Verloren

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Trigger-Warnung: Thema Fehlgeburt; Wer Schwierigkeiten mit dem Thema hat, sollte dieses Kapitel eher nicht lesen. Ich hab diesen Schmerz nie erlebt und muss das hoffentlich auch nie, all jene, für die es ein trauriges Kapitel in ihrem Leben ist – fühlt euch gedrückt!)

„...verloren. Auch sehr viel Blut. Sie braucht unbedingt Ruhe", eine dumpfe Stimme erreichte meine Ohren alles war verschwommen und mein ganzer Körper schmerzte. Ich konnte mich nicht bewegen nur horchen und langsam zu mir kommen.
„Ich versteh das nicht, sie wusste es?", das war... war das Levi? Angestrengt versuchte ich mehr zu verstehen und zwang meinen Körper endlich wach zu werden, dieses Taubheitsgefühl zu besiegen.
„Womöglich, aber vielleicht auch nicht Corporal. Es tut mir leid...", ich meinte meinen Kollegen aus der Mauergarnison an der Stimme zu erkennen. Auch er war Arzt, jedoch wurde er meist nur der Metzger genannt. Er rettete keine Beine oder Arme, er amputierte bei jedem kleinen Bruch und schien darin seine persönliche Leidenschaft gefunden zu haben.
Ich hörte keine Stimmen mehr, nur ein.. Schluchzen? Wieso konnten meine Augen nichts sehen, wieso hatte ich solche Schmerzen, wenn ich die Augen öffnete und warum fühlte ich mich wie ausgekotzt? Mein Kopf versuchte all die vergangenen Geschehnisse wieder herzustellen. Wie war das? Wir waren auf der Expedition, Titanen, Levi war nicht da, dann doch, ich war unheimlich schwach und entkräftet. Ich bin beim Hauptquartier ohnmächtig geworden? Aber davor... ich war.. ich dachte ich war... schwanger? Wie ein Blitz schlug es in meinem Kopf ein und ich schreckte hoch. Panisch atmete ich, hatte die Augen weit aufgerissen und saß kerzengerade im Bett des Krankenflügels.
„Ich hab es verloren... ich hab.. ich ...", mir wurde bewusst, was passiert war. Ich wusste es doch schon die ganze Zeit, ich hatte es nur nicht zugelassen. Seit diesem Vorfall bei den Titanen und auf dem Rückweg. Meine Atmung wurde immer schneller und panischer, erstickt von Tränen die mir mittlerweile über die Wangen liefen. Ich musste mich beruhigen, versuchte meinen Blick an etwas im Raum zu klammer und jetzt erst sah ich ihn. Levi stand mit Abstand vor meinem Bett und starrte mich an. Er starrte und sah mir zu, wie ich fast erstickte. Flehend sah ich ihn an, warum tat er denn nichts? Erst nach einer halben Ewigkeit trat er zu mir.
„Beruhige dich...schhhhh", seine raue tiefe Stimme lies mich sofort ruhiger werden. Kalter Schweiß hatte sich auf meiner Stirn gesammelt, den Levi mir mit einem warmen feuchten Tuch abwischte. Langsam streichelte er mich am Arm und drückte mich wieder in die Kissen nieder.
„Du brauchst jetzt Ruhe", redete er währenddessen und blickte mich mit traurigen Augen an.
„Ich...", fing ich schluchzend an.
„Schhh... ich weiß", kam es von Levi, der sichtbar schlucken musste, „ich weiß..", wiederholte er nochmal. Ihm schienen auch die Worte zu fehlen. Stattdessen setzte er sich an die Bettkante und streichelte immer weiter meinen Arm und meine verheulte Wange.
„Ich wusste es nicht", schluchzte ich leise vor mich hin und fragte mich im selben Moment, ist das so?
„Wir reden später darüber", so Levi und er wendete seinen Blick ab, „ich lasse dich jetzt schlafen".
Er stand auf und ging, ich hatte das Gefühl, er wollte gehen. Die Stimmung war angespannt, das merkte ich sogar in meinem Zustand, doch ich war tatsächlich immer noch erschöpft und gehorchte brav. Ich schlief wieder ein und sank in einen traumlosen tiefen Schlaf.

Ich wachte erholt auf und erkannte ein mir all zu bekanntes Gesicht: Schwester Lydia.
„Sie sind wach Doktor!", begrüßte sie mich mit einem strahlenden Gesicht.
„Lydia,.. Guten morgen? Guten Abend? Was ist es denn?"
„Genau gesagt drei Uhr Nachmittags Doktor."
„Oh... wie lang.. Seit wann sind wir von der Expedition zurück?"
„Sie sind vor drei Tagen zurück gekommen, Doktor. Ich werde Ihren Kollegen holen, er wird Ihnen alles erklären und-"
„Nein! Nein... ich denke ich weiß schon alles, danke Lydia."
Während Lydia von ihrem fröhlichen Gesicht zur Trauermiene wechselte, stand ich ächzend aus dem Bett auf. Ich hatte ein Krankennachthemd an und merkte, ich musste unbedingt duschen.
„Doktor King.. es tut mir so unendlich leid", fing Lydia an. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, wie reagierte man auf so etwas?
„Ich... hatte noch nie eine Fehlgeburt, ich... ich war mir auch nicht sicher, dass ich schwanger bin. Das ist alles ein bisschen viel gerade."
„Wenn es Ihnen hilft Doktor King, vor meinen Kindern, hatte ich auch... na sie wissen schon."
„Ich fühle mich furchtbar, ist das normal?", fragte ich während ich zum Stuhl schlich, auf dem meine richtigen Klamotten lagen. Frisch und gewaschen.
„Ja... man fühlt sich wohl nie wieder ganz normal", kam es von Lydia eher leise.
„Das sind keine guten Aussichten", ich versuchte sachlich zu bleiben.
Die Klamotten rochen nach Levis Wäsche, er hatte sie mir also gebracht...
„Der Coporal war jeden Tag öfter bei Ihnen, Doktor"
„Mhm... ja aber als ich aufwachte war er wohl.. trotzdem verunsichert"
„Er hat sich große Sorgen um Sie gemacht", man sah in Lydias Augen, dass sie die romantische Geschichte zwischen dem Corporal und ihrer Ärztin unheimlich toll fand. Aus ihrer Sicht waren wir sicherlich das Vorzeigepaar, dass gestärkt aus jeder schwierigen Zeit heraustritt. Nur ihrer Seriosität verdankte sie es wohl, dass sie nicht schon längst nach dem Hochzeitstermin gefragt hatte.
„Ich entlasse mich hiermit selbst, Lydia", sagte ich fertig angezogen, „die nächsten Tage werde ich nur Notfälle behandeln, alles andere soll der Metzg... äh der Kollege übernehmen."
Ich verließ den Krankenflügel und machte mich auf dem Weg zu Levi, ich hatte ein unheimliches Redebedürfnis und ... ein noch stärkeres Bedürfnis einfach in den Arm genommen zu werden.

Der Corporal und die Ärztin 🍋Where stories live. Discover now