Kapitel 20

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Hey Mila, wie war dein Tag? Tut mir Leid, dass ich mich nicht früher melden konnte, aber es gab etwas Stress beim Dreh, wodurch sich alles etwas verzögert hat. Ich hoffe, dass wenigstens du noch einen schönen Tag hattest. Vermutlich liegst du auch schon längst im Bett und schläfst tief und fest. Davon will ich dich natürlich jetzt auch nicht abhalten. Also dann wünsche ich dir erst Mal noch ein gute Nacht.
Würde mich freuen, wieder von dir zu hören.
LG Thomas"

LG Thomas... Was genau sollte diese allgemeine Floskel bedeuten? Zuerst diese persönlichen und netten Worte und dann so eine... so ein... unpersönliches Schlusswort? Ja, wie nannte man so etwas, was jeder schon mindestens einmal am Ende einer Nachricht benutzt hat? Irgendwie war das doch voll unpersönlich oder? Zumindest empfand ich das schon immer so.
Toll und jetzt? Nach dem Aufwachen am nächsten Morgen war das Erste, was ich tat, der Griff zum Handy. Ein wenig verschlafen überflog ich die ganzen Nachrichten, die sich über die nächtlichen Stunden angesammelt hatten, wobei kaum eine wirklich interessant war. Nur ein paar Push-Nachrichten von irgendwelchen Nachrichtenseiten, die man aber auch nicht abstellen konnte. Und dann sah ich wieder eine unbekannte Nummer. Thomas. Er war es tatsächlich, der mir gestern Abend noch geantwortet hatte. Vielleicht sollte ich seine Nummer endlich einmal einspeichern, um mich nicht immer über eine unbekannte Nummer zu wundern.
Schlagartig war ich um einiges wacher und las seine Nachricht. Doch danach war ich nur einmal wieder verwirrt, was das nun bedeuten sollte. Okay, zumindest wusste ich nun, weshalb er sich gestern nicht mehr gemeldet hatte, aber was sollte jetzt dieses Schlusswort bedeuten? Und warum war er nicht noch einmal auf das Treffen eingegangen? Zumindest hatte ich ihm mit meiner letzten Nachricht eigentlich die Möglichkeit gegeben, selbst einen Vorschlag zu machen. Aber er hatte es scheinbar ignoriert. Mit Absicht oder doch nur, weil es schon spät war und er sich später dazu äußern wollte? Allerdings hatte er dann wieder den Anschein erweckt, dass er auf eine Antwort meinerseits wartete. Oh man, schon wieder so viel Verwirrung am Morgen. Das konnte doch nicht gutgehen. Warum konnte man nicht einfach eine normale, klare Nachricht verfassen? Wobei, nein Mila. Warum musstest du immer alles bis ins kleinste zerdenken und dir dadurch unnötig Stress antun? Es musste ja nicht immer eine verschlüsselte Botschaft hinter jeden Wort stecken. Möglicherweise hatte sich der Verfasser der Nachricht auch gar nichts weiter gedacht. Genauso wie die ganzen Dichter in ihren Balladen, Gedichten und Sonetten oder so. Die hatten sich damals bestimmt auch nichts weiter gedacht, aber die Lehrer waren ja immer der Meinung, dass sich hinter den ganzen Formulierungen immer irgendwelche tieferen Hintergründe versteckten, die man unbedingt analysieren musste. Nein, Frau Meseberg! Goethe wollte mit der Farbe rot nicht seine Leidenschaft, Liebe oder Wut ausdrücken, diese verdammte Blume war einfach nur rot. Schluss. Aus. Ende. Mehr nicht.

Nur warum machte ich jetzt genau das, was ich im Unterricht immer als nervtötend und ätzend empfand? Scheinbar hatte die Schule einen schlechten Einfluss auf meine Gedanken. Komm Mila, das brachte ja jetzt auch nichts. Hör auf, darüber nachzudenken und mach dich erst einmal fertig für die Schule. Unterwegs blieb eh noch genug Zeit mir unnötigerweise den Kopf zu zerbrechen.
Seufzend legte ich das Handy zur Seite und beschloss, Thomas später zu antworten, wenn ich hoffentlich etwas klarer im Kopf war. Für einen kurzen Moment schloss ich noch einmal meine Augen und atmete tief ein und aus. Danach stand ich endlich auf und verließ mein Zimmer in Richtung Küche. Woher kam nur diese miese Laune? Das konnte doch nicht nur mit der Nachricht zusammenhängen, die im Grunde ja nun wirklich nicht so schlimm klang. Bekam ich etwa schon wieder meine Tage? Theoretisch war es wieder die Zeit dafür, aber sonst war es doch auch nicht so extrem mit den Stimmungsschwankungen. Missmutig ließ ich mich am Esstisch auf einen Stuhl sinken und betrachtete das bereits gemachte Frühstück vor mir. Porridge mit Obst und eine Tasse Tee. Eigentlich eines meiner liebsten Gerichte zum Frühstück, aber heute ließ der Hunger lange auf sich warten. Kurz nachdem ich mich gesetzt hatte, kam Grandma auch schon wieder in ihrem geblümten Morgenmantel in die Küche und wünschte mir einen guten Morgen, den ich nur halbherzig erwiderte. Erstaunt sah sie mich an. „Ist alles in Ordnung, Mila?"
„Ja, denke schon. Habe nur etwas schlecht geschlafen", log ich. Warum tat ich das? Wahrscheinlich weil ich selbst nicht so recht wusste, was das Problem war. Dabei hasste ich es, Grandma anzulügen. Doch zum Glück beließ sie es dabei und fragte nicht weiter nach, wofür ich ihr dankbar war. Schweigend frühstückten wir, während im Hintergrund das Radio dudelte und so keine allzu unangenehme Stille entstand. Da ich wusste, dass heute Sport auf dem Stundenplan stand, konnte ich mich dazu zwingen, mein Frühstück zu essen, auch wenn es nicht so gut wie sonst schmeckte. Aber lieber so als wenn ich im Unterricht wegen mangelnder Energie zusammenbrach.
Gegen halb 7 räumte ich mein Geschirr in die Spüle und verabschiedete mich nach oben ins Bad, um mich für die Schule fertig zu machen. Dort angekommen, betrachtete ich mich das erste Mal an diesem Tag im Spiegel. Glücklicherweise sah ich nicht ganz so grausam aus, wie ich es meiner Gefühlswelt nach gerade erwartet hatte, aber trotzdem hatte es auch schon einmal bessere Zeiten gegeben. Um nicht weiter Zeit zu verschwenden, fing ich an, meine Zähne zu putzen und mich so halbwegs für den Tag herzurichten. Da ich die ganze Zeit den Sportunterricht im Hinterkopf hatte, verzichtete ich heute komplett aufs Make-Up und auch das Duschen musste auf heute Abend verschoben werden. Hätte ja sonst auch wenig Sinn gemacht. Meine Haare band ich schon einmal vorsorglich zu einem Pferdeschwanz zusammen, um dann später einen Dutt draus machen zu können. Danach ging ich zurück in mein Zimmer und zog mich an. Da ich keine Lust auf etwas Aufwändiges hatte, entschied ich mich für eine schwarze Jeans, ein dunkelgraues T-Shirt und eine etwas zu große olive-grüne Sweatshirtjacke, um nicht komplett schwarz und grau herumzulaufen. Den Schmuck ließ ich bis auf die Ohrringe, die ich eh jeden Tag trug, weg und putze nur noch einmal schnell meine Brille. Selbst auf meine Armbanduhr verzichtete ich, jedoch nicht auf wenigstens einen Spritzer Parfum. Man musste ja nicht unbedingt stinkend das Haus verlassen.
Mit einem Blick in die Wetter-App versicherte ich mich noch, dass mein Outfit auch zum Wetter passte und packte dann die letzten Kleinigkeiten in meinen Rucksack. Danach schnappte ich mir noch meine Sporttasche und lief hinunter, um mir Schuhe und Jacke anzuziehen.
Unten angekommen, wartete auch Grandman schon mit meinem Mittagessen auf mich und ich nahm es dankbar entgegen. Sie war wirklich die Beste. Schnell zog ich meine schwarzen Vans und meine schwarze Lederjacke an, gab Grandma zum Abschied einen Kuss auf die Wange und machte mich schließlich auf den Weg zum Bus.

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⏰ Last updated: Apr 11, 2021 ⏰

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Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Where stories live. Discover now