2 - Poltergeist

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Hallo ihr Kreaturen der Finsternis,

auch von mir ein schauriges Willkommen im diesjährigen Countdown. :) Hoffentlich bereitet er euch genauso viel Vorfreude auf die gruselige Zeit im Jahr, wie uns. Vielen Dank für's Lesen, und haltet Augen und Ohren offen, denn man weiß nie genau, was um uns her lauern mag. Vor allem, wenn die Tage kürzer und die Geschehnisse seltsamer werden...

Eine unheimlich gute Nacht euch allen!

- Nosferajul

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Es wurde langsam dunkel draußen, und Mia war klar, dass es heute Nacht stürmen würde. Ein wenig zersplittertes Laub wehte gegen die Fensterscheibe, wie von Staubsauger-Lärm getrieben.

„Fängst du jetzt endlich mal an zu schneiden? Oder willst du hier noch ewig rum stehen?", murmelte Hanna mit einem Grinsen, und warf ihrer Cousine im Spiegel einen Blick zu. Mia lachte und ließ die Schere sinken.

„Jetzt hetz mich nicht, okay? Ich will einfach nur sicher gehen, dass ich auch den richtigen Winkel erwische."

„Den richtigen Winkel gibt's eigentlich nicht", meinte Hanna nur. Das blassgrüne Handtuch, dass Mia mit einer Wäscheklammer um ihre Schultern befestigt hatte, verrutschte ein wenig. „Egal was du machst, schlimmer als jetzt gerade kann es eigentlich nicht mehr werden."

Das stimmte leider, wie Mia blöderweise zugeben musste. Sie holte noch einmal tief Luft, warf einen kurzen Blick nach draußen, wo die Äste noch immer kratzend gegen die Häuserwänd brausten, und begann zu schneiden. Letzte Nacht hatte ihre 'kleine' Cousine Hanna sich zum ersten Mal auf einer Party richtig betrunken, und war dann bei einer Art Trinkspiel dazu aufgefordert worden, sich selbst spontan die Haare zu schneiden. Viel war dabei zwar nicht abgekommen, aber es war alles irgendwie schief und sah wirklich nicht schön aus.

Hanna war normalerweise eigentlich nie so drauf, aber seit sie vor kurzem 16 geworden war, traute sie sich alle möglichen verrückten Sachen. Sie war ein bisschen rebellischer als früher, oder vielleicht kam es Mia auch nur so vor, weil sich die beiden mittlerweile nur noch so selten sahen.

Mia war jetzt 19, Mathe-Studentin, und eigentlich in einer Tour am Lernen. Sie hatte ein paar Freunde in der Uni, aber verbrachte nur wenig Zeit außerhalb der Kurse oder Mittagspausen mit der Gruppe. Die kleine Wohnung am Stadtrand, in die sie letzten Sommer gezogen war, war gerade groß genug um sich ab und zu ziemlich allein zu fühlen. Aber alles in allem fühlte sie sich wohl, vor allem, wenn Hanna am Wochenende vorbeikam. Die beiden Cousinen hatten sich schon immer nah gestanden, und Mia hoffte sehr, dass das so bleiben würde.

„Ich finde, du solltest dir einfach eine Katze oder so holen." Sagte Hanna oft, wenn sie da war. „Oder einen Hasen. Die sind ganz leise, da merkt das doch keiner, dass du hier ein Haustier hast."

„Ja, nee, ist schon klar.", entgegnete Mia dann immer, „Aber Frau Bern ist echt nett, und ich will mich einfach lieber an ihre Regeln halten, verstehst du?"

Hanna verstand das allerdings nie wirklich. „Als ob die das mitkriegen würde. Deine Vermieterin ist so alt, die würde es bestimmt nicht mal merken wenn du hier unten einen Kampfhund hättest."

Frau Bern war tatsächlich ziemlich alt. Mit ihrer rauen, tiefen Stimme hatte sie die Ausstrahlung einer Kirmes-Wahrsagerin, und sie hatte auch ein sehr herzliches Gesicht. Sie war so freundlich und gutmütig, es tat Mia immer leid tat, dass Frau Bern keine Enkelkinder hatte, und ihre Kinder wohnten beide weiter weg. Wenn Mia ihre Vermieterin auf dem Flur traf, unterhielten sie sich oft ein wenig, und ein paar Mal war sie schon bei der alten Dame zum Tee eingeladen worden. In letzter Zeit jedoch hatte Mia sie nur selten zu Gesicht bekommen. Hoffentlich war Frau Bern nicht einsam.

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisWhere stories live. Discover now