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[Jungkook]

„Das stimmt doch gar nicht! Warum sagt ihr das immer wieder?", fragte ich und ging einen Schritt zurück von der Gruppe aus Jungs, die sich um mich gebildet hatte und mich immer weiter in die Ecke des Flures drängte. Ich hielt meine Tasche vor mir und hatte mich mit meinen Nägeln fest darin hinein gekrallt.

„Jungkook, bist du eigentlich nur halb anwesend? Du rennst Herrn Kim hinterher und kriechst ihm in so ziemlich jeder Situation so tief in den Arsch, dass man dich dort nicht einmal mit einer Angel wieder rauskriegen würde", erwiderte Namjoon. Er war einer der Ältesten aus meinem ganzen Jahrgang und verhielt sich demnach auch wie ein Anführer, denn ihm rannte jeder hinterher wie kleine Entchen es bei ihrer Mutter taten, er war beliebt und hatte alles, was man sich in den jungen Jahren eines Schülers wünschen konnte. Trotzdem fand er immer wieder etwas an mir, das ihn störte und das er der Welt mitteilen musste, damit es auch andere stören würde, dabei wusste aber jeder, dass er das nur machte, weil es ihn störte, dass ich so viel mit den Mädchen machte.

Was konnte ich denn dafür? Ich hatte mich bereits vor Jahren geoutet und seitdem hatten die Mädchen, nicht nur aus meinem Jahrgang, sondern ganz allgemein, es einfach lieber, etwas mit mir zu machen, denn ich schaute ihnen nicht auf den Hintern und schrieb sie am Abend auf Nacktbilder an. Im Gegenteil war ich wie einer von ihnen, wir redeten über Jungs, wir tauschten Geheimnisse aus, wir liefen mit eingehakten Armen umher und sowas eben.

„Du redest doch nur Müll-", sagte ich und stockte, als ich plötzlich Herrn Kim, oder auch Taehyung, sah, der durch den Flur ging, dabei in unsere Richtung schaute und uns entgegen kam. Einmal laut schluckend, stellte ich mich sofort gerade auf wie eine Kerze und setzte ein schwaches Lächeln auf, bevor ich einfach an Namjoon und seiner Clique vorbeiging, um mit dem weltallerbesten Lehrer reden zu können.

„Guten Morgen Jungkook", kam er mir zuvor. Seine Miene war kalt wie sonst auch, da er wohl wieder die ganze Nacht Klausuren korrigieren musste und daher sehr müde war, jedoch hoben seine Mundwinkel sich zu einem kleinen Lächeln auf, nur für mich, weshalb mir sofort wärmer wurde und ich fast schon begann zu kichern. „Hast du getan, worum ich dich gebeten habe? Es ist wirklich wichtig, dass du die Zettel so bald wie möglich abgibst, sonst kannst du nicht mit zum Ausflug nach Seoul kommen", meinte er noch.

Eifrig nickend sprach ich zu ihm. „Natürlich! Ich habe gestern alles ausgefüllt, meine Eltern unterschreiben lassen und es Ihnen gescannt per E-Mail geschickt. Haben Sie meine Mail schon bekommen? Es kam gestern keine Antwort mehr, weshalb ich mich ein wenig gewundert habe."

Mit einem verwunderten Blick griff Taehyung in seine Hosentasche und holte sein Handy hervor. Allein diese Geste sah an ihm schon so unglaublich gut aussehend aus, dass mein kleines Herz einen ganzen Schlag aussetzte. „Oh, du hast recht. Es tut mir leid, ich muss das gestern wohl irgendwie übersehen haben. Danke dir aber."

Wieder nickte ich und wagte es gar nicht ihm in die Augen zu schauen, weil ich in seiner Anwesenheit immer so verlegen und schüchtern wurde, mich irgendwie auch wie ein ganz anderer Mensch verhielt.

„Hier, ich habe wie immer einen Apfel für Sie mitgenommen", meinte ich leise, obwohl es mittlerweile üblich war, dass er jeden Morgen einen von mir bekam als sei es eine Tradition, die nur für uns beide war. Ich hielt ihm das rote Obst mit beiden Händen entgegen und freute mich, als er es mit seiner großen, männlichen Hand griff, einmal hineinbiss, wobei sich die Sehnen an seinem Arm anspannten, die Venen deutlich wurden, da er die Ärmel seines Hemdes immer bis zu seinen Ellenbogen hochschob.

„Haben die Jungs dich wieder geärgert?", fragte mich der Ältere und nickte einmal rüber zu der Truppe aus eigentlich Erwachsenen, die sich aber benahmen wie Kinder. Natürlich schüttelte ich den Kopf, denn ich wollte mich selbst nicht als Petze darstellen, jedoch wusste Herr Kim schon ohne mich zu fragen, wie es wirklich war, weshalb er direkt zu Namjoon ging und diesen am Ohr mit in das Klassenzimmer zog, wie man es eigentlich nur aus Dramen kannte, die im Fernsehen liefen. Ich lachte leise.

Manchmal fand ich es tatsächlich gar nicht so schlimm, dass hier in Korea Lehrer ihre Schüler noch so behandeln durften oder es einfach machten. Seitdem Taehyung angefangen hatte uns zu unterrichten, waren die Kommentare gerade dadurch eben weniger geworden und die Jungs meldeten nicht mehr so häufig, wie sie es zuvor getan hatten, denn sie waren voller Angst in irgendeinem der Fächer durchzufallen, in denen wir ihn hatten. Mehr aber fürchteten sie sich davor, einen Anruf Zuhause bei ihren Eltern zu erhalten.

Er war kein Mann großer Gefühle, er lächelte nicht oft, lachte noch seltener, zeigte keine Schwäche, sondern nur Stärke und trat somit immer auf wie ein Mensch mit einem Herzen aus Stein. Dennoch war er immer so fürsorglich und kümmerte sich um seine Schüler, wobei diese der Meinung waren, dass er sich allein um mich kümmerte, als sei ich sein Sorgenkind oder eben sowas.

Beklagen konnte ich mich darüber aber natürlich nicht.

Mit einem leichten Grinsen also, weil ich wusste Namjoon hatte soeben mächtig Anschiss bekommen, stolzierte ich nun ebenfalls in das Klassenzimmer, wo ich mich in die erste Reihe setzte, direkt am Lehrerpult. Das war mein Platz. Dort gehörte ich hin.

Dort wollte er mich.

teacher's pet ᵛᵏᵒᵒᵏWo Geschichten leben. Entdecke jetzt