❇️Step 38❇️

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Ryujin

Die nächsten zwei Wochen hatten wir täglich trainiert und sogar gemeinsam eine eigene Choreo zu dem Lied Roomshaker von Ailee entwickelt, die manchmal ein paar Ähnlichkeiten zum Originaltanz hatte. Die Tanzschritte waren nicht ganz das, was Stripper normalerweise machten, immerhin führten wir keinen Striptanz vor, jedoch enthielt er anzügliche und heiße Schritte. Ich war sehr auf die Reaktionen gespannt und hoffte zutiefst, dass es uns gelingen würde, diesen Auftritt fehlerlos zu überstehen. Besonders, da mein Selbstvertrauen noch nicht wieder vollständig hergestellt war.

Allerdings war Yeji mir eine sehr große Stütze und langsam, aber sicher hatte ich mein Trauma überwunden. Natürlich gab es noch Momente, in denen mich meine Angst wieder überkam und eine Panikattacke oder ein Angstzustand drohte, mich zu überrollen, doch sollte das passieren, war Yeji an meiner Seite und passte auf mich auf. Wir waren uns in den letzten dreieinhalb Monaten sehr nahe gekommen und unternahmen beinahe täglich etwas zusammen, weshalb wir einander ziemlich gut kannten. Auch das Tanzen und Musik kamen dadurch oft ins Gespräch und obwohl es mir anfangs schwer gefallen war, konnte ich nun deutlich besser damit umgehen. Es tat mir gut, mit Yeji zu reden, wenngleich sie keine Psychologin war. Doch das Resultat blieb dasselbe: Ich überwand immer mehr meine Phobie und mein Trauma dem Tanzen gegenüber.

"Lass uns doch am Schluss nebeneinander stehen und unsere Arme ineinander verschränken", schlug ich vor, da wir beide noch immer am Rätseln waren, welche Endpose wir einnehmen sollten. Fragend legte die hübsche Brünette ihren Kopf schief, weshalb ich sie nun zu mir zog, um meine Worte zu verdeutlichen. Ich stellte sie so an mich heran, dass wir Rücken an Rücken standen und hakte meinen Arm, der nach vorne in Richtung Publikum zeigte, in ihrem ein. Lässig platzierte ich meine Hand dann auf meiner Hüfte und schaute über meine Schulter zu Yeji, die es mir gleich tat und dann zustimmend nickte.

"Das ist perfekt. Okay, dann lass es uns noch ein letztes Mal mit diesem Endschritt versuchen", bestimmte sie zufrieden, während sie bereits einer anwesenden Stripperin - Momo hieß sie, wie ich irgendwann erfahren hatte - zuwinkte, damit diese die Musik erneut einschaltete. Gelegentlich gab sie uns Tipps und half uns, die Schritte ordentlicher und schöner auszuführen, da sie älter war und mehr Erfahrung im Tanzen hatte. Dafür waren wir sehr dankbar, weil unser Tanz inzwischen ziemlich gut aussah und wir uns endlich auch auf eine Endpose geeinigt hatten.

Wir beide stellten uns nebeneinander in unsere Startposition und sobald die Musik einsetzte, fingen wir mit unserem Tanz an. Wir tanzten grob etwa zwei Minuten lang, bis der zweite Refrain endete und kurz bevor Ailee's Gesang ein weiteres Mal einsetzte. Dadurch hatten wir viele, kraftvolle Schritte auszuführen und konzentrierten uns darauf, keinen Fehler einzubauen, sowie synchron zu sein. Aber glücklicherweise hatten wir beide die Begabung, einen Tanz schnell zu erlernen, sodass die Schritte weniger ein Problem waren.

Mein noch immer leicht vorhandenes Trauma war viel eher ein Problem.

Die meiste Zeit über lief alles gut und wir tanzten beide flüssig, fehlerlos. Doch dann, kurz vor dem Ende, spürte ich, wie mein Knie auf einmal anfing, weh zu tun. Es war das Knie, welches ich mir damals verletzt hatte und sofort kamen die ganzen Gefühle und Ängste wieder in mir hoch. Augenblicklich brach ich den Tanz ab und umklammerte panisch mein Knie, hoffte von ganzem Herzen, dass es reine Einbildung aufgrund meines Traumas war und ich mir nicht tatsächlich eine Verletzung zugezogen hatte. Mein Herz klopfte rasend schnell und ich verspürte große Angst, wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte und blendete meine gesamte Umgebung gänzlich aus. Dadurch bemerkte ich nicht einmal Yeji, die besorgt neben mich trat, erst, als sie ihre Hand auf meinen Rücken legte, zuckte ich zusammen.

"Das war genug für heute. Wir machen eine Pause", hörte ich sie sagen. Im nächsten Moment verstummte die Musik und ich sank auf den Boden, versuchte die Tränen aufzuhalten, die sich anbahnten. Mein Hals war wie zugeschnürt und umklammerte fester mein Knie, welches nach wie vor schmerzte, wodurch es jedoch nur noch mehr schmerzte. Das bemerkte ich aber nicht wirklich und schließlich war es Yeji, die meine Hände von meinem Bein löste und fest in ihre warmen Hände nahm.

"Hey, Ryujinnie... schau mich an", forderte sie mich auf, doch ich konnte nicht. Ich konnte nicht aufschauen, ich konnte sie nicht ansehen. Das gefiel ihr aber offensichtlich nicht, denn wenige Sekunden später spürte ich ihre Finger an meinem Kinn, die mein Gesicht sanft nach oben drückten. Kaum erblickten meine Augen ihre, floss die erste Träne über meine Wangen und schwer schluckte ich, versuchte keinen Ton von mir zu geben.

"Ryu...", hörte ich wieder ihre schöne Stimme sagen und wurde dann sofort an ihren Oberkörper gedrückt. Fest presste ich mich an sie und begann leise zu weinen, war überfordert von meinen Ängsten und Sorgen. Wir hatten nur noch eine knappe Woche bis zu diesem Auftritt, wieso musste ausgerechnet jetzt mein Knie dagegen sein? Das war ungerecht... ich wollte das nicht... ich wollte doch nur endlich wieder glücklich werden.

"Wir machen eine Pause, okay? Es ist alles gut, Ryujin, es wird alles gut werden. Das Training war zu viel, das ist alles und wir werden nun langsamer tun, damit du dich nicht noch mehr überforderst. Es wird alles gut werden, versprochen..."

Stripper ★ RyejiWhere stories live. Discover now