15 - Schwarzer Hund

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Ich wünsche euch ein schönes und schauriges Wochenende, meine Lieben! Die heutige Geschichte beschäftigt sich mit einem mysteriösen Mord im viktorianischen London. Ich wünsche euch ein gutes Gruseln!
Bloody Mally

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London, England, 1846

Ein schwarzer Hund sprang kläffend vor dem Stadthaus der Murdwoods hin und her. In den Wipfeln der Bäume hing die Dämmerung. Kühler, herbstlicher Wind wehte die Ahorn- und Kastanienblätter, die in den Rinnstein gefallen waren, über die nasse Straße. Eine Ausgabe von The Times flatterte auf dem Gehweg, fortgeweht oder fallen gelassen. Halb bedeckt von Schmutz war darauf eine Schlagzeile zu lesen – dieselbe, die auch von den Zeitungsjungen die Straße hinab gebrüllt wurde: Tote in Brunnenschacht gefunden, bestialisch ermordet – City of London Police sucht nach Hinweisen.

Der Hund bellte noch immer. Er hatte rabenschwarzes Fell und böse Augen, die das Grau der Straße zu verschlucken schienen. Kläffend stellte er seine Reißzähne zur Schau, das Rückenfell bedrohlich gesträubt.

Der kleine Thomas Murdwood, der am Fenster unten im Salon saß, beobachtete das Tier bereits seit geraumer Zeit mit zur Seite geneigtem Kopf, die kleinen Arme auf der Rückenlehne des Sofas abgelegt und das Kinn darauf gestützt. Die kleine Schwester des Jungen, Rachel, saß auf dem Boden und kämmte ihrer Spielzeugpuppe das braune Haar.

»Imogen, warum bellt der Hund die ganze Zeit unser Haus an?«, fragte Tom und drehte sich um.

Imogen Darnay, seine Gouvernante, welche sich in einem Ohrensessel vor dem Kamin niedergelassen hatte und in einer Ausgabe von The Times las, ließ die Zeitung sinken und bedachte ihn mit einem gleichmütigen Blick. »Das weiß ich nicht«, sagte sie. »Womöglich riecht er den Braten, den es heute Abend geben wird?«

Tom ließ sich vom Sofa gleiten und trat auf die Gouvernante zu. »Ich weiß nicht«, sagte der Neunjährige. »Ein schwarzer Hund heißt doch, das was Schlimmes passiert! Ich hab solche Geschichten gelesen.«

Imogen bedachte den kleinen, blonden Jungen mit einem wohlwollenden Blick. Dann schaute sie zu Rachel, die auf dem Teppich leise murmelte und ihre Puppe über den Boden laufen ließ. Schließlich sah sie wieder zum kleinen Tom. »Das ist ein Straßenhund. Ich bin eine abergläubische Frau, aber das ist tatsächlich bloß ein Straßenhund. Siehst du nicht sein struppiges Fell? Und er trägt kein Halsband. Wenn er wahrlich ein böses Omen wäre, dann würde er bei Nacht kommen, und er hätte rotglühende Augen.«

»Ich hab solche Geschichten gelesen!«, beharrte der Kleine erneut und die Gouvernante ließ die Zeitung, in der sie gerade hatte weiterlesen wollen, wieder sinken. »Gruselige Geschichten über böse Gestalten. Sagen nicht manche, dass der Tod da lauert, wo ein schwarzer Hund ist?«

»Ja, einige«, sagte Imogen. »Aber in den meisten Fällen ist ein schwarzer Hund einfach nur ein schwarzer Hund.« Damit hob sie die Zeitung wieder und beendete das Gespräch.

Es raschelte und die Zeitung dellte ein, als Tom mit dem Finger auf eine Stelle deutete. »To... te in B-bruunenschacht gefuunden«, las er laut vor. »Bru...«

Imogen schlug die Zeitung hinunter. »Möchtest du nicht etwas lesen, was eher deinen Altersanforderungen entspricht?«

Von draußen erklangen Geräusche – ein Fluchen, Knurren, dann wieder das Bellen. Tom und Imogen reckten beide die Köpfe, um zu sehen, woher der Aufruhr stammte. Sie entdeckten eine Kutsche vor der Haustüre, aus der Mr. und Mrs. Murdwood, die Hausbesitzer und Eltern der beiden Kinder, gestiegen waren. Lady Charleen war nach hinten gewichen, als der Hund auf sie zugesprungen war. Als Henry versucht hatte, den Köter von ihr fortzujagen, war dieser vorgesprungen und hatte den Gentleman in die Hand gebissen.

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisWhere stories live. Discover now