1 - Der Kürbisfluch

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Ein merkwürdiger Geruch liegt im kleinen und beschauliche Ehernweiler in der Luft. Halloween auf dem Land ist wahrlich nichts für schwache Gemüter ... und womöglich sollte man stets ein offenes Auge haben beim Kürbiskauf.

Damit begrüße ich dich sehr herzlich zum diesjährigen Halloweencountdown. Auch in diesem Jahr hoffen wir, direine gehörige Gänsehaut verschaffen zu können. Zwanzig Geschichten warten bis Halloween auf dich - zwanzig unglaubliche Erzählungen, zwanzig Legenden und Sagen, zwanzig Geschichten, die nachts den Schlaf rauben und womöglich die Frage aufwerfen, ob sie nicht einen wahren Kern haben.
Ich wünsche dir ein gutes Gruseln!
Bloody Mally

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Für Halloween war es ziemlich warm, musste man sagen. Ich musste meine Windjacke abstreifen, als wir die Fahrräder am Wegrand abstellten, und band sie mir mit den Ärmeln um die Hüften. Mit den Fingern streifte ich die leicht verschwitzte Kopfhaut, als ich mir die Haare zurückstrich und sie zu einem Pferdeschwanz zusammenband. Annika klappte den Ständer ihres Rads (eigentlich war es Mamas, das sie sich ausgeliehen hatte) herunter und ließ das Schloss mit einem Klicken einrasten. Die beiden Fahrräder standen direkt neben dem alten, leicht verwitterten Schild, auf das mit schwarzer Farbe geschrieben worden war:

Hachmeister Zier- und Speisekürbisse
Frische Kartoffeln, Äpfel und Zwetschgen
Sep-Okt 9-18 Uhr
Hinten in der Scheune

»Meinst du, es gibt noch schöne?«, fragte Annika, während wir den Kiesweg entlang auf das Bauernhofgebäude zu stapften.

»Nah, hier ist jeder Kürbis schön, wir finden hundertpro noch welche«, sagte ich zuversichtlich.

Annika strahlte. »Das ist so aufregend, Elli! Halloween bei uns ist ganz anders, da gehen auch keine Kinder rum und klingeln, und Dekoration gibt es höchstens an den Fenstern«, sagte sie zum hundertsten Mal. »Hier ist es so richtig ... schaurig, ein richtiger Ort, an dem sich in so einer Nacht unheimliche Dinge abspielen.« Sie machte beinahe den Eindruck, am heutigen Abend selbst um die Häuser ziehen zu wollen, und brachte mich somit unwillkürlich zum Schmunzeln. Es war wirklich eine gute Idee gewesen, sie über Allerheiligen hier nach Ehernweiler einzuladen – unser Kaff mochte unheimlich langweilig sein, doch die düstere Stimmung an Halloween konnte man nicht bestreiten. In einer Großstadt wie Frankfurt feierte man Halloween schließlich weitaus weniger schauerlich, und so hatte auch Annika nicht gezögert, das lange Wochenende zu nutzen, um mir einen Besuch abzustatten. Und überhaupt wollte ich schließlich keine Möglichkeit ausschlagen, um meine beste Freundin zu treffen, die so weit weg und in der Großstadt wohnte.

Ein Vogel krächzte auf einem der Bäume, das einzige Geräusch bis auf unsere Schritte.

»Willst du die Geschichte hören, die sich um diesen Hof hier rankt?«, fragte ich.

»Es gibt eine Geschichte?!«, quiekte Annika und ich kicherte, als sie einen kleinen Hüpfer machte.

»Jaja«, sagte ich. »Die Hachmeisters sind landauf, landab bekannt dafür, dass sie die besten Kürbisse verkaufen. Jedes Jahr, schon seit Ewigkeiten, zum Erntedank wird der Preis für den größten und schönsten Kürbis von Ehernweiler verliehen – und jedes Jahr gewannen ihn die Hachmeisters. Die anderen Bauern haben das natürlich nicht bloß mit Wohlwollen hingenommen – einige haben ihnen eine Menge Missgunst entgegengebracht. Vor dreißig Jahren, sagt man sich, als die alte Ilse aus der Steinwaldallee noch gelebt hat, da züchtete sie den schönsten und wunderbarsten Kürbis, den man sich vorstellen kann. Stolz trug sie ihn zum Wettbewerb ... nur um zu sehen, dass die Hachmeisters einen noch schöneren und noch größeren Kürbis zur Schau trugen. Sie war so wütend, dass sie die Familie mit einem Fluch belegte. Dreizehn Jahre sollte sie kein guter Kürbis mehr auf ihrem Boden heranwachsen. Und so wie sie es sagte, geschah es – jeder Kürbis, der gepflanzt wurde, verfaulte auf dem Acker, Insekten befielen die schönen Stücke und bald konnten die Hachmeisters nur noch faulige, furchtbare Pflanzen zum Wettbewerb bringen.«

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisWhere stories live. Discover now