16 - Doppelgänger

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Hallo da draußen :)

Heute geht es um die merkwürdige, nächtliche Begegnung eines Uber-Fahrers. Ich wünsche euch eine gruselige Nacht und hoffe, ihr seid alle schon ein wenig in Halloween-Stimmung! :D

- Nosferajul


Ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Es war zwei Uhr morgens, und ich fuhr mit meinem abgenutzten Gebrauchtwagen durch die Straßen von Mexico-City.

Ich war zwar schon seit über sechs Jahren als Taxi-Fahrer in dieser Stadt beschäftigt gewesen, aber heute Nacht arbeitete ich nicht mehr führ ein schickes Taxi-Unternehmen in den reicheren Vierteln der Stadt, sondern war stattdessen auf einer meiner ersten Fahrten als Uber-Fahrer unterwegs.

Ich wusste nicht genau, was ich von der ganzen Sache hielt. Für so eine Smartphone-App zu arbeiten war schon etwas Anderes, und bis vor ein paar Monaten wusste ich auch noch nicht einmal genau, wie solche Apps funktionieren. Aber im Grunde genommen war der Job nicht groß kompizierter, als bisher. Da ich vor kurzem meine Festanstellung bei meiner alten Taxi-Firma verloren hatte, jetzt nur noch teilzeitig dort arbeiten konnte und mir nicht mal mehr sicher sein konnte, dass die Firma nicht sehr bald pleite gehen würde, machte es für mich Sinn, mir einen zweiten Job zu suchen.

Ich war 26 Jahre alt, und meine Verlobte Nadia und ich wollten eigentlich gern bald ein Haus kaufen. Ich wusste, dass ihre Familie Bedenken wegen unserer Verlobung hatte, weil ich ja gerade erst meine Jobsicherheit verloren hatte. Aber ich wollte ihr unbedingt das schönste, fantastischste Haus kaufen, dass sich finden lies, und dann würden ihre Verwandten sicher schnell auf meiner Seite sein. Nadia war mir unglaublich wichtig, also störte es mich auch nicht, in den nächsten Monaten etwas mehr zu arbeiten, um uns unseren Traum zu ermöglichen.

Heute Nacht jedoch war ich nervös. Die Gegenden, durch die ich fuhr, waren mir weder ganz vertraut, noch geheuer. Die Müdigkeit nagte an mir, und ich stellte im Minutentakt das Radio lauter oder fummelte an der Klimanlage herum, um mir etwas zu tun zu geben. Ich hatte schon seit fast zwei Stunden keinen Fahrgast mehr gehabt, und war drauf und dran, für heute Nacht mit dem Fahren Schluss zu machen und Heim zu kehren. Doch da poppte auf meinem Bildschirm plötzlich doch noch ein Name auf, ein junger Mann, der wollte, dass ich ihn aus einer der etwas unsichereren Gegenden der Stadt abholte, nicht fern von hier. Sein Standort war der Parkplatz eines Supermarktes, der mir bekannt vorkam, und ich machte mich auf den Weg zu ihm.

„Mario?", fragte ich, als ich den Jungen ganz allein und mit abwesendem Blick auf dem Parkplatz stehen sah. Niemand sonst war hier, nur dieser Kerl, der um die achtzehn, neunzehn sein musste, und mich auf meine Worte hin verwirrt durch das offene Autofenster hindurch anstarrte. „Bist du Mario?", wollte ich wissen, und der Junge nickte langsam.

„Na dann, komm rein.", sagte ich, und versuchte, freundlich zu klingen. Irgendwie war mir der Typ zwar nicht ganz geheuer, aber ich war dennoch froh, heute Nacht doch noch einen weiteren Kunden zu haben. Mario war ziemlich blass, das kurzärmlige Hemd, dass er trug, sah dreckig und etwas verschwitzt aus. Er hatte dunkle Ringe unter seinen Augen, seine Lippen waren einen Spalt weit geöffnet, und sahen ungewöhnlich grau und trocken aus. Ich wunderte mich, ob der Typ unter irgendwelchen Drogen stand.

„Wo fahren wir hin?", fragte er, nach ein paar Minuten Fahrt, und ich stutzte.

„Auf der App hieß es, du musst nach Tepito. Ist das nicht so?", entgegnete ich, und musterte ihn von der Seite aus. Manchmal mochte ich es, wenn Passagiere sich neben mich auf den Beifahrersitz setzten, aber ab und zu wünschte ich mir auch, jemand würde stattdessen nach hinten gehen, und mir vorn im Auto ein wenig mehr Freiraum lassen.

„Ich... Ich weiß nicht.", antwortete der junge Mann, und ich machte mir Sorgen, er könnte tatsächlich unter Drogeneinfluss stehen. Irgendwas mit diesem Jugendlichen war ganz und gar nicht richtig.

„Nun, vielleicht hat ein Freund die Adresse für dich auf deinem Handy eingegeben?", fragte ich. „Vielleicht wollte dir jemand helfen? Muss bei euch wohl 'ne lange Nacht gewesen sein. Habt ihr Party gemacht?"

Er nickte erst, schüttelte dann aber den Kopf. Ich beschloss, ihn nicht noch länger krampfhaft in ein Gespräch verwickeln zu wollen, und einfach weiter zu fahren.

Ein paar Minuten später erreichten wir die Adresse, die Mario mir genannt hatte. Wir standen in mitten einer Reihe von heruntergekommenen Lagerhallen. Ich wusste, dass manche Leute solche Lagerhallen mieteten, und auch, dass viele Leute die kleinen Garagen auch gern heimlich als Wohnungen untervermieteten. Also war es nicht vollkommen merkwürdig, dass wir hier waren.

Dennoch, je länger ich mich in diesen Teilen der Stadt aufhielt, und dann auch noch nachts, desto unwohler fühlte ich mich. Ich wusste, wie leicht man überfallen werden konnte, und wie sehr Schwarzmärkte für alles Mögliche hier boomten. Deshalb beschloss ich, nachdem Mario ausgestiegen war, schnell nach Hause zu fahren.

Mehrere Wochen vergingen, und ich hatte mit vielen skurillen Menschen zu tun, in meinem neuen Fahrjob. Deswegen hatte ich den stummen, etwas unheimlichen Mario bald vergessen. Aber irgendwann, einen Monat später oder so, hörte ich bei der Arbeit in meinem Taxi-Unternehmen eine seltsame Geschichte.

„Also, dieser Typ war sich total sicher! Hat beim Namen seiner Mutter geschworen, dass er diesen Mario Hernandez-Gomez schon fünf Mal oder so bei sich im Auto hatte! Und kannte die richtige Adresse, und alles. Einfach nur verrückt, Gottes Wege sind wahrlich unergründlich."

„Entschuldige, mein Freund, aber was sagst du da?", mischte ich mich ins Gespräch meiner beiden Kollegen ein, die gerade Kaffee tranken.

Mein Kollege erzählte mir, dass man in dem Stadtviertel, in dem ich manchmal als Uber-Fahrer unterwegs war, eine besonders entstellte Mordszene in einer Lagerhalle vorgefunden hatte. Ein junger Kerl namens Mario Hernandez-Gomez war nach einer Party brutal verprügelt, und anschließend erschossen worden. Das seltsame war, dass mehrere befreundete Taxi-Fahrer meines Kollegen schworen, den gleichen jungen Mann bereits mehrfach bei sich im Auto gehabt zu haben, in letzter Zeit. Das war offenbar wohl auch, wie man seine Leiche überhaupt erst entdeckt hatte: Durch einen Taxi-Fahrer, der ihn nach Hause gebracht haben wollte, zufällig aber einen besonders starken Geruch von Verwesung vor der Lagerhalle bemerkt hatte, und sicherheitshalber die Polizei alamiert hatte.

Der selbe junge Mann, den er eben noch im Auto gehabt zu haben behauptete, hatte sich als seit mehreren Monaten tot heraus gestellt. Das alles machte absolut keinen Sinn, vorausgestzt natürlich, man glaubte nicht an Geister, Doppelgänger, oder ähnlich übermenschliche Erscheinungen.

Die Geschichte klang so seltsam für mich, und hatte auch so etwas unbehaglich bekanntes an sich, dass ich meinen Kollegen immer mehr Fragen über die ganze Sache stellte. Schließlich schickte er mir einen Link, in dem der vollständige Zeitungsartikel über den Fall zu finden war. Mit Fotos des Toten, und allem...

Ich konnte spüren, wie etwas an meiner Erinnerung rüttelte... Ich hatte diesen Jungen doch schon mal gesehen, oder nicht? Es musste so sein... Und der Name, Mario... Auch der kam mir sehr bekannt vor.

Mit einem Schaudern fiel mir plötzlich wieder ein, wo ich diesen Jungen schon mal gesehen hatte. Und, was vor allem noch wichtiger war, wann. Er war vor all diesen Monaten gestorben... So lange arbeitete ich doch noch gar nicht als Uber-Fahrer...

Bis heute bete ich jede Nacht, in der ich durch die dunklen Straßen fahre, dass mir nichts geschehen möge.

Und ich hoffe bitterlich, dass ich nicht noch einmal jenem jungen Mann über den Weg laufe, oder ähnlichen Wiedergängern. Mag sein, dass man mich abergläubisch nennen mag, doch ich weiß, was ich gesehen habe.

- Ende. -

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisWhere stories live. Discover now