kurz den roten Haarschopf von Felicity wahr, die sich gegen ihren Mate drückte, um in die Küche zu gelangen. Es war äußerst... belustigend mit anzusehen, wie sie sich mit ihrem kleinen Körper gegen ihn zu behaupten versuchte. Mirabella und ich sahen ungläubig zu, bis sich die Aufmerksamkeit der Naturhexe auf eine andere Person richtete. Sage Thompson trat gerade in die Küche. Sie hatte einfach die zweite Tür, die vom Wohnzimmer aus in die Küche führte genommen, anstatt gefühlte Stunden zu warten, bis Eric sich dazu entschied weiterzulaufen. Genau in dem Moment, indem Sage zur Tür hereinkam, machte sich ein riesiges Lächeln auf Mirabellas Gesicht breit. Sie schob ihren Stuhl zurück und lief mit offenen Armen auf Sage zu. Ich beobachtete glücklich, wie sich die beiden innig umarmten und anschließend mit einem Lächeln auf den Lippen küssten. Sage und Mirabella waren seit drei Jahren ein paar, nachdem beide eher durch Zufall herausgefunden hatten, dass sie auf den anderen standen. Sie hatten Angst gehabt, ihre Beziehung öffentlich zu machen, aber wenn ich ehrlich war, waren die beiden tatsächlich die letzten gewesen, die von ihren Gefühlen gewusst hatten. Wir anderen fanden es einfach viel zu offensichtlich, um es nicht bemerken zu können. Aber als die beiden dann doch endlich zusammengefunden hatten, war es einfach nur so unendlich niedlich. Mirabella mit ihrer ruhigen und liebenswürdigen Art stellte das komplette Gegenteil von Sage dar. Bei der Lykanerin fragte ich mich eigentlich ständig, ob nicht doch reiner Sarkasmus durch ihre Adern floss, anstatt Blut. Sie war was das anging, die absolute Meisterin der Ironie und merkwürdigerweise auch die einzige, die sich mit Cale aus Spaß streiten konnte, ohne dass er explodierte.

"Guten Morgen Shaye.", richtete Sage sich kurzer Hand an mich.
"Guten Morgen.", entgegnete ich ihr. "Coole Frisur!" Die Lykanerin begann zu lächeln und zwinkerte frech zu. Ich mochte ihre dunkelbraunen Dreadlocks und wünschte mir manchmal selbst, auch so etwas markantes zu haben, dass mich auszeichnete. Meine Haare waren dunkelbraun, fast schwarz und würde ich sie nicht ständig glätten, hätte ich total hässliche Locken, die mit dem aufgebauschten Fell eines Pudels mithalten konnten. Aber Sage trug seit Jahren ihre Dreads und ich konnte mich eigentlich gar nicht mehr erinnern, was sie mit ihren Haaren davor gemacht hatte, denn es passte einfach zu ihr und ihrem Charakter.
Sage war Lykanerin und absolute Freheitsliebhaberin. Manche würden sie als Freigeist bezeichnen, was - wenn man darüber nachdachte, besser zu ihr passte als Freiheitsliebhaberin. Sie akzeptierte Regeln, aber wie sie immer sagte: nur weil man Regeln akzeptiert, heißt es nicht, dass man sie automatisch befolgt. So war sie einfach. Sarkastisch, frech und absoluter Schokoladenfanatiker. Sobald Schokolade irgendwo dabei war, aß sie es.
"Leute ernsthaft? Jeden Morgen das selbe mit euch.", richtete sie sich an Eric und Felicity. "Langsam bin ich es Leid immer wegen euch einen Umweg durch das Wohnzimmer machen zu müssen. Ab morgen bekomme ich den Umweg von euch bezahlt oder ihr schlaft ab sofort getrennt!" Mirabella und ich verkniffen uns bei dem Anblick von Eric und Felicity ein Lachen. Eric stand mit noch immer nach oben gerichteten Armen da und sah aus, als man ihm angedroht sein liebstes Anhängsel abzuschneiden, während Felicity mit starren Blick auf Sage ihren Kopf an Erics Seite vorbeigeschoben hatte und schlucken musste. Der Lykaner ließ seine Arme sinken und trat endlich in die Küche ein und auch seine Mate fand endlich ihren Weg zu ihrem Stuhl.
"Na geht doch!", sagte Sage zufrieden. "Möchte noch jemand Kaffee?"

Stumm nickten Felicity und Eric, während sie Sage ihre Tassen reichten. Auch ich drückte der Lykanerin meine leere Tasse in die Hand, bevor ich mir einen weiteren Löffel mit Obst und Joghurt in den Mund stopfte. Mirabella verneinte die Frage nach Kaffee und sah mich dann an.
"Ist das nicht schon deine zweite Tasse Kaffee? Du trinkst doch sonst nie so viel."
"Tatsächlich ist es schon mein dritter Kaffee, aber irgendwie brauche ich heute mehr Koffein als sonst.", antwortete ich.
"Shaye, du weißt schon, dass Kaffee dann eigentlich eher die schlechtere Wahl ist oder? Grüner Tee...", begann sie, doch ich ich nickte zustimmend und beendete ihren kleinen Vortrag.
"Grüner Tee eignet sich da viel besser, da das Koffein nicht sofort das Zentralnervensystem erreicht, sondern die Wirkung erst später einsetzt, aber dafür viel länger anhält als bei Kaffee. Ich weiß, ich weiß. Aber ich brauche jetzt Koffein und nicht erst in drei Stunden."
"Schatz, lass ihr einfach ihren Kaffee.", lachte Sage und reichte mir meine nun wieder gefüllte Tasse, die ich dankend annahm.
"Wenigstens eine, die mich bei meiner morgendlichen Koffeinsucht unterstützt."

Sage reichte Eric und Felicity ebenfalls ihre vollen Tassen, bevor sie sich ebenfalls am Tisch niederließ und den Teller, der eigentlich darauf wartete benutzt zu werden, beiseite schob. Mirabella wusste eigentlich, dass Sage nie etwas zum Frühstück, doch sie verteilte auch immer auf ihrem Platz einen der Teller. Das war die Art der Naturhexe Sage zu zeigen, dass sie an sie  dachte und vielleicht doch überredete etwas zu essen.
"Versuchen kann ich es ja wenigstens.", murmelte die Naturhexe und schaufelte sich anschließend einen großen Löffel mit Schokomüsli in den Mund.
"Du versuchst es seit drei Jahren, fast jeden Morgen, und es kommt höchstens mal am Wochenende vor, dass ich etwas frühstücke. Du könntest es also sein lassen mit dem versuchen.", lachte Sage und verteilte einen leichten Kuss auf die Wange ihrer Mate.
"Ich merk schon.", entgegnete Mirabella ihr und drehte sich zu ihr, um ihr einen richtigen Kuss zu geben.
"Ihr seid so widerlich niedlich.", sagte Eric und imitierte Würgegeräusche. Felicity lachte kurz, bevor sie ihrem Freund gegen den Arm boxte. "Aua!"
"Sei froh, dass nur ich dich geboxt habe und nicht Sage!", erwiderte Felicity und klaute Eric eine Erdbeere vom Teller. Die rothaarige liebte frische Erdbeeren und hasste es innerlich, wenn wir uns auch von ihnen bedienten, aber sie sagte trotzdem nie etwas dagegen.
"Ey! Das war meine!", jammerte er.
"Tja, jetzt nicht mehr." Seine Mate streckte ihm die Zunge entgegen und biss anschließend genüsslich von der Erdbeere ab. Ich hätte gerne gesagt, dass solche gemeinsamen Morgen eher die Ausnahmen waren, aber genau das waren sie nicht. Ich selbst verstand nie ganz, wie die anderen schon so früh.... gut drauf sein konnten, bis mir dann wieder einfiel, dass ich ja diejenige war, die sich ständig mit Albträumen und schlaflosen Nächten plagen musste. Nicht nur meine Psyche schien kaputt sonder ich im allgemeinen...
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Hallo ihr Lieben ❤

Ich hab ganz ganz lange nach passenden Bildern auf Pinterest gesucht und ich habe, wie ihr schon bei den letzten zwei Kapiteln gesehen habt, die passenden Personen gefunden. Ich weiß, dass sich jeder die Chataktere anders vorstellt, aber so, wie ihr sie jetzt auf den Fotos seht, sehen die Charaktere für mich aus. 🙈

Trotzdem würde es mich interessieren, wie ihr sie euch vorstellt, bzw. ob meine Vorstellung sich stark von eurer unterscheidet.😊🍁

Mit ganz lieben Grüßen

Jessy🍁

Dark Blood - Band 1 (Pausiert)Where stories live. Discover now