Kapitel 19

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Ich spürte Cale's Blick auf mir, als Astor und ich auf den Matten standen. Ich konnte gerade selbst nicht ganz glauben, dass ich das tat. Trotzdem bekam ich leicht Angst. Immerhin stand ich Astor gegenüber. Wäre es Hunter gewesen, wäre es leichter. Seine Schläge waren eher vorherzusehen und er war auch nicht so kaltblütig und voll roher Gewalt im Kampf wie Astor.
"Du brauchst das nicht machen.", meinte er und kam etwas auf mich zu, um mir Fäustlinge zu geben, damit ich mir meine Fingerknöchel nicht brach. Dankend nahm ich die schwarzen Dinger an und zog sie mir über.
"Angst, ein Mädchen könnte dich besiegen?", scherzte ich, um meine Nervosität herunter zu spielen.
"Nein, aber du solltest das aus den richtigen Gründen tun.", entgegnete er und sah mich an. "Oder willst du deinen Freund so sehr ärgern, dass du dich freiwillig von mir verprügeln lässt?"
"Er ist nicht mein Freund.", antwortete ich und ging in Position. "Aber ja, so ungefähr, nur dass ich mich von dir nicht verprügeln lasse, mein Lieber." Astor lachte auf.
"Na dann ist ja gut."

Mit einem Mal ging er auf mich los und ich hatte kaum Zeit anders zu reagieren als mich nach nach links wegzudrehen. Mein Herzschlag beschleunigte sich mit einem Mal und mein Puls schoss in die Höhe. Ich spürte wie mein Körper Adrenalin ausschüttete und es war ein fantastisches Gefühl. Astor ging wieder auf mich los, nur dieses Mal blockte ich seine Schläge ab. Immer öfter versuchte er mich zu treffen, aber irgendwie bekam ich es hin, schneller als er zu sein. Ich blendete alles und jeden um uns herum aus. Gerade gab es nur ihn und mich. Die Welt existierte für diesen Moment nicht mehr. Ich bekam einen Schlag ab, der so heftig war, das ich einige Schritte zurück wich. Der Jäger wartete einen Augenblick. Fixierte mich. Ich schloss die Augen für einen winzigen Moment, Atmete tief ein und dann ging ich auf ihn los. Heftig. Schnell. Immer mehr Schläge platzierte ich auf seinem Körper. Ich drängte ihn immer weiter zurück und irgendwann passierte es automatisch, dass ich mich drehte und mit den Beinen arbeitete. Astor wusste nicht recht, was passierte, doch dann fing er meine Faust ab, doch schneller als er etwas tun konnte, ließ ich mich nach unten sinken und nickte ihm die Beine weg. Er fiel mit einem kräftigen, dumpfen Laut auf dem Boden auf. Ich ließ ihn aufstehen, doch ich gab ihm keine Zeit zum Durchatmen. Er setzte für einige Schläge an, manche erwischten mich heftig, doch den meisten konnte ich ausweichen. Es war wie ein Kampf um Leben und Tod.

Schweiß rann meine Stirn hinunter und wir beide mussten schlimm aussehen. Er hatte mich im Gesicht erwischt und die Stelle an meinem Wangenknochen brannte heftig, doch ich machte weiter. Immer aggressiver schlugen wir aufeinander ein, doch mit einem Mal schaffte ich es, ihn mit dem Fuß zu treffen und fiel auf die Matte, doch irgendwie bekam er es hin, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen und ich fiel. Halb auf die Matte, halb auf ihn. Meine linke Seite schmerzte und ich bekam mit, wie Astor nach Luft rang.
"Okay, hört auf, das reicht!", schritt Hunter ein und er klang ehrlich aufgebracht. "Verdammt nochmal, ihr bringt euch ja fast um." Ich nickte und mein Atem ging heftig. Astor lag noch immer unter mir und sah mich völlig fertig an. Aber etwas in seinem Blick, verwirrte mich. Nur schwerfällig gelang es mir aufzustehen. Alles schmerzte, doch ich reichte dem jüngeren Bruder die Hand, um ihn beim aufstehen zu Helfen. Nur mühsam raffte er sich auf. Sein Atem war immer noch schnell, doch langsam bekam er Ruhe hinein.
"Tut mir leid, falls ich dich zu heftig getroffen haben sollte.", entschuldigte ich mich und sah ihn an. Er trat einen Schritt weiter zu mir, sodass ich fast spüren konnte, wie sich seine Brust stark hob und sank.
"Entschuldige dich nie bei mir, wenn du besser bist als ich.", meinte er, doch ich hatte ihn wirklich schlimm zugerichtet. Ich sah ihn trotzdem weiter entschuldigend an. Auch wenn ich die beiden Brüder alles andere als mochte, aber so brutal wie ich ihn auch getroffen hatte, hatte er trotzdem nicht verdient. Ich hatte selbst überhaupt nicht erwartet, mit so viel Aggression zu kämpfen. "Shaye, mir geht's gut, keine Sorge." Seine Stimme war mehr ein flüstern. Er wollte noch etwas sagen, aber dann kniff er die Augen etwas zusammen und legte vorsichtig die Finger an mein Kinn, um meinen Kopf leicht zur Seite zu drehen.

"Fuck!", stieß er aus. "Das muss dringend gekühlt werden." Ich widersprach nicht. Meine linke Wange tat höllisch weh und pochte. Mal ganz abgesehen von der Hitze, die mich an dieser Stelle überkam. Das würde mit Garantie ein blauer Fleck werden. Ein Knurren war zu hören und Astor ließ seine Hand sinken. Ich seufzte und zog die Fäustlinge aus.
"Dafür, dass ihr kein Paar seid, ist er ziemlich... besitzergreifend.", meinte Astor und ich brauchte mich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er und Cale sich anstarrten. Nur wer wen zuerst töten würde, war wohl die Frage.
"Er hat einen ziemlichen Beschützer-Komplex.", meinte ich und gab Astor die Fäustlinge zurück.
"Nicht nur er.", kam es von ihm. Ich brauchte eine Sekunde, um herauszufinden, was ich wohl antworten sollte. Aber ich beließ es einfach dabei.
"Danke für den Kampf.", sagte ich und verließ die Matten.
"Gerne doch."
Ohne Cale oder Hunter anzusehen, lief ich auf die Tür zu  und weiter zu den Umkleiden. Ich stieß sie auf und ließ mich gegen die geschlossene Tür sinken. Ruhe. Ich wusste gerade nicht, was los war, aber ich brauchte einfach Ruhe. Ich atmete tief ein und aus und wartete einen Moment, bis sich mein Herzschlag wieder beruhigt hatte. Ich ging zu meinem kleinen Spind, indem ich meine Sachen hatte und nahm mir das graue Handtuch heraus.

Ich wusch mir gerade das Gesicht mit eisig kaltem Wasser, als die Tür aufging und Sage hereinkam. Vorsichtig trocknete ich mein Gesicht. Ich traute mich gar nicht in den Spiegel zu sehen. Mir war klar, wie fürchterlich ich aussehen musste.
"Hier!", sagte Sage und reichte mir ein Kühlpad. "Deine Schuhe holt Mirabella."
Ich drückte das medizinische Kühlpad an meine schmerzende Wange und atmete zischend ein. Verdammt, das tat weh. Erst hetzt fiel mir auf, das ich nur in Socken auf dem Boden der Umkleide stand.
"Alles okay bei dir?", erkundigte sich die Lykanerin. Ich ging mit dem Kühlpad an meine Wange gedrückt zur Bank und ließ mich darauf nieder. Alles tat weh, aber vor allem meine Rippen auf der linken Seite.
"Ja, außer das mir alles weh tut.", antwortete ich. "Irgendwie ist das gerade etwas...."
"Eskaliert? Aus dem Ruder gelaufen?"
"Ja."
"Verdammt Shaye, dass hätte auch tierisch schief gehen können. Du kannst froh sein, dass ihr euch gegenseitig nicht umgebracht habt. Wie lebensmüde bist du eigentlich?", wollte Sage wissen, doch ich hatte keine Antwort darauf. "Du musst besser aufpassen. Shaye, du hattest gerade heute morgen erst eine riesige Auseinandersetzung mit Cale, da musst du die nächste doch nicht gleich heraufbeschwören. Weißt du wie außer sich er ist vor Wut?"
"Tut mir leid."

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Dark Blood - Band 1 (Pausiert)Where stories live. Discover now