Kapitel 11

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Das war jetzt nicht gerade wirklich passiert, oder? Konnte mich mal jemand kneifen? Hatte Thomas Brodie-Sangster mich gerade wirklich nach meiner Handynummer gefragt? Mich, eine kleine unbedeutende Person, die kaum in der Lage war, in seiner Nähe vernünftige Sätze zu formulieren?
Ich musste mich erst einmal setzten. Es kam mir so irreal vor, dass ich bestimmt 10 Minuten einfach nur so auf der Kante meines Bettes dasaß und die Zimmertür anstarrte, durch die Thomas verschwunden war. Es schien, als erwartete mein Gehirn, dass er gleich wieder durch diese Tür kommen und klarstellen würde, dass es sich bei der Aktion nur um einen Scherz gehandelt hatte. Aber er kam nicht. Niemand kam. Selbst meine Oma ließ sich nicht blicken. Wahrscheinlich war sie in der Küche mit dem Abendbrot beschäftigt.
Langsam, ganz langsam, realisierte ich, was da vor wenigen Minuten passiert war. Und je klarer meine Erkenntnis wurde, dass der heiße, berühmte Schauspieler nun meine Nummer hatte, desto zerstreuter wurden meine Gedanken, wie ich nun mit dieser Situation umgehen sollte. Es vergingen weitere 5 Minuten, in denen ich überlegte, was ich als Nächstes tun sollte. Doch diese Entscheidung wurde mir dankenswerter Weise von meiner Oma abgenommen, da sie mich zum Abendessen rief. Ich beschloss, meine Gedanken an die letzte halbe Stunde beiseite zu schieben und mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Schnell lief ich hinunter in die Küche und aß mit meiner Oma, was sie gekocht hatte. Allerdings funktionierte das Gedankenverschieben nicht sonderlich gut, denn ich wusste später nicht einmal mehr, was wir gegessen hatten, da ich zu abgelenkt war. Mit der Ausrede, dass ich sehr müde von den Geschehnissen des Tages war, räumte ich schließlich mein Geschirr ab und verzog mich in mein Zimmer. Meine Oma hatte mir zwar fragend nachgeblickt, aber ich hatte sie nur entschuldigend angesehen und sie verstand. Vermutlich würde ich ihr morgen von der Handynummer-Geschichte erzählen. Jetzt war ich aber wirklich irgendwie zu müde dafür. Deshalb schnappte ich mir, im Zimmer angekommen, meine Schlafsachen und ging ins Bad. Dort nutzte ich, anders als gestern, meine halbe Stunde und nahm mir die Zeit für meine Abendroutine. Wirklich was anderes als am Abend zuvor machte ich eigentlich nicht, aber alles dauerte viel länger. Vermutlich weil ich zwischendurch immer wieder innehielt und an Thomas dachte. Endlich fertig, schlurfte ich zurück in mein Zimmer und ließ mich auf mein Bett fallen. Mit einem Mal spürte ich die gesamte Nervosität und Aufregung, die sich den Tag über in mir angestaut hatte, überall in meinem Körper und ich hatte das Gefühl, von deren Schwere ins Bett gedrückt zu werden. Ich war so unglaublich fertig, dass ich es gerade noch schaffte, nach meinem Handy zu greifen, bevor ich in einen tiefen Schlaf fiel. Das letzte was ich sah, war das leuchtende Display meines Handys: Keine neuen Nachrichten....

Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Obwohl ich bestimmt 12 Stunden geschlafen hatte, fühlte ich mich wie gerädert. Als hätte ich einen Kater vom zu vielen Trinken... Keine Ahnung woher das kam, aber es half nichts... An Schlaf war jetzt nicht mehr viel zu holen, weshalb ich mich auf den Weg zu meiner Oma in die Küche machte. Sie saß bereits am gedeckten Küchentisch und las ihre Zeitung, während sie einen Bissen nach dem anderen von ihrem Marmeladentoast nahm. Ich setzte mich ihr gegenüber an den Tisch und murmelte ein „Guten Morgen", während ich mir ein Glas mit Orangensaft eingoss. Sie erwiderte die morgendliche Begrüßung, allerdings ein wenig wacher und fröhlicher. Während ich mir zwei Scheiben Toast auf dem Teller zurechtlegte und sie mit Marmelade und Honig bestrich, blickte sie mich die ganze Zeit über den Rand ihrer Zeitung hinweg an. Fragend blickte ich zurück und sie musste schmunzeln. Ich ließ mein Honigtoast, von dem ich gerade einen großen Bissen genommen hatte, ein wenig sinken und fragte mit halb vollem Mund: „Was ist denn los? Warum guckst du mich so an?"
„Ach nichts, nichts. Du scheinst dich ja ziemlich gut mit dem jungen Herrn von gestern verstanden zu haben, wenn ich das richtig gesehen habe..." Sie sah mich auffordernd an. Ich schluckte meinen Bissen hinunter und erwiderte nur: „Na ja, er war ganz nett." Um ihrer Antwort auszuweichen, fragte ich aber gleich weiter: „Und was ist mit dir? Du hast dich scheinbar auch ziemlich gut mit seinem Bodyguard, Ivan, unterhalten. Es schien fast so, als würdet ihr euch kennen..." Ich beobachtete ihre Reaktion genau. „Ach Quatsch, Mila. Das musst du dir eingebildet haben. Wir haben und nur ganz normal unterhalten. Er ist schließlich ein recht netter Kerl..." Ah ja, natürlich. Ich konnte ihr ansehen, dass sie nicht alles sagte, aber ich beließ es dabei.
„Na ja, wie dem auch sei, ich kümmer mich dann jetzt mal um meine Möbel sowie die Deko."
„Wie jetzt? Heute ist doch Samstag. Willst du da nichts in der Stadt unternehmen bei dem schönen Wetter? Du weißt, dass sich das hier nicht so lange hält."
„Ja ich weiß, aber was soll ich denn in der Stadt machen? Ich kenne doch noch niemanden und außerdem müssen die Möbel noch an ihren Platz, damit ich endlich diese hässlichen Umzugskartons ausräumen kann."
„Hmm na gut, aber ich kann dir dabei leider nicht helfen. Ich muss nachher selbst noch einmal los in die Stadt, um ein paar Einkäufe zu erledigen und dann hatte mich die Nachbarin von gegenüber, Frau Silverstone, zum Kaffee eingeladen."
„Mach dir keine Sorgen um mich. Das schaffe ich schon alleine. Der Schrank steht ja schon zum Glück an der richtigen Stelle. Den Rest bekomme ich auch noch hin. Und wenn was sein sollte, kann ich ja immer noch anrufen."
„Also wie du willst. Dann machen wir das so. Ich würde mich dann auch langsam fertig machen, denn bei den ganzen Baustellen braucht man ja zur Zeit etwas länger in die Stadt."
„Gut, ich würde dann auch demnächst die Möbel in Angriff nehmen."
Sie lächelte mich an, legte ihre Zeitung zusammen und stand auf. Ich nahm noch den letzten Schluck Orangensaft und half ihr dann den Tisch abzuräumen.
Nachdem sie sich verabschiedet hatte, ging ich ins Bad und machte mich frisch. Danach wurden Zähne geputzt und die Haare zum Dutt geformt. Als mein heutiges Outfit wählte ich eine bequeme Jogginghose und ein XXL T-Shirt. Da ich den Tag zu Hause verbrachte, war es mir egal, wie ich aussah.
In der Zimmertür stehend, betrachtete ich das Chaos in meinem Zimmer. Bis jetzt stand nur mein großer Kleiderschrank an seinem für ihn vorbestimmten Platz. Links hinter der Tür... In meinem Kopf ging ich noch einmal durch, wie ich die Möbel platzieren wollte. Dann legte ich los:
Mein Bett schob ich erst einmal vorsichtig ohne Matratze und Lattenrost rechts in die Ecke unter eines der beide Fenster, die auf der rechten Wandseite, von der Tür aus gesehen, eingelassen waren. Daraufhin folgte der Schreibtisch. Es war ein weißer Eckschreibtisch, den ich noch einmal in seine Einzelteile zerlegen musste, um ihn in die linke Ecke hinter meinen Kleiderschrank zu bekommen. Die drei stützenden Teile, die Regale und Schubladen enthielten, an die richtige Stelle zu bringen, war kein Problem, aber die große Arbeitsplatte bereitete mir einige Schwierigkeiten. Zum Einen war sie sehr schwer und zum Anderen sehr unhandlich. Es handelte sich wirklich um Millimeterarbeit, die Platte in das große Regalteil zu transportieren und beim Zusammenstecken mit den beiden anderen Stützteilen klemmte ich mir fast zweimal die Finger ein. Als der Schreibtisch dann endlich stand, musste ich erst einmal durchatmen, weshalb ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen ließ und aus einem der beiden anderen Fenster gegenüber der Tür blickte. Da der Schreibtisch genau unter dem Fenster stand, würde ich jetzt immer diesen Ausblick in den Garten des Hauses während den Hausaufgaben genießen können. Es könnte zwar sehr ablenkend sein, aber dafür hatte man hier wunderbares Tageslicht zum Arbeiten. Nach einer kurzen Verschnaufpause begab ich mich wieder an die Arbeit. Nach und nach nahm das Zimmer Form an. Meine beiden Kommoden rückte ich neben den Schreibtisch unter die beiden Fenster gegenüber der Zimmertür. Daneben passte gerade noch so mein hohes Bücherregal.
Damit mein Bett nicht ganz so allein in der Ecke stand, stellte ich noch meinen kleinen Nachttisch an die Bettseite und platzierte die zum Bett dazugehörige Truhe zum Sitzen an das Fußende des Bettes. Keine Ahnung, warum man in Amerika vor vielen Betten im Laden diese Sitzmöglichkeiten am Fußende fand, aber ich fand es damals ziemlich cool und wollte auch so eine haben. Eigentlich wusste ich nicht einmal, wie man diese Teile nannte, weshalb ich zu ihnen immer 'Truhe zum Sitzen' sagte... Na ja, jedenfalls nahm sie ein wenig Platz weg, weshalb zwischen ihr und der Tür nur noch meine große Palme passte. Ich wollte sie unbedingt dort haben, damit man beim Betreten des Zimmers nicht sofort einen ungehinderten Blick auf das Bett erhaschen konnte. Verständlich, oder? Allerdings musste dadurch meine Pflanzentreppe woanders untergebracht werden. Zum Glück fand sich dafür noch zwischen Nachttisch und Bücherregal genügend Platz.
Somit standen alle Möbel und ich konnte mich ans Dekorieren machen. An sich war, abgesehen von der Schreibtischplatte, der anstrengendste Teil das Verschieben der Umzugskisten gewesen. Da sie mitten im Raum gestanden hatten, musste ich sie immer von einem Ort zum anderen schieben, damit ich die Möbelteile an ihnen vorbei zu ihren Plätzen bringen konnte. Ich war heilfroh, dass ich sie jetzt alle auspacken und wegräumen konnte. Zuvor musste ich allerdings noch meine Korkwand über meinem Schreibtisch, meine Uhr über der Tür und ein kleines Regal über meinem Bett anbringen. Dann konnte ich endlich alles einräumen. Ich verstaute meine Klamotten in meinem Kleiderschrank, ordnete meine Pflanzen auf der Pflanzentreppe, füllte meine Kommoden mit allerhand Zeugs und sortierte meine Bücher in das Bücherregal. Danach bekamen noch alle meine alten Schulsachen und Unterlagen ihren Platz am Schreibtisch und ich konnte mich schlussendlich um das Highlight kümmern: meinen runden, flauschigen weißen Teppich und meine zwei Sitzsäcke. Ich fand, der Teppich mit den dunkelgrauen und bordeaux-roten Sitzsäcken darauf passte perfekt zu dem dunkelbraunen Laminat und den weißen Ikea-Möbeln. Da die Wände auch fürs Erste weiß geblieben waren, wirkte das Zimmer ziemlich hell und groß. Trotzdem fehlte mir noch ein bisschen was, um mich wirklich richtig wohlzufühlen. Meine Dekoartikel zeugten nicht gerade von großer Auswahl. Abgesehen von ein paar Bilderrahmen auf dem Regal über meinem Bett, einer Nachttischlampe und den Pflanzen hatte ich nicht viel zum Dekorieren. Ich musste also wohl oder übel in den nächsten Tagen noch einmal losziehen und ein paar Dinge kaufen. Na super, eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust darauf. Aber gut, was tut man nicht alles, um sich wohl zu fühlen...
Nachdem ich den letzten Umzugskarton zusammengefaltet und zum Müll gebracht hatte, wischte ich noch einmal grob durch das Zimmer, um den gröbsten Dreck zu entfernen. Natürlich war es jetzt nicht super sauber, aber für den Anfang akzeptabel. Trotzdem würde ich in den nächsten Tagen noch einmal alles richtig sauber machen müssen. Wie ich mich schon drauf freute...*hust*... nicht!
Schließlich ließ ich mich seufzend in den grauen Sitzsack plumpsen und atmete tief durch. Endlich fertig. Während ich nach meinem Handy griff, knurrte plötzlich mein Magen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es schon kurz nach 16 Uhr war. Also stand ich kurzerhand auf und lief in die Küche, um mir einen Apfel zu holen. Mit dem Apfel und einem Glas Wasser in der Hand gesellte ich mich zu meiner Oma, die mittlerweile vom Einkaufen und Kaffeetrinken zurück war, in den Garten. Dort nahm ich auf einem der Gartenstühle platz und stärkte mich etwas, bevor ich ihr zur Hand ging und beim Unkrautzupfen und Pflanzenbewässern half.
Gegen 18 Uhr beendeten wir die Arbeit und ließen den Abend gemütlich ausklingen. Wir aßen Kartoffelsuppe mit Würstchen, die meine Oma schon vorgekocht hatte, tranken Tee und genossen den Sonnenuntergang. Danach erzählten wir Geschichten von früher. Auch mein Abschied von Deutschland kam zur Sprache, bis es irgendwann zu kalt wurde und wir beschlossen, langsam schlafen zu gehen. Sie gab mir noch einen Gutenachtkuss und ich schlurfte die Treppe nach oben ins Bad. Dort gönnte ich mir eine ausgiebige Dusche. Die hatte ich mir wirklich verdient. Erst die ganzen Möbel schleppen und dann noch die Gartenarbeit... Ich freute mich riesig auf mein Bett.
Endlich bettfertig krabbelte ich unter meine Bettdecke, kuschelte mich in meine Kissen und ließ den Tag noch einmal Revue passieren. Während der Gartenarbeit und des Essens mit meiner Oma hatte ich kaum an ihn gedacht, aber davor und jetzt gerade schwirrten meine Gedanken wieder nur um Thomas und was bisher passiert war. Wahrscheinlich hatte ich auch deshalb fast fünf Stunden für mein Zimmer gebraucht. Ich war die ganze Zeit abgelenkt und konnte mich nur schwer konzentrieren. Wie soll man auch an was anderes denken können, wenn man die ganze Zeit hofft, eine Nachricht zu erhalten. Apropos Nachricht... Er hatte mich immer noch nicht angeschrieben. Nur eine SMS von meiner Mutter, dass sie morgen Nachmittag vorbei kommen würde.
Warum hoffte ich so sehr, dass er sich melden würde? Man, Mila... das hätte doch eh nicht gepasst. Wie naiv musste man denn sein? Als ob er sich bei mir melden würde. Er hatte schließlich Wichtigeres zu tun... Oh man.... Erschöpft vom Tag und dem ganzen Grübeln schlief ich schließlich ein.
Warum musste mein neues Leben in London nur so anstrengend sein?

Do you trust me? (Thomas Brodie-Sangster FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt