17 - Friedhofsbesucher

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Guten Abend meine Lieben!
Dies ist schon meine vorletzte Geschichte und ich kann kaum glauben, dass es so schnell vorübergegangen ist mit dem Countdown! Ich hoffe, ich habt schon Pläne für Halloween :3
Die Geschichte ist nicht ganz so gruselig, aber vielleicht gefällt sie euch ja dennoch!
Eure Bloody Mally

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Der Friedhof gab ihr stets ein beruhigendes Gefühl.

Eigentlich war das merkwürdig. Früher hatte ihr der Friedhof immer Unbehagen bereitet – das Flüstern der Äste des angrenzenden Waldes im sanften Wind, die Schatten, die das Blätterdach über die Grabsteine und Kerzen warf, das leichte Flackern der Dochte. Der Friedhof lag abgelegen, ein Stück weg von der nächsten Wohnsiedlung, wo es ganz finster war. Kaum jemand war hier nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs. Einmal, da war sie höchstens acht gewesen, waren sie an ihrem Geburtstag für eine Nachtwanderung auf den Friedhof gegangen. Die kleinen Mädchen hatten sich kichernd einander gedrängt und geschrien, als ihr Papa sie von hinter den Grabsteinen erschreckt hatte.

Lydia ging vor dem Grab in die Hocke und pflückte den Blumenstrauß aus der in die Platte eingelassenen Vase. Die Blüten, Hortensien, Gerbera und ein paar kleine Kamillenblüten, waren trocken und verwelkt. Mit der Gießkanne füllte sie die Vase mit frischem Wasser, ehe sie den neuen Strauß hineinstellte. Schließlich strich sie die Herbstblätter fort, die auf die Grabplatte herabgeregnet waren. Ihr Blick legte sich auf die Inschrift auf dem Stein, die von orangefarbenem Sonnuntergangslicht erhellt wurde: Ludger Lüdenscheid, 23.4.1965-14.5.2019. Um den Namen herum standen Blumen, ihr Vater hatte Gartenarbeit geliebt.

Sie konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. Beinahe ein halbes Jahr war es nun her, und es schmerzte noch immer beinahe so schlimm wie am ersten Tag. Sie vermisste ihren Vater noch immer schrecklich – wünschte, er würde ihr noch einmal seine dummen Witze erzählen, liebevoll durch ihr Haar wuscheln oder sie in den Arm nehmen, wenn sie seine Hilfe brauchte. Warum war er nicht noch ein bisschen länger geblieben? Warum hatte er krank werden müssen?

Sie fühlte sich schrecklich allein, und sie konnte nicht sagen, ob das jemals enden würde.

Lydia neigte den Kopf zur Seite, als sie sah, dass die Kübel hinter dem Grabstein in einem merkwürdigen Winkel standen. Erst jetzt bemerkte sie auch, dass hinter und vor dem Grab wieder penibel gefegt worden war und jemand den Moosbewuchs abgekratzt hatte, und hob unbeeindruckt eine Braue. Lydia richtete sich auf und schob die Kübel wieder in den richtigen Winkel.

Als sie den Kopf hob, sah sie, wie der Mann, der sich um das Grab nebenan kümmerte, gerade den dämmrigen Kiesweg heraufkam. Die junge Frau schlug den Mantelkragen auf und biss die Zähne aufeinander. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis der merkwürdige Kerl sich hier blicken ließ. Er war einer von der Sorte, die ewig Junggesellen waren – seine einzige Erfüllung schien er darin zu sehen, sich um das Grab seines schon vor zwei Jahrzehnten verstorbenen Vaters zu pflegen. Sie sah ihn nie weinen – nur stur die Arbeit verrichten, dann auf der Bank eine Zigarette rauchen und schließlich wieder abziehen. Im Gegensatz zur Ruhestätte von Lydias Vater, die mit Blumen und Bildern und Steinen geschmückt war, die von Efeu umrankt wurde und irgendwie lebendig erschien, war das Grab von Rolf Rüde nebendran beinahe steril. Nur hässliche Porzellanfiguren und blaue Plastiksteinchen schmückten die Grabplatte, die der skurrile Sohn stets klinisch rein hielt. Einmal hatte Lydia sogar gesehen, wie er mit einer Zahnbürste daran geschrubbt hatte.

Als der Mann nun mit seinem Wischeimer auf sie zumarschiert kam, ballte sich mit einem Mal eine ungerührte Wut in ihrem Bauch zusammen. Lydia schloss die Knöpfe ihres Mantels – der Wind war aufgefrischt, es dämmerte längst. Mit forschem Schritt trat sie auf den Junggesellen zu.

Halloween Countdown 5 - Rückkehr in die FinsternisWhere stories live. Discover now