9 - Fremde Fährmänner

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Wer mich kennt, weiß, dass ich ohne meine Schiffe nicht lange klarkomme. Deswegen kann es nicht anders sein: Hier kommt eine Geschichte, die auf hoher See spielt :3 Ich hoffe, sie jagt euch einen Schauer über den Rücken!
Schaurigen Sonntag,
Eure Bloody Mally

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Ostseekanal zwischen Borkum und Emden, Preußisches Territorium, 1752

Dicke Nebelschwaden waberten über die finstere, rauschende See. Der Wind heulte, pfiff durch Ritzen im Holz und spülte Meeresgeruch in die Nase, machte die Lippen feucht und klebrig vom Salz. Keine Möwe schrie, kein Laut vermochte die rauschende Stille zu durchbrechen, dem Gesang der nächtlichen See Einhalt zu gebieten. Kalt schlugen die Wellen gegen den Bug der Karavelle, die furchtlos und mit stoischer Ruhe durch das schwarze Wasser glitt. Diese, so wusste Hinnerk, der Kapitän des Fährschiffs, war eine Nacht, in der man besser die Tür verriegeln und die Fenster verschließen sollte. Stattdessen zog er seinen dicken Mantel enger um den alternden Körper, schob sich ein wenig Kautabak in den Mund und steuerte seine Karavelle weiter über die stürmende See.

Auch einige andere Personen waren an diesem dunkelnden Abend auf dem Fährschiff zugegen, das zwischen Borkum und Emden das Wasser durchkreuzte. Gut zwanzig Matrosen, allesamt Anverwandte oder Bekannte Hinnerks, denn das Fährschiff war eine Art Familienbetrieb, hielten das Schiff auf Kurs. Der schlaksige, sommersprossige Jorin, zweitjüngster Sohn des Kapitäns, liebäugelte gerade mit einer jungen Dame in flatterndem Chemisekleid und einem kastanienbraunen Caraco. Sie trug einen Männerhut, um sich vor dem Wind zu schützen. In den Händen hielt sie Poes Der Bericht des Arthur Gordon Pym – eine schaurige Seefahrergeschichte, die sie sich zugelegt hatte, um sich die Zeit bei ihrer Großmama auf der Insel zu vertreiben.

Marika van Reeden stammte aus gutem Hause, ihr Vater war Kaufmann und investierte seit deren Gründung im letzten Jahr in die Emder Ostasiatische Handelskompanie. Die junge Dame war ein wenig traurig gestimmt, dass sie die Woche von Allerheiligen, in welchen sie den Toten ihrer Familie gedachten, nicht mit ihrem lieben Herrn Vater verbringen sollte. Auch ihre gute Mutter war daheim geblieben. Nur ihr älterer Bruder Claas waren bei ihr, um mit ihr auf ihr trautes Borkum zu reisen, die Heimat ihrer Familie, um die Großmama zu besuchen.

Und als wäre das nicht betrüblich genug gewesen, hatten sie auch noch das Fährschiff verpasst, für das sie eigentlich angemeldet gewesen waren. Glücklicherweise waren sie auf dieses kleinere gestoßen, dass sie trotz der hereinbrechenden Nacht noch übersetzen würde. Mit dem lieben Lächeln Marikas und dem überzeugten Geldbeutel des Bruders war es ihnen gelungen, den Kapitän trotz seiner Befürchtungen von der Überfahrt zu überzeugen. Heute ist eine Nacht, junge Maid, da sollte man besser die Tür verriegeln und die Fenster verschließen. Man soll sich nicht mit fremdem Fährmännern abgeben. Aber wenn sie heute nicht mehr auf der Insel ankamen, sorgte ihre Großmama sich womöglich schrecklich, und am Schluss erlitt sie noch einen Herzanfall! Nicht auszudenken! Da segelten sie lieber auf den dunklen Wellen, des Nachts, im Nebel.

Claas fürchtete sich vor unchristlichen Gestalten hier an der frischen Luft, worüber Marika bloß lachte. Er fürchtete sich auch vor dem rauen Wind, doch Marika, die ein Tuch um die Schultern gebunden hatte, empfand auch keine Angst vor den stürmischen Böen. Voll Neugierde lauschte sie den Worten des jungen Matrosen:

»Also, gute Maid«, sagte Jorin. »Wenn der Käpten, das ist mein Vader, wollt ich noch sagen, wenn der ruft, Klar zum Wenden!, dann machen wir den Vorschoter bereit, dann – Ree!, ruft er – dann luven wir an und gehen über den Stag. Und wenn einer ruft Fock über!, dann gibt das Boot kein' Vortrieb mehr. Da muss man warten, bis das Großsegel wieder steht, dann kann man den Kurs halten. Steihst du?«

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisOnde histórias criam vida. Descubra agora