Affäre oder mehr?

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Wir verluden die Leichen, die gefunden wurden und machten uns auf den Weg zurück hinter die Mauern. Mike ritt auf einmal neben mir und suchte das Gespräch.
„Du hast deinen Job gut gemacht."
„Du meinst, dass ich meinen Kameraden gut erstochen hab?", sagte ich etwas zynisch und verbittert. Ich konnte nicht fassen, dass mich diese Aufgabe weiter verfolgt. Aber natürlich war es auch naiv zu denken, dass es beim Aufklärungstrupp weniger Tote oder besser gesagt, zum Tode Verurteilte geben würde.
„Du hast ihn erlöst, wir wissen das alle und verurteilen dich nicht deswegen. Ich weiß wir hatten letztens eine kleine Uneinigkeit und ich wollte mich nochmal entschuldigen, dass ich mich so taktlos verhalten habe."
„Ach deswegen... nein mach dir keine Gedanken. Schon vergessen, das von letztens. Und die Toten... das wird sich wohl nie ändern."
Mike musterte mich von der Seite.
„Hast du dich verletzt?"
„Nicht schlimm"
„Wenn du irgendwas brauchst, sag Bescheid", sprach er noch und ritt schon wieder in seinen Platz der Formation zurück.

Der Rückweg verlief zum Glück ohne Tote, dafür weitere Verletzungen. Ich merkte, meine Arbeit war nach der Expedition noch lange nicht getan. Öfter sah ich von Weitem Levi, wie er heranrückende Titanen erledigte. Manchmal alleine, manchmal mit seinem Team. Er war wirklich unglaublich, wenn er mit dem 3-D-Manöve unterwegs war. Auch wenn er sich manchmal wie ein totales Arschloch verhielt, so war es bei diesem Können kein Wunder, dass so viele Soldaten zu ihm aufsahen. Auch ich ertappte mich dabei, wie ich länger seinem fast schon akrobatischem Abschlachten fasziniert zusah.
Endlich waren wieder die Mauern zu sehen. Ja, ich verfluchte diesen steinernen Knast aber nach diesen Erlebnissen und Begegnungen,war ich tatsächlich froh, in vermeintlicher Sicherheit zu sein. Viele Menschen standen hinter dem großen Tor und versuchten einen Blick auf uns zu erhaschen. Kinder wollten ihre Helden erblicken, Eltern ihre Kinder, Geschwister ihre Brüder oder Schwestern und natürlich gab es auch diejenigen, die nur kamen, um zu schimpfen was für eine Steuergelderverschwendung unser Einheit doch war. Ich muss zugeben, wenn ich mir ansah, was für ein Bild wir Heimkehrer abgaben, verließ mich auch etwas der Mut. Die meisten saßen mit gesenkten Köpfen auf ihren Pferden, vielen sah man ihre Verletzungen sofort an, die Verbände waren mittlerweile blutdurchtränkt. Auch ich gab sicher kein hoffnungsvolles Bild ab.

Im Hauptquartier fing meine wirkliche Arbeit. Die Verletzten mussten unterteilt werden. Schwere Verletzungen wurden eher behandelt, kleine Wunden, die lediglich genäht werden mussten, konnten warten. Bei fast allen konnte ich eine vollkommene Regeneration voraussagen, falls keine Komplikationen dazu kommen sollten. Nur ein Fall wurde zur Herausforderung. Der Junge würde überleben, jedoch fragte ich mich, ob er das wollte. Meine Behandlung verlangte nämlich, dass ich ihm das Bein vom Knie ab amputiere. Es war komplett zertrümmert, ich konnte es auf keinen Fall mehr retten. Wären wir schneller gewesen, vielleicht, doch so... Dabei hatte der Soldat noch Glück, dass ich ihn behandelte. Kein Arzt hinter den Mauern hätte bei so einer Zetrümmerung noch Hoffnung gehabt, besser gesagt, niemand wusste, wie man eine derart schwere Amputation vornehmen kann, ohne dass der Patient stirbt. Den Jungen selbst konnte ich nicht fragen, er war bewusstlos und hatte sehr viel Schmerzmittel intus. Die Zeit drängte, würde ich länger warten, drohte er zu verbluten. Ich entschied mich für sein Leben und nahm ihm das Bein ab. Innerlich hoffte ich, dass er mich nicht verfluchen würde.
Am Abend war ich totmüde und wollte nur noch ins Bett. Gerade wies ich meine beste Krankenschwester Lydia ein, auf was sie bei meinem amputierten Patienten achten musste.
„...und falls er aufwacht, wecken Sie mich auf Lydia. Mein Zimmer ist ja gleich den Gang runter."
„Ja, Doktor, ich habe verstanden"
„Gut, wie geht es den Kindern?", fragte ich, denn ich wollte, auch wenn wir hier mit dem Tod kämpften, nicht unsere menschliche Seite und unser Team vernachlässigen. Lydia zeigte auch sofort ein Lächeln bei meiner Frage.
„Sehr gut, danke Doktor! Durch die Gehaltserhöhung können sie nun alle zur Schule UND haben alle jeden Tag etwas zu essen! Ich danke Ihnen, Doktor King. Vor allem war es eine große Überraschung, es kam so unerwartet."
Ich lächelte sie nur an und war für einen kurzen Moment wirklich glücklich, als mich Levis Stimme rausriss.
„Tch... ich dachte die Krankenschwestern hätte ohne Gehaltserhöhung gekündigt", sprach er monoton und mit einem durchbohrenden Blick in meine Richtung.
„Lydia, sie wissen für heute Nacht Bescheid, wenn etwas ist, rufen Sie mich", sagte ich zu meiner besten Krankenschwester, die etwas erschrocken am Bett des Amputierten zurückblieb.
„Corporal, ich kann Ihnen gerne die genauen Zahlen erläutern, wenn Sie mir folgen möchten?",
sagt ich zu Levi während ich schon aus dem Krankenflügel ging und mein Büro anpeilte.
„Ich fass es nicht, dass du deinen Vorgesetzten anlügst. Schon wieder!", zischte Levi mich an, als er die Bürotür geschlossen hatte.
„Schon wieder?", brachte ich nur hervor, meine Redegewandheit litt sehr unter dem Schlafmangel und meiner Ausgezehrtheit, ich war hundemüde.
„Das mit dem Buch...", sagte Levi nur.
„Was? Na also da hab ich ja wohl kaum gelogen. Ich hab es verschwiegen, aus gutem Grund."
„Das ist trotzdem nicht die Art, wie man sich seinem Vorgesetztem gegenüber verhält."
„So? Ich denke mit seinem Untergebenen zu schlafen, ist auch nicht „die Art"", äffte ich Levi genervt nach. Das hatte wohl gesessen, denn er war still und starrte mich nur an. Ich seufzte, denn diese Art Disput war mich nun wirklich zu viel.
„Levi...", fing ich erschöpft an, „Jetzt ist wirklich nicht der Zeitpunkt, um über Budgetverteilungen zu sprechen. Wir haben heute viele gute Soldaten verloren, ich musste einem meinen Dolch ins Herz rammen, du selbst warst dabei. Vorhin hab ich einen jungen Mann zum Krüppel gemacht und ich weiß nicht, ob er mir das je verzeihen wird. Ich muss jetzt einfach runter kommen und kann mich nicht auch noch mit meiner Affäre rumstreiten. Bitte... geh einfach."
„So siehst du das also?"
„Was denn nun?" fragte ich verwirrt und schläfrig, während ich versuchte ein Gähnen zu unterdrücken.
„Das mit uns?" er sah mich fast etwas traurig an.
„Ich ... weiß nicht. Wie gesagt, das war ein langer Tag.. ich..", ich wusste nicht was ich weiter sagen sollte, mir vielen auch fast die Augen während dem Reden zu.
„Ruh dich aus, wir reden wann anders", kam von Levi, während er durch die Tür verschwand.
Ich ging in mein Zimmer und legte mich samt Klamotten und immer noch verschwitzt und voller fremden Blut und Titanenblut ins Bett. Kurz bevor ich einschlief, blitzte noch ein Gedanke in meinem Kopf auf: Will er denn mehr als eine Affäre? Ironisch dachte ich: das wäre ja ein schönes Paar, „Der Corporal und die Ärztin", wie kitschig.

Der Corporal und die Ärztin 🍋Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang