Herausforderung gemeistert

2.9K 125 4
                                    

Die Trauer über die Verluste der Expedition legte sich langsam im Aufklärungstrupp. Natürlich waren die gefallenen Kameraden nicht vergessen, doch jeder schien nach dem Motto zu leben „das Leben muss weiter gehen". Nur mich beschäftigten die Toten noch weiter. Ich machte meine Beileidsbesuche bei den Angehörigen. Die Tränen der Eltern, Geschwister, Ehepartner oder Freunde härteten mich immer mehr ab. Ich fühlte mit ihnen aber ließ diesen Schmerz nicht mehr an mich ran. Zudem glühte eine Hoffnung in mir, eine Hoffnung die ich aus den Skizzen meines geliehenen Buches entnahm. Nach meinem endlich letzten Anstandsbesuch und vielen trauernden Angehörigen, „Er hat tapfer gekämpft Miss, ihr Sohn war der Menschheit von Nutzen", hoffte ich, meine Bestellung beim Schmied endlich abholen zu können.
„Guten Tag, Dr. King hier. Wie sieht es mit meiner Bestellung aus?"
„Sie meinen das hier?", fragte mich der korpulente Schmied freundlich und hielt mir eine exakte Wiedergabe meiner beschriebenen Skizze entgegen.
„Das ist... das ist fantastisch!" ich strahlte, das erste Mal seit Tagen zeigte mein Gesicht wieder ein Lächeln.
Ich zahlte einen hohen Preis, doch falls ich mit diesem Projekt Erfolg haben sollte, wird es sich allemal lohnen.
„Peter! Wie geht es dir heute?", ich stand vor meinem beinamputierten Sorgenkind und konnte mir mein Grinsen kaum verkneifen.
„Doktor, sie machen mir Angst... Wollen sie mir jetzt auch das andere Bein abschneiden?", fragte er und man merkte, dass er mich immer noch hasste auch wenn er sich mittlerweile etwas abgeregt hatte. Mein Grinsen schwand bei seinen Worten aber ich verlor nicht den Mut. Ich bückte mich und hob eine Holzkiste hoch.
„Das ist etwas zu klein, um es für mich als Sarg zu verwenden, Doktor. Ah ich verstehe, sie wollen mich einfach in alle Einzelteile zerschneiden und-"
„Ruhe jetzt!", befahl ich zornig. Er schwieg.
„Das hier Soldat", sprach ich und öffnete die Holzkiste, „das ist dein neues Bein!"
Ich präsentierte Peter stolz eine Beinkonstruktion aus Metall mit einem beweglichen Fußgelenk. Peter starrte mich an als wäre ich nun komplett irre geworden.
„Was... ist das?"
„Hab ich doch gesagt! Dein neues Bein!", strahlte ich und legte es in seine Hände. Peter zuckte zurück bei der Kälte des Stahls.
„Dein Stumpf ist mittlerweile schon gut verheilt und ich als deine Ärztin", sprach ich triumphierend, „erlaube dir es schon mal kurz auszuprobieren".
„Das Ding soll an mein Bein?... äh was noch davon übrig ist"
„Exakt! Los, los einen Rollstuhl für den Patienten! Wir fahren auf den Trainingsplatz!", rief ich einer Krankenschwester entgegen, die mich ebenfalls etwas irritiert und erschrocken anblickte aber sogleich einen Rollstuhl reinschob.
____

Auf dem Trainingsplatz war ein wenig von meiner Euphorie schon verschwunden, denn mir wurde bewusst, dass ich Peter und indirekt mich auf dem Präsentierteller serviert hatte. Von überall konnte man uns nun beobachten und ich spürte die Blicke im Nacken. Wenn das nun ein Reinfall wird... lässt sich niemand mehr von mir behandeln und Peter wird erst recht nicht mehr leben wollen. Doch ich versuchte Peter positiv zu beeinflussen.
„Sooo Peter ich passe dir das Bein nun an, sag Bescheid, wenn etwas klemmt", ich lächelte meinen Patienten aufmunternd an, der immer noch sehr zweifelnd und ängstlich auf mich blickte. Das Metallbein passte perfekt, zumindest sah es so aus. Peter sagte auch nichts also wollte ich gleich den nächsten Schritt wagen.
„Gut, hier nimm meine Hände als Stütze"
Nach einem Zögern griff Peter mit seinen Händen meine und zog sich hoch, raus aus dem Rollstuhl.
„Belaste deine Prothese, keine Angst, sie ist wohl stabiler als dein altes Bein", versuchte ich zu scherzen. Doch Peter hörte es gar nicht, er war vollkommen auf sein „neues" Bein konzentriert.
„Sie können meine Hände los lassen Doktor"
Ich lies langsam von ihm ab und ging zwei Schritte zurück. Peter stand auf beiden Beinen und hob seinen Kopf. Verwunderung war in seinen Augen zu sehen.
„Sehr gut Peter, jetzt versuch einen Schritt", sagte ich angespannt aber ruhig.
Und tatsächlich, Peter schaffte es, ohne Probleme sein ganzes Gewicht auf die Prothese zu verlagern und einen Schritt zu gehen. Als nächstes hob er das Metallbein zum Schritt und schaffte auch diesen. Tränen liefen über seine Wangen und sprachlos blieb er stehen.
„Lea! Was ist das? Ist das Peter?!" Ich sah Hanji auf uns zukommen. Erstaunt blieb sie bei Peter stehen und begutachtete sein neues Bein. Während sie fasziniert mit sich selber redete und immer wieder Fragen an mich und Peter richtete, merkte ich dass auch Kommandant Erwin ranrückte. Peter und ich sahen uns an und grinsten beide. Ich konnte mir auch ein paar Freudentränen nicht verkneifen.
„Kommandant, das müssen Sie sehen!", rief Hanji Erwin herbei, dass er sich beeilen sollte. Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen. Ich hatte endlich geholfen, so wie ich es immer wollte.
___________

Nachdem Erwin mich lobte, Peter sich weiter auf der Krankenstation ausruhte - ohne Selbstmordgedanken – und Hanji alles ganz genau über die Prothese wissen wollte, lies ich mich erschöpft in meinem Bürostuhl fallen. Diese Herausforderung hatte ich also gemeistert. Blieb nur noch diese Sache mit dem Corporal. War das überhaupt noch eine Sache? Es nervte mich immer mehr, je länger ich darüber nachdachte. Wenn er keine Affäre wollte, was dann? Eine Beziehung sicher nicht, das wäre ihm doch viel zu lästig und zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ein unausgesprochenes Verbot. Vor allem gehörten dazu immer noch zwei und ich? Ich wollte keine Beziehung, dafür war ich nicht geschaffen. Während diesen Überlegungen klopfte es an der Tür, ohne auf eine Antwort zu warten stand auf einmal Levi im Raum. Fuck, kann der Gedanken lesen oder wie?

Der Corporal und die Ärztin 🍋Where stories live. Discover now