Blind vor Liebe

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Die nächsten Wochen und Monate waren die wohl besten meines Lebens. Levi und ich führten eine Beziehung, auch wenn es nicht offiziell war, so wusste doch im Grunde jeder, dass wir zusammen waren. Wir verstanden uns oft ohne Worte, ein Blick genügte schon und der andere wusste was los war. Immer öfter schlief er neben mir im Bett ein und bekam somit auch mehr Schlaf. Hanji hatte am Ende doch Recht gehabt: Ich tat ihm wohl tatsächlich gut und er mir sowieso.
Unsere Arbeit wurde nicht vernachlässigt und Erwin respektierte unsere Beziehung. Zwar hatte er sich mir gegenüber nie geäußert, doch Levi hatte erwähnt, dass Erwin nun „nichts mehr einzuwenden hätte", was auch immer das bedeuten sollte.
Die Expeditionen verliefen leider wieder etwas erfolglos. Zur Burg schafften wir es bis jetzt nicht noch einmal, dafür konnten wir hin und wieder Titanen fangen, damit Hanji ihre Experimente durchführen konnte. Natürlich gab es auch viele Verluste, doch ich war schon derart abgestumpft und in meiner eigenen kleinen Levi-Welt versunken, dass ich es einfach hinnahm. Nichts wurde mehr von mir hinterfragt und ich lieh mir auch keine illegalen Bücher mehr von Josef. Ich war verliebt und ich wollte mir dieses Gefühl von nichts verderben lassen.
„Du liest gar nicht mehr", kam es allerdings eines Abends von Levi, nachdem ich mich zu ihm ins Bett kuschelte.
„Naja... ich hatte einfach keine Zeit dafür", redete ich mich raus.
„Du solltest dir dafür Zeit nehmen", kam es von Levi in seinem Arbeits-Militär-Ton.
Ich murrte nur und streichelte ihm über seine starken Bauchmuskeln. Nicht ganz uneigennützig, denn ich wollte ihm vom Thema abbringen und auch gewisse Liebkosungen von ihm bekommen. Und wie ich diese bekam... Verschwitzt und glücklich schlief ich ein und merkte im Halbschlaf, dass Levi sich aus dem Bett schlich. Er wird sicher nur duschen gehen, dachte ich mir nur und schlief tief und fest. Am Morgen wurde ich aber eines Besseren belehrt. Levi hatte nicht bei mir geschlafen, was mich etwas irritierte. Schon seit Wochen ist er nicht mehr nach dem Sex einfach abgehauen. Auch den ganz Tag über sah ich Levi nicht, erst am Abend als es wieder mal zu einer Ansprache von Erwin kam, sah ich ihn an dessen Seite.
„Auf diese Expedition können wir uns etwas länger vorbereiten. Eine Woche sollte genügen",
Erwin hatte mal wieder größeres geplant. Eine Woche also... Während anderen die Angst und Aufregung ins Gesicht geschrieben stand, blieb ich vergleichsweise gelassen. Ja, es war jedes Mal ein Horror vor den Mauern, all die Toten und das Blut, doch aktuell beschäftigten mich andere Dinge. Es war einerseits Levis verschwinden heute Nacht und andererseits... Seit fast zwei Wochen war ich überfällig und in meinem schussligen Verliebtheits-Status kann es gut sein, dass ich meinen speziellen Verhütungstrank mindestens einmal vergessen hatte. Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe herum, während Erwin seine Ansprache beendet.
„Alles ok? Du bist doch sonst nie so aufgeregt? Habe ich dir schon von meinen Ergebnissen der Titanen-Experimente erzählt? Es ist faszinierend! Ich denke mit einem konnte ich sogar eine telepathische Verbindung aufbauen. Wenn ich mich ganz arg konzentrierte...", Hanji hatte meine Nervosität also bemerkt, dann wird es Levi sicher auch schon aufgefallen sein. Reiß dich zusammen Lea!, befahl ich mir.
Ich verließ den Saal mit einigen anderen Soldaten und machte mich auf den Weg zur Krankenstation, es konnte nicht schaden, schon jetzt die Vorbereitungen für die Expedition zu treffen.
„Tut mir leid wegen heute Nacht", Levi hatte mich eingeholt.
Ich lächelte ihn an, erleichtert, dass ich anscheinend nichts falsch gemacht hatte. Alle Sorgen waren wieder vergessen, als ich ihn ansah. Es wird schon nichts sein, dachte ich mir. Morgen bekomme ich sicher meine Periode, warum sollte ich die Pferde scheu machen und es ihm sagen, wenn doch nichts ist. Alles war rosarot in meinen Gedanken, sobald Levi bei mir war.
„Schon in Ordnung", sagte ich zu ihm und streichelte seinen Arm.
„Ich konnte nicht schlafen, irgendwas beunruhigte mich", kam es nachdenklich von Levi.
„Wird schon nichts gewesen sein, heute wirst du sicher besser schlafen können", und ich zwinkerte ihn zweideutig an, worauf er zurück grinste.
______________
Eine Woche später standen die Soldaten des Aufklärungstrupps vor den Toren der Mauer und warteten darauf auszurücken. Und ich, Lea King, saß auf meinen Pferd und wartete darauf, dass ich endlich meine Tage kriegen würde. Fuck! Die ganze Zeit über dachte ich nur: Fuck! Ein Schauder lief mir über den Rücken, wenn ich an das Gespräch mit Hanji zurück dachte: „...wenn Levi dich schwängert, wären wohl alle ein wenig überfordert sein", und das meinte sie nicht im Sinne von „überfordert aber glücklich sein" sondern im Sinne von „die Hölle wird los sein". Ich wollte diese wunderbare Zeit mit Levi nicht aufs Spiel setzen. Wir hatten zwar nie darüber gesprochen Kinder zu haben, doch es war selbstverständlich, dass ich mit Kind keine Soldatin mehr sein könnte und Levi... Levi war konservativ. Er würde heiraten wollen, das volle Programm. Für viele Frauen ein Traum, doch ich? Ich war nicht wie andere Frauen und ich war auch keine Mutter! Gefangen in meinen Gedanken, merkte ich kaum, wie mein Pferd sich mit den anderen Reitern vor die Mauern bewegte. Jetzt galt es diese Grübeleien über Bord zu werfen, ich musste mich konzentrieren.
Wie immer hatte Levi mir zwar vor Beginn der Expedition eingeschärft, aufzupassen und auf keinen Fall zu sterben, da er mich sonst höchstpersönlich noch im Nachleben dafür zur Sau machen würde, aber jetzt... jetzt wurde mir bewusst, dass ich womöglich nicht mehr nur für mein eigenes Leben verantwortlich war.
Wir nahmen die Formation ein und ich begegnete mit meiner Gruppe sofort einem abnormalen Titan der Fünf-Meter-Klasse. Gemeinsam mit einem Kameraden schaffte ich es ihn zu locken, so dass er, schnell wie er rannte, über einen Stein stolperte. Der dritte in unserem Team, es war John, der sich mittlerweile einen Namen gemacht hatte, erledigte den Rest. Wir kamen gut voran und ich vergaß sogar fast meine privaten Probleme. Die Farbraketen auf der anderen Seite der Formation gaben mir allerdings zu bedenken. Auch mit meinen Teamkameraden tauschte ich besorgte Blicke aus. Auf einmal sahen wir bestimmt zehn Notsignale auf einmal. Sie kamen von der Spitze der Formation – Levi!, dachte ich und mein Herz stach.
„Wir müssen da sofort hin", kam es von John, der mir wie aus dem Herz sprach.
Ich und unser Kamerad nickten ernst und wir spornten unsere Pferde an.

Was wir vorfanden glich einem Schlachtfeld. Überall lagen abgetrennte Gliedmaßen oder Eingeweide herum, die Wiesen waren blutgetränkt und vor uns standen zwei Titanen die von ungefähr zehn Soldaten belagert wurden. Mein Blick suchte sofort alles nach Levi ab, doch nirgends konnte ich ihn finden. Panik ergriff mich und ich merkte, wie meine Atmung immer schneller wurde.
„Dr. King, kümmern Sie sich um die Verletzten!", schrie mich plötzlich die Stimme von Erwin an. Er war bei der Belagerung der Titanen dabei und wies meine anderen Teamkameraden an, mitzuhelfen. Ich stieg vom Pferd und suchte nach Überlebenden. Hier und dort fand ich sterbende Soldaten, musste sie erlösen oder ihnen in ihren letzten Minuten die Hand halten. Zwei Überlebende hatten schwere Brüche, doch ich konnte sie verarzten. In all der Zeit, die ich mich um meine Kameraden kümmerte, suchte ich immer wieder alles nach Levi ab, aber je mehr ich suchte, desto verzweifelter wurde ich. Er war nicht da, doch auch unter den Verletzten, geschweige denn unter den Leichen war nichts von Levi zu sehen. Wurde er von einem Titan gefressen? Ich stockte bei diesem Gedanken. Gleichzeitig hörte ich einen dumpfen lauten Knall und drehte mich wieder zum Titanen-Kampf. Ein Titan konnte zur Strecke gebracht werden und krachte auf den Boden. Sein heißer Dampf stieg in die Luft und ich hatte das dringende Bedürfnis zu dieser Riesen-Leiche zu gehen, sie aufzuschneiden und nachzusehen ob die Liebe meines Lebens verschluckt wurde. Langsam schritt ich auf den Ort des Geschehens zu, mein Bauch verkrampfte sich und mir wurde schlecht. Alles schien taub und gleichzeitig hatte ich unglaubliche Schmerzen. Mit jedem Schritt näherte ich mich dem zweiten, noch stehenden Titan.
„Lea! Was machst du? Bleib zurück!", hörte ich und wurde an der Schulter zurück gezogen.
Noch ehe ich sehen konnte, hörte ich es an der Stimme: es war Levi. Der sich auch schon neben mir in die Luft geschwungen hatte, um mit dem übrigen Titan kurzen Prozess zu machen.
Ein unheimlicher Schwindel ergriff mich, ich musste mich setzen. Mitten in einer Blutlache ließ ich mich nieder. Wenn ich nicht vorher schon mit lauter fremden Blut vollgeschmiert war, so war ich jetzt vollkommen darin getränkt.
„Alles in Ordnung?", es war John, der mir besorgt die Hand entgegen streckte, um mir aufzuhelfen.
Dankend ergriff ich die Hand und stieg auf mein Pferd.
_____________
Niedergeschlagen aufgrund der hohen Verluste und des unerwarteten Hinterhalts der Titanen, machte sich der Aufklärungstrupp bereit für den Rückzug. Levi sah mich mit einem kritisch besorgten Blick an. Wenn es wahr war, was John sagte, sah ich „leichenblass" aus und um ehrlich zu sein, ich fühlte mich beschissen. Ich hatte Schmerzen und würde am liebsten vom Pferd steigen und mich irgendwo hinlegen und sterben. Doch ich hielt mich im Sattel, den Blick immer fest nach vorne. Bald sind wir da, bald sind wir wieder in Sicherheit, dachte ich nur. Meine Strategie wirkte, wir erreichten die Tore der Mauern und am Ende auch das Hauptquartier. Meine Kräfte waren jedoch völlig weg. Hatte ich die ganze Zeit durchgehalten und mir wie ein Mantra wiederholt, dass wir bald da wären, so wusste ich jetzt, wo wir endlich am Ziel waren nicht, wie es weiter gehen sollte.
„Lea du siehst furchtbar aus", kam es jetzt auch von Hanji, die schon abgestiegen war und neben meinem Pferd stand.
Ich wollte gerade eine Schimpftirade loslassen und locker lässig vom Pferd absteigen, als ich merkte, wie ich eher vom Pferd flog. Ich verlor den Halt und taumelte. Irgendwie hatte ich es geschafft auf beiden Füßen zu landen, doch mir wurde schwarz vor Augen.
„Lea?!", hörte ich Hanji und ich spürte wie sie mich auffing.
„Was ist mit ihr?!", erreichte Levis Stimme noch meine Ohren, aber das war das letzte was ich vernehmen konnte.

Der Corporal und die Ärztin 🍋Where stories live. Discover now